Rechtsgeschichte. Susanne Hähnchen

Rechtsgeschichte - Susanne Hähnchen


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des Privatrechts neu geregelt. Am wichtigsten war die lex Aquilia, nach der Überlieferung ein Plebiszit aus dem Jahre 286 v. Chr. und damit das erste nach der lex Hortensia von 287 v. Chr. (Rn. 46, 93). Danach hätte die lex Aquilia im besonderen Interesse der Plebejer gelegen. Heute hingegen meinen viele Gelehrte wohl zutreffend, die wirtschaftliche Entwicklung zwinge zu der Annahme, dass die lex Aquilia erst um 200 v. Chr. erlassen worden sei.[6] Gegenüber dem älteren Recht der XII Tafeln (XII tab. 8, 3, Rn. 70) ist auffällig, dass bei der Verletzung eines Sklaven nicht mehr eine feste Geldbuße (150 Asse) geschuldet, sondern ein am Interesse des Eigentümers orientierter Schadensersatz bestimmt wurde. Darin dokumentiert sich nicht nur die Geldentwertung[7], die feste Bußen sinnlos machte, sondern auch die Entwicklung der Sklaven von (wenn auch minderberechtigten) Personen zu bloßen Trägern der „Ware“ Arbeitskraft.

      Das Gesetz hatte drei Kapitel. Im ersten war bestimmt, dass bei Tötung (occidere) eines Sklaven oder eines vierfüßigen Herdentieres dem Eigentümer Schadensersatz im Betrage des Höchstwertes des Sklaven oder Tieres im letzten Jahr zu leisten ist. Das zweite Kapitel betraf einen vollkommen anderen, hier nicht interessierenden Zusammenhang (den ungetreuen adstipulator). Das dritte Kapitel verpflichtete zum Schadensersatz bei der Verletzung eines Sklaven oder der Zerstörung oder Beschädigung von Sachen durch brennen (urere), brechen (frangere) oder verstümmeln, zerschmettern (rumpere, später cor-rumpere = verderben). Aus den Verben occidere, urere, frangere, rumpere folgerten noch die klassischen Juristen, dass der Schaden durch direkte körperliche Einwirkung auf das verletzte Objekt verursacht werden musste (damnum corpore corpori datum), wenn die lex Aquilia direkte Anwendung finden sollte. Für die Tatbestände der Schädigung durch indirekte Einwirkung (z. B. Verhungernlassen durch Einsperren, Scheuchen von Vieh in einen Abgrund) entwickelte man im Laufe der Zeit sog. analoge Klagen (actiones utiles, actiones in factum)[8], ebenso etwa für die Verletzung freier Hauskinder, die vom Wortlaut Klageformel her auch nicht erfasst waren.

      Die Verletzung musste iniuria geschehen sein. Ursprünglich war damit Widerrechtlichkeit gemeint, seit spätrepublikanischer Zeit differenzierte man zur Schuld (culpa).

      Das erste und letzte Kapitel der lex Aquilia wurden später im gemeinen Recht verallgemeinert, d.h. nicht mehr nur für bestimmte Sachen und Handlungen angewendet. Sie waren damit die Vorläufer des heutigen § 823 Abs. 1 BGB.

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      Ein anderes das Zivilrecht betreffendes Plebiszit war die lex Cincia (204 v. Chr.). Danach waren Schenkungen verboten, die an nicht nahe verwandte Personen gingen und ein bestimmtes, uns nicht mehr bekanntes Maß überstiegen (donationes immodicae). Trotz unmittelbarer Freigiebigkeit wird auch mit einer Schenkung in weiterem Sinne meist ein Zweck verfolgt. Gemäß einem alten Rechtssatz, dessen Herkunft nicht überliefert ist, waren auch Schenkungen zwischen Ehegatten ungültig, einschließlich des dinglichen Übertragungsgeschäfts. Eine Ausnahme bildete nur die dos (Mitgift).

      Wichtig erscheint die lex Laetoria oder Plaetoria (etwa 200 v. Chr.) gegen die Übervorteilung der minores, d.h. junger Leute nach Erreichen der Mündigkeit. Feste Altersgrenzen für die Geschäftsfähigkeit und den Minderjährigenschutz bildeten sich aber wohl erst in klassischer Zeit heraus (Rn. 175).

      Die lex Falcidia aus dem Jahre 40 v. Chr. schützte die Erben vor der Aushöhlung des Nachlasses durch Vermächtnisse (Legate). Den Erben musste wenigstens ein Viertel des Nachlasses verbleiben, die sog. quarta Falcidia. Gegen Enterbungen schützte die lex Falcidia allerdings noch nicht (Rn. 180).

