Rechtsgeschichte. Susanne Hähnchen
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Person (persona) war im römischen Recht an sich jeder, auch ein Sklave. Rechte hatte man jedoch nur als freier Bürger, nicht als Sklave. Der Status als Sklave[19] (und damit als Sache, Rn. 67) beruhte auf Geburt oder Kriegsgefangenschaft. Vielleicht wurden Sklaven auch aus dem Ausland gekauft.
Römischer Bürger mit entsprechenden Rechten (Rn. 42) wurde man durch Geburt in einer rechtlich anerkannten Ehe (matrimonium iustum) unter Römern oder später auch, wenn die Mutter Römerin und mit einem Peregrinen verheiratet war, dem das Eherecht (connubium) verliehen worden war. Auch die nichteheliche Geburt durch eine römische Frau führte zum Bürgerrecht, weil man damals noch keine Möglichkeit hatte, die Vaterschaft (durch Gentest) zu bestimmen (pater semper incertus est). Außerdem konnte das Bürgerrecht durch Beschluss der Volksversammlung verliehen werden. Später führte auch die Freilassung (manumissio, Rn. 174) von Sklaven dazu.
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An der Spitze der römischen Familie stand der pater familias, der männliche Hausherr mit ursprünglich praktisch uneingeschränkter Gewalt (patria potestas) über die familia (Ehefrau, Kinder, Sklaven). Kindern gegenüber war das die väterliche Gewalt – ein Begriff, den noch das BGB von 1900 kannte – und die Ehefrau hatte er in der manus-Gewalt (Rn. 65). Er entschied über die Aufnahme Neugeborener in die Familie oder ihre Aussetzung und hatte ein weitgehendes Züchtigungsrecht, das Recht über Leben und Tod (ius vitae necisque), das erst allmählich eingeschränkt wurde.
Nur die Familienväter, also ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung, hatten nach heutiger Terminologie volle Rechtsfähigkeit, also die grundsätzlich unbeschränkte Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Familienväter waren sui iuris (eigenen Rechts). Kinder, Ehefrauen und Sklaven waren alieni iuris (fremden Rechts).
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Als verwandt im Rechtssinne galten nur Personen, die unter derselben patria potestas standen oder gestanden hätten, wenn ihr gemeinsamer pater familias noch lebte. Man nennt das agnatische Verwandtschaft, im Gegensatz zur heutigen kognatischen (Blutsverwandtschaft), die auch die an sich einzig sichere Mutterseite einbezieht. Mit der Emanzipation der Kinder (Rn. 64) entfiel die rechtliche Verwandtschaft jedoch und damit auch das auf ihr beruhende gesetzliche Erbrecht.
Die gens (Rn. 41) war die Großfamilie aller Verwandten, die (ohne sich der verwandtschaftlichen Beziehungen im Einzelnen noch bewusst zu sein) ihre Abstammung von einem gemeinsamen pater familias herleiteten. Die Mitglieder der gens führten einen einheitlichen Gentilnamen.[20] Es handelte sich also ebenfalls um einen agnatischen Personenverband. Nichteheliche (spurii) gehörten rechtlich keiner Familie an.
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Die patria potestas über ein Kind dauerte an, solange der Vater lebte; es gab also keine der Volljährigkeit im heutigen Sinne entsprechende Altersgrenze (vgl. aber Rn. 175). Das Kind konnte jedoch emanzipiert, wörtlich: aus der Hand (manus) gegeben werden und damit rechtliche Selbstständigkeit erhalten. Die Manzipation (mancipatio) war ein altes Veräußerungsgeschäft, mit dem Eigentum übertragen wurde (Rn. 68). Der „Käufer“ erlangte über den später nur noch symbolischen Verkauf eine besondere Art von Gewalt, das mancipium. Zur Emanzipation von Hauskindern benutzte man den alten Satz:
XII tab. 4, 2:
Si pater filium ter venum duit, filius a patre liber esto.
