Rechtsgeschichte. Susanne Hähnchen
der Anhängerschaft der politischen Kontrahenten.
In der Folge dominierender Einzelpersönlichkeiten in der Politik kam es zur Veränderung der Herrschaftsstrukturen. Die republikanischen Institutionen wurden zwar nicht offiziell abgeschafft, aber von neuen Erscheinungen überlagert. Man nennt das letzte Jahrhundert der Republik, das dann schließlich in die neue Herrschaftsform des Prinzipats (der Kaiserzeit) einmündete, auch das Revolutionsjahrhundert.
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Zum offenen Ausbruch kamen die politischen Gegensätze zunächst im Jahre 133 v. Chr., als der Volkstribun Tiberius Sempronius Gracchus ein Gesetz zur Beschränkung der Anteile einzelner bei der Nutzung des ager publicus durchsetzen wollte. Angeblich sollte damit nur ein älteres Gesetz wiederhergestellt werden: Dieses Gesetz gehörte zu den lizinisch-sextischen Gesetzen (367 v. Chr.) und bestimmte, niemand dürfe mehr als 500 iugera (Morgen) Ackerland besitzen. Den auf Geheiß des Senats mit Veto einschreitenden Kollegen ließ Tiberius S. Gracchus durch ein Gesetz (vermutlich ein Plebiszit) absetzen, was einem Verfassungsbruch gleich kam. Als er sich dann auch noch entgegen den bisher beachteten Regeln für ein zweites Amtsjahr wählen lassen wollte, kam es zu Unruhen, in deren Verlauf er und eine Anzahl seiner Anhänger getötet wurden. Damit begann die letzte Phase der Republik, in der Verfassungsbruch und brutale Gewalt die Regel waren.
Der jüngere Bruder Gaius Sempronius Gracchus setzte die sog. Gracchischen Reformen fort. Er war Volkstribun 123/122 v. Chr. und erreichte die Zuteilung von neuen Bauernstellen auf ehemaligem ager publicus. Diese Siedlerstellen waren Privateigentum, aber zum Schutz ihrer Inhaber unveräußerlich. Außerdem ließ er in Italien und Karthago Kolonien für römische Bürger gründen, wies die Aburteilung ausbeuterischer Provinzialstatthalter Richtern aus dem Ritterstand zu und begründete die verbilligte, später kostenlose Versorgung der Armen in der Hauptstadt mit Getreide.
Nach Ablauf seines Tribunats wurde Gaius S. Gracchus auf Grund eines senatus consultum ultimum (Rn. 87) umgebracht. Durch ein Gesetz vom Jahre 111 v. Chr. hob man die Unveräußerlichkeit der neuen Siedlerstellen auf, die nun bald von den Großgrundbesitzern zurückgekauft werden konnten.
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In den Kriegen gegen die germanischen Ambronen, Kimbern und Teutonen sowie gegen den numidischen König Jugurtha erwies sich der Ritter Gaius Marius als ein Retter des Vaterlandes. 104-100 v. Chr. wurde er fünfmal hintereinander zum Konsul gewählt, obwohl die Wiederwahl nach einem Gesetz aus dem Jahre 151 v. Chr. verboten sein sollte. Er errang seine militärischen Erfolge mithilfe eines neuartigen Berufsheers aus besoldeten proletarii, die zu ihm in einem klientenmäßigen Abhängigkeitsverhältnis standen. Der Plan des Marius, die ehemaligen Soldaten (Veteranen) mit Ackerland zu versorgen, führte zu einer Konfrontation mit den nobiles, in der Marius zunächst unterlag. Nach dem Bundesgenossenkrieg (Rn. 76) ließ Marius 88 v. Chr. dem konservativen Konsul Sulla, Angehöriger der Optimaten, das Oberkommando im Krieg gegen Mithridates von Pontus entziehen. Sulla erstürmte daraufhin Rom. Marius konnte entkommen und verfolgte seine Gegner, von seinem Anhänger Cinna nach dem Abzug Sullas in das Amt des Konsuls zurückgebracht, durch Hinrichtungen und Vermögenseinziehungen. Marius starb 86 v. Chr.
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85 v. Chr kehrte Sulla aus dem Krieg gegen Mithridates zurück, erstürmte Rom und rächte sich nun seinerseits an seinen Feinden. Cinna wurde 84 v. Chr. ermordet, nachdem er drei Jahre offenbar ohne Wahl regiert hatte. Auf Grund der sog. Proskriptionen (öffentliches Anschreiben der Namen) gab Sulla seine Gegner zur Tötung frei, zog ihre Vermögen ein und schloss sie sowie ihre Nachkommen von öffentlichen Ämtern aus. Durch ein Volksgesetz (lex Valeria) ließ er sich 82 v. Chr. zum Diktator (Rn. 85) ohne zeitliche Begrenzung ernennen, mit allumfassender, auch gesetzgebender Gewalt. Das war eine bislang in Rom unbekannte Diktatur neuen Stils. Außerdem ließ er sich zum Konsul wählen.
Sulla festigte vorübergehend die Herrschaft des Senatsadels. So durften nur noch Senatoren zu Volkstribunen gewählt werden. Gleichzeitig wurden die Befugnisse der Tribune beschränkt. Den Senat verdoppelte er durch die Ernennung von 300 neuen Senatoren, zum großen Teil eigene Anhänger aus dem Ritterstand. Strafprozesse kamen vor neu eingerichtete ständige Strafgerichtshöfe (quaestiones perpetuae). Oberitalien wurde zur provincia Gallia Cisalpina. Seine Veteranen siedelte Sulla auf unveräußerlichen Bauernstellen an. 79 v. Chr. legte er die Diktatur freiwillig nieder und starb im folgenden Jahr. Seine „konservativen“ (alte Institutionen bewahrende) Maßnahmen wurden unter den späteren, den Popularen nahe stehenden Amtsträgern zum großen Teil wieder rückgängig gemacht.
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In die Jahre 73 bis 71 v. Chr. fällt der große Sklavenaufstand. Angeführt wurde er von dem vermutlich aus Thrakien stammenden Spartacus, der zusammen mit 78 anderen Gladiatoren aus einer Gladiatorenschule floh. Zahlreiche Sklaven aus landwirtschaftlichen Großbetrieben (Latifundien), aber auch verarmte Freie schlossen sich den Rebellen an. Nach anfänglichen militärischen Erfolgen des durch Italien ziehenden, riesigen Sklaven-Heeres über die römischen Legionen scheiterte der Aufstand, weil den Aufständischen ein politisches Programm fehlte und das Ziel vorrangig in der Flucht in die Heimat bestand. Der römische Reichtum basierte jedoch maßgeblich auf der Ausbeutung der Sklaven und daher konnte und wollte man ein solches Verhalten nicht hinnehmen.
Die vernichtende Schlacht bei Tarentum wurde von Lucullus, Crassus und Pompeius geführt. Die überlebenden etwa 6000 Sklaven ergaben sich und wurden von Crassus an der Via Appia, der nach Rom führenden Straße, gekreuzigt.
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63 v. Chr. versuchte der Senator Catilina gewaltsam an die Macht zu kommen, nachdem seine Bewerbungen um das Konsulat wiederholt gescheitert waren. Überliefert ist diese (aufgedeckte) Catilinarische Verschwörung durch die gegen deren Anführer gerichteten Gerichtsreden Ciceros, der Catilina schon vorher bekämpft und sozialrevolutionärer Umtriebe bezichtigt hatte. Auch der konservative Schriftsteller Sallust schilderte Catilina und seine Leute später als verkrachte Existenzen, Catilina selbst als Überläufer zum anderen politischen Spektrum, nachdem seine Ambitionen auf der konservativen Seite keinen Erfolg hatten. Cicero ließ die Anhänger des Catilina aufgrund eines senatus consultum ultimum (Rn. 87) ohne Gerichtsverfahren hinrichten. Die Popularen hielten dieses Vorgehen für rechtswidrig, und Cicero musste nach Änderung der politischen Mehrheiten im Jahre 58/57 v. Chr. für 17 Monate nach Griechenland ins Exil gehen. Nach einer lex Sempronia aus dem Jahre 123 v. Chr. entgingen römische Bürger nämlich durch das Exil der Todesstrafe.
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60 v. Chr. verbündeten sich Crassus, Pompeius (Rn. 99) und Caesar zum sog. ersten Triumvirat (Bündnis aus drei Männern). Dieses stellte an sich eine private Abrede ohne staatsrechtliche Grundlage dar. Crassus war ein Finanzmann, der die Basis seines Vermögens bei den Proskriptionen Sullas (Rn. 98) erworben hatte. Pompeius taktierte politisch zwischen den Optimaten und den Popularen.
Gaius Iulius Caesar wurde 100 v. Chr. in einer patrizischen Familie geboren. Er war der Neffe der Ehefrau des Marius (Rn. 97) und verheiratet mit einer Tochter des Cinna (Rn. 97 f). In seiner Jugend hatte er unter den Proskriptionen Sullas gelitten. Er war zunächst vom Quästor zum Prätor aufgestiegen, danach Proprätor in Spanien gewesen und pontifex maximus (