Rechtsgeschichte. Susanne Hähnchen
öffneten sich die vornehmen Kreise Roms der griechischen Gedankenwelt. Beispiele sind der Scipionenkreis, der einflussreiche Stoiker Panaitios und der Historiker Polybios.
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Den obersten Stand der Römer bildeten die nobiles (ordo senatorius). Die Angehörigen absolvierten üblicherweise die Laufbahn der hohen Staatsämter (Rn. 78), wurden danach Statthalter in den Provinzen und gelangten schließlich in den Senat. Grundlage ihrer gesellschaftlich-politischen Stellung war zunächst der Reichtum ihrer Familien, der durch Kriegsbeute erhöht wurde. Durch eine lex Claudia (218 v. Chr.) wurde Senatoren der Besitz größerer Seeschiffe untersagt, d.h. sie sollten keinen Seehandel größeren Ausmaßes mehr betreiben. Auch von öffentlichen Aufträgen und der Steuerpacht waren sie ausgeschlossen. Geldgeschäfte galten ihnen als unziemlich.
Zweiter Stand war der ordo equester, der sog. Ritterstand. Angeblich gehörten diesem zunächst Bürger an, denen wegen ihrer Verdienste ein equus publicus (Pferd für den Kriegsdienst auf öffentliche Kosten) gestellt wurde. Die equites der entwickelten Republik, die Angehörigen der Ritterzenturien, waren große Geschäftsleute, welche sich den profitablen Tätigkeiten widmeten, die dem Senatorenstand versagt waren. Ein Aufstieg in die Senatsaristokratie über die Ämterlaufbahn war lange quasi unmöglich. Seit dem zweiten punischen Krieg (218-201 v. Chr.) soll es 15 solcher Aufsteiger (homines novi; homo novus = wörtlich: neuer Mensch, im übertragenen Sinne: Emporkömmling) gegeben haben, unter ihnen der Popularenführer Marius, aber auch die profilierten Konservativen Cato der Ältere und Cicero.
Den dritten Stand bildete die „neue“ plebs, die Mehrzahl der freien römischen Bürger: Bauern, Gewerbetreibende in den Städten, auch Angestellte bei Höheren, niedere Beamte sowie von Getreidespenden und öffentlichen Spielen unterhaltene proletarii in der Hauptstadt.
Sozial bedeutend blieb das Klientenwesen (Rn. 41). Die Klientel spielte nicht zuletzt bei den Wahlen zu den Magistraturen (Rn. 89, 91) eine wichtige Rolle, denn faktisch waren Klienten verpflichtet, der Wahlempfehlung ihres Patrons zu folgen.
Rechtlich gesehen die unterste römische Bevölkerungsschicht waren die (unfreien) Sklaven. Ihr tatsächlicher sozialer Status wies allerdings große Unterschiede auf. Es gab in Fesseln gehaltene Feldarbeiter, aber auch Hauspersonal, Handwerker, Gewerbetreibende sowie qualifizierte Ärzte, Künstler und Gelehrte.
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Frei, aber ohne römisches Bürgerrecht waren die Peregrine (Rn. 41). Sie stellten die Masse der Provinzbewohner und hatten immerhin ihr eigenes Bürgerrecht, es sei denn die Römer hatten ihr Gemeinwesen wegen besonders hartnäckiger Gegenwehr aufgehoben. Dann waren sie ohne jegliches Bürgerrecht (perigrini dediticii). So erging es z. B. den Karthagern nach der Eroberung Karthagos (146 v. Chr.) und den Juden nach der Zerstörung Jerusalems (70 n. Chr.).
Die im Zuge der römischen Eroberung Italiens unterworfenen latinischen Nachbarn erhielten meistens das römische Vollbürgerrecht (Rn. 42). Später entstanden Halbbürgergemeinden und Kolonien, deren Einwohner das commercium, oft auch das connubium hatten, aber kein suffragium oder ius honorum. Andere Gemeinden behielten ihr eigenes Bürgerrecht und wurden kriegsdienstpflichtige Bundesgenossen (socii).