(Wenn der Vater den Sohn dreimal verkauft, soll der Sohn vom Vater frei sein.)
Man muss sich das wohl so vorstellen, dass größere Hauskinder ähnlich wie Sklaven zur Nutzung weggegeben wurden, gegen Entgelt, aber nicht dauerhaft, z. B. über den Sommer als Erntehilfe. Danach ließ sich der Vater die Gewalt über den Sohn zurück übertragen. Ursprünglich war die Bestimmung in den XII Tafeln als Schutz des Hauskindes gegen Missbrauch der patria potestas gedacht, in dem Sinne, dass der Vater es eben maximal dreimal „verkaufen“ konnte. Noch Jahrhunderte später nutzte man die Bestimmung zur Emanzipation, indem man den Sohn dreimal unmittelbar hintereinander demselben Käufer bewusst zum Zwecke der Freilassung manzipierte (und dieser zurück); am Ende der Prozedur war der Sohn frei. Enkel und Töchter wurden übrigens nach Ansicht der alten Juristen schon durch einen einmaligen Verkauf frei (argumentum e contrario).
Eine andere Möglichkeit der Emanzipation entwickelte sich später aus dem Freiheitsprozess (vindicatio ad libertatem). An sich diente dieses Verfahren dazu, gerichtlich festzustellen, ob jemand Sklave oder freier Römer war. Ein einverständlich handelnder Kläger machte vor dem Prätor geltend, das Kind stehe nicht unter väterlicher Gewalt, der Vater widersprach nicht, und der Prätor erkannte auf Freisein von der patria potestas.
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Die altrömische Ehe wurde begründet entweder durch confarreatio (ein rituelles Hochzeitsmahl), coemptio (Brautkauf mit mancipatio) oder usus („Ersitzung“ der Frau durch einjähriges faktisches Eheleben). Die Frau kam dadurch in die manus genannte Gewalt des Mannes (manus = Hand) und stand filiae loco, d.h. wie seine Tochter. Sie schied dadurch aus ihrer bisherigen (agnatischen) Familie aus. Es waren jedoch auch schon freie Ehen üblich, die den Personenstatus der Frau nicht veränderten.[21] Um die Ersitzung der Ehegewalt über die Ehefrau (usus) auszuschließen, musste sie nach einer Bestimmung der XII Tafeln jährlich während dreier aufeinander folgender Nächte dem Hause des Mannes fernbleiben (trinoctium, Rn. 113).[22]
Auch im öffentlichen Leben, insbesondere in juristischen Berufen, hatte die Frau weniger Rechte und Möglichkeiten als der Mann.[23]
2. Erbrecht
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Tafel (tabula) V:
(3) Uti legassit super pecunia tutelave suae rei, ita ius esto.
(4) Si intestato moritur, cui suus heres nec escit, adgnatus proximus familiam habeto.
(5) Si adgnatus nec escit, gentiles familiam habento.
Übersetzung:
(3) Wie er [der Erblasser] über sein Vieh [Geld?] und die Vormundschaft über seine Sache [die Familie] verfügt, soll es rechtens sein.
(4) Stirbt jemand ohne Testament, der keinen Familienerben hat, soll der nächste Agnat das Familiengut haben.
(5) Wenn kein Agnat da ist, sollen die Gentilen das Familiengut haben.
Die XII Tafeln erkannten bereits die Testierfreiheit an und damit die über den Tod hinaus wirkende Verfügungsgewalt über das private Eigentum. Hinterließ der pater familias kein gültiges Testament, also keinen letzten Willen, so galt die gesetzliche Erbfolge der XII Tafeln. An erster Stelle standen die Hauserben (Kinder)[24], danach folgten die weiteren agnatischen, d.h. männlichen (Bluts-)Verwandten (XII tab. 5, 4) und wenn es auch keine solchen gab hilfsweise die gens (XII tab. 5, 5).
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