Handbuch Ius Publicum Europaeum. Monica Claes

Handbuch Ius Publicum Europaeum - Monica  Claes


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kann es auch haben, wenn diese auf Grund der Begrenzung der Amtsdauer und eines geringeren Alters, in dem sie zum Richter geworden sind, wesentlich vor dem gewöhnlichen Rentenalter aus dem Gericht ausscheiden und nicht automatisch in einen Beruf zurückkehren können, der ihnen in materieller und persönlicher Hinsicht Unabhängigkeit verschafft.

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      In jedem Fall aber ist wesentlich, dass das Wahlverfahren so ausgestaltet ist, dass nicht Personen mit Nähe zu den Organen gewählt werden, deren Akte kontrolliert werden, ohne dass es Vorkehrungen für hinreichende Distanz gibt. Regelungen dieser Art bestehen in Vorgaben einer Mindestzahl von Richtern und Professoren, weil deren Unabhängigkeit in ihrem ursprünglichen Beruf institutionell und verfassungsrechtlich abgesichert ist. Soweit Verwaltungsbeamte in das Gericht berufen werden, sind Weisungs- und dauerhafte Dienstfreistellung unbedingte Voraussetzung der rechtsstaatlichen Unabhängigkeit. Einen Fremdkörper, der im Grunde nicht zur Institution der Verfassungsgerichtsbarkeit passt und mit einer rechtsstaatlich geprägten Unabhängigkeit der Richter in einem Spannungsverhältnis steht, bildet (ungeachtet von Unvereinbarkeitsbestimmungen in Bezug auf Wahlämter) die ex-lege-Mitgliedschaft ehemaliger Staatspräsidenten im französischen Conseil constitutionnel.

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      Im Übrigen kommt es auch hier auf das Zusammenwirken effektiver Verfassungsregeln und einer auf diese achtenden bzw. im Einzelfall auch über diese hinausgehenden Verfassungskultur an. Eine Verfassungspraxis, welche die oft aus anderen Zeiten stammenden Regeln bis an die Grenzen ausreizt, kann das verfassungsrechtliche Ziel der Sicherung des Rechtsstaates durchaus verfehlen.

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      Die demokratische Legitimation ist ein verfassungsrechtlicher Grundsatz, der in den Zuständigkeiten zur Richterwahl unmittelbar deutlich wird. Abweichend von der Ernennung der Richter der Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit ist in der weit überwiegenden Zahl der Fälle das Parlament zur Wahl entweder ausschließlich oder für die Mehrheit Richter zuständig. Auch dort, wo Regierungen Einfluss auf die Richterbestellung haben, ist eine mittelbare demokratische Legitimation gegeben. Am stärksten verdünnt ist die (personelle) demokratische Legitimation in den (allerdings den Ausnahmefall bildenden) Fällen der Selbstergänzung des Gerichts und der ex-lege-Mitgliedschaft ehemaliger Staatspräsidenten, wurden letztere zwar vom Volk gewählt, aber nicht für die Mitgliedschaft eines judizierenden Verfassungsorgans gewählt, die überdies nicht zeitlich begrenzt ist und daher (auch in der Praxis) über Jahrzehnte währen kann.

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      Hinsichtlich Ausmaß und Art der demokratischen Legitimation gibt es Stufungen. Zum ersten sind sie im erwähnten Ausmaß parlamentarischer Beteiligung zu finden. Zum zweiten finden sich unterschiedliche Quoren für die Wahlen. Qualifizierte Mehrheiten von drei Fünfteln bis hin zu zwei Dritteln stellen in vielen Fällen sicher, dass nicht Parteigänger einer einfachen Regierungsmehrheit in das Gericht gewählt werden, sondern sichern der Opposition ein Mitspracherecht zu und zwingen zum Kompromiss.

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      Schließlich hat die Amtsdauer Einfluss auf die demokratische Legitimation. Kürzere Amtszeiten erhöhen zwar die demokratische Legitimation, verringern aber die rechtsstaatlich gebotene Unabhängigkeit. Insoweit erscheint es vorzugswürdig, dem rechtsstaatlichen Ziel der Unabhängigkeit den Vorrang vor der (allzu) regelmäßigen Erneuerung der demokratischen Rückbindung zu geben.

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      Ambivalent ist in dieser Perspektive die Wahl des Präsidenten und Vizepräsidenten zu betrachten. In den europäischen Gerichtshöfen werden diese, ebenso wie die Kammerpräsidenten, durch die Richter des Gerichts gewählt. Dieses Vorgehen ist bei einem internationalen oder supranationalen Gericht wohl alternativlos, jedenfalls aber offensichtlich die angemessenste Lösung, zumal Aspekte demokratischer Legitimation in verfassungsrechtlichem Sinn ohnehin in den Hintergrund treten.[156] Auf verfassungsrechtlicher Ebene vermittelt die Wahl durch das Richterkollegium jedenfalls nicht ein höheres Maß an demokratischer Legitimation, möglicherweise aber an richterlicher Unabhängigkeit für das Kollegium insgesamt. Innergerichtlich gilt es zu differenzieren und wird es von konkreten personellen Konstellationen abhängen, inwieweit die Wahl durch das Richterkollegium (in regelmäßig kürzeren Abständen) andere Abhängigkeiten befördert oder abbaut.

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      Elemente der Gewaltenteilung zeigen sich in verschiedener Hinsicht. Bezogen auf das Verfahren kommen sie in zweifacher Hinsicht zum Ausdruck. Zum einen sichert und fördert das Zusammenwirken mehrerer Organe eine Machtbegrenzung.

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      Zum anderen aber ist die Verteilung der Bestellungsrechte bezogen auf eine bestimmte Zahl von Richtern Ausdruck der Gewaltenteilung, und zwar in Bundesstaaten sowohl in horizontaler Sicht, als auch in vertikaler Sicht, wenn beiden Kammern des Parlaments für eine bestimmte Zahl von Richtern ein Vorschlags- oder gar ein Wahlrecht zukommt.

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      Dass schließlich die Abwahl oder Abberufung von Verfassungsrichtern vor dem Ende ihrer Amtszeit rechtlich eng begrenzt und faktisch nahezu ausgeschlossen ist, ist Ausdruck der Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive einerseits und der Gerichtsbarkeit in der Sonderform der Verfassungsgerichtsbarkeit andererseits.

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      Zum Abschluss soll gleichsam als Fallstudie die im Herbst 2015 beginnende Verfassungskrise geschildert werden, an deren Beginn eine Auseinandersetzung um die Wahl einiger Richter des polnischen Verfassungsgerichts im Herbst 2015 stand. Ausgangspunkt für die Verfassungskrise rund um das Verfassungsgericht waren die Parlamentswahlen am 25. Oktober 2015: Die PiS erreichte bei einer Wahlbeteiligung von knapp über 50 % mit 37,6 % der gültigen Stimmen die Mehrheit der Sitze im Sejm, der ersten Kammer des polnischen Parlaments, nämlich 235 der insgesamt 460 Sitze. Dass es sich dabei um ein knappes Ergebnis handelte, zeigte sich z.B. darin, dass ein Bündnis von sechs linken Parteien,[157] die für politische Bündnisse geltende 8