Nach den gracchischen Unruhen (Rn. 96) wollte der Volkstribun Livius Drusus allen Bundesgenossen das römische Bürgerrecht verschaffen. Seine Gegner ließen ihn ermorden und gingen gegen seine Anhänger mit Hochverratsverfahren vor. Dadurch kam es 91 v. Chr. zum sog. Bundesgenossenkrieg. An seinem Ende wurde fast allen italischen socii das volle Bürgerrecht verliehen (90/89 v. Chr.). Ausgenommen blieben die Samniten, Lucaner und Bruttier, die erst später unterworfen werden konnten und denen ihr eigenes ursprüngliches Bürgerrecht genommen wurde; sie wurden peregrini dediticii.
1. Allgemeines
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Die drei Elemente der (ungeschriebenen) republikanischen Verfassung waren der Senat, die Volksversammlungen und die Magistraturen (Rn. 45, 48). Die leges Liciniae Sextiae (Gesetze des Licinius und des Sextus – nach den Volkstribunen, die sie beantragten) von 367 v. Chr. entwickelten diese Verfassung weiter. Seither standen jeweils zwei Konsuln (ein patrizischer und ein plebejischer) an der Spitze des Gemeinwesens. Praktisch lag die Macht bei der neuen Adelsschicht aus Patriziern und aufgestiegenen Plebejern, versammelt im Senat (Rn. 47, 87). Auch die anderen Amtsträger entstammten dieser Schicht. Kennzeichnend für das frühere Stadium der politischen Entwicklung ist, dass kaum hervorragende Einzelpersönlichkeiten auftreten. Die Republik wurde lange von einer weitgehend homogenen Gruppe adliger Politiker und Militärs getragen. Diese Ordnung hielt sich bis zu den gracchischen Unruhen (Rn. 96), die 133 v. Chr. begannen und das sog. Revolutionszeitalter, das letzte Jahrhundert der Republik, einleiteten.
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Für die Inhaber der Oberämter (magistratus) legte ein Gesetz von 180 v. Chr. die Laufbahn erstmals verbindlich fest. Zur Vermeidung von Alleinherrschaft wurden grundsätzlich alle Ämter doppelt besetzt (Kollegialität). Der Bewerber sollte sich zunächst zum Quästor wählen lassen, dann zum Volkstribunen oder Ädil, zum Prätor und schließlich zum Konsul. Zensur und Diktatur waren ehemaligen Konsuln vorbehalten. Das Mindestalter für den Quästor betrug (nach 10-jährigem Heeresdienst) 30 Jahre, für den Prätor 40, für den Konsul 43 Jahre.
Die römischen Oberämter waren unbesoldet, denn für das zeitgenössische Verständnis waren alle diese Ämter Ehrenämter. Gewählt wurde man jeweils für ein Jahr (Annuität) und zwischen den jeweiligen Ämtern lag eine Pause von mindestens zwei Jahren. Nach Absolvieren der Ämterlaufbahn gingen die früheren Amtsträger üblicherweise als Proprätoren oder Prokonsuln (Statthalter, Gouverneure) in eine Provinz, wo sie ihre bei den Wahlkämpfen geschmälerten Vermögen durch Ausbeutung der Provinzialen wieder aufbessern konnten. Bekannt wurde der Statthalter Verres wegen der gegen ihn gehaltenen Gerichtsreden Ciceros (in C. Verrem actiones prima et secunda).
2. Die einzelnen Ämter
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Die beiden obersten Magistratsbeamten, die Konsuln, führten vor allem den militärischen Oberbefehl. Deshalb hatten sie die imperium genannte, höchste Herrschaftsgewalt. Damit verbunden war die coercitio (Recht zur Verhängung von Zwangs- und Strafmaßnahmen bis zur Todesstrafe) und die Befugnis, die Komitien (Volksversammlungen) einzuberufen sowie dort Anträge zu stellen. Jeder Konsul konnte gegen Anordnungen seines Kollegen sowie unterer Magistrate einschreiten (interzedieren: veto = ich verbiete). Normalerweise teilten die Konsuln ihre Amtsbereiche (provinciae) durch Vereinbarung oder Losentscheid auf, sofern nicht der Senat entschied.
Rechtsbehelf gegen die coercitio war zunächst die Interzession der Volkstribune. Eine lex Valeria aus dem Jahre 300 v. Chr. führte die provocatio ad populum (Berufung an die Volksversammlung) für jeden