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      Die Rechtslehre war zunächst Geheimwissen der (patrizischen) Priester (Rn. 50). Für die entwickelte Republik sind uns jedoch einzelne Juristen überliefert, vor allem durch ein Buch des Pomponius, eines Juristen aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., der offenkundig rechtshistorische Interessen hatte.[9] Aus seiner Perspektive nannte man die republikanischen Juristen veteres, die Alten. Oft werden sie heute von den späteren klassischen (= vorbildlichen) Juristen (Rn. 161) als Vorklassiker abgegrenzt. Literatur aus dieser Zeit ist nur in geringen Resten erhalten. Trotzdem dürften viele gedankliche Leistungen der römischen Juristen schon hier ihren Ursprung haben. Deshalb sprach Wieacker wohl treffender von der vorliterarischen Klassik.[10] Man kann wohl sagen, dass sich in der Republik die erste Rechtswissenschaft der Weltgeschichte entwickelte. Vor allem im letzten Jahrhundert gehörten griechische Philosophie und Redekunst nicht nur zur allgemeinen Bildung, sondern nahmen auch Einfluss auf die praktische Rechtskunde.

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      304 v. Chr. soll Flavius, der Sekretär des Appius Claudius Caecus (welcher als Zensor Erbauer der Via Appia war), seinem Meister den römischen Kalender mit den Angaben der für Rechtshandlungen und Prozesse geeigneten Tage (dies fasti) sowie die Prozessformeln entwendet und veröffentlicht haben (sog. ius Flavianum). Die Formeln müssten aber an sich durch das öffentliche Aufsagen vor Gericht bekannt gewesen sein. Es ging daher wohl eher um Besonderheiten ihrer Anwendung, und vielleicht hat Appius Claudius seinen Sekretär nur vorgeschoben, um sich nicht den Unwillen seiner Standesgenossen zuzuziehen. Flavius, angeblich Freigelassener oder Sohn eines Freigelassenen, machte aufgrund der Dankbarkeit des Volkes als Volkstribun, Ädil und Senator Karriere.

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      254 v. Chr. erteilte der erste plebejische pontifex maximus, Tiberius Coruncanius (Konsul 280 v. Chr.), öffentlich Rechtsunterricht und Rechtsgutachten. Zu nennen ist auch Sextus Aelius Paetus Catus (Konsul 198 v. Chr.), der tripertita, das sog. ius Aelianum verfasste. Tripertita bedeutet „Dreigeteiltes“, nämlich erst den Text der XII Tafeln, dann die interpretatio, den ersten bekannten juristischen Kommentar, und zuletzt die erforderlichen Spruchformeln. Marcus Porcius Cato (Zensor 184 v. Chr.) publizierte Vertragsbedingungen (Formulare) für landwirtschaftliche Arbeiten und Kaufverträge. Drei weitere Juristen – Manlius Manilius, M. Iunius Brutus und Publius Mucius Scaevola – sollen Mitte des 2. Jahrhunderts dann zusammenhängend über das ius civile im Ganzen geschrieben haben. Sie werden daher als fundatores iuris civiles bezeichnet.

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      Genauer wird die Überlieferung für das letzte Jahrhundert der Republik. Jetzt soll es weniger senatorische Adlige, dafür mehr Ritter gegeben haben, die oft schon Juristen auf Lebenszeit waren, d.h. die Gutachtenpraxis diente nicht mehr in erster Linie der Laufbahn. Besonders bedeutend wegen ihres wissenschaftlichen Beitrages sind die folgenden beiden aus alten Adelsgeschlechtern stammenden Juristen, deren Definitionen und Distinktionen (Unterscheidungen) noch ca. 200 Jahre später zitiert wurden.

      Quintus Mucius Scaevola pontifex (Konsul 95 v. Chr.) schrieb eine Art Handbuch, in dem er das Zivilrecht nach dem Vorbild griechischer Systembildung nach Gattungen und Begriffen ordnete und das Vorbild für spätere Darstellungen dieser Art wurde, die sich kommentierend auf ihn bezogen. In der Literatur überliefert sind die causa Curiana (Rn. 116) und ein Gutachten.[11] Dabei ging es um die Ersitzung der ehelichen Gewalt (manus) über gewaltfreie Frauen. Konkret hatte Quintus Mucius entschieden, dass das trinoctium (Rn. 65),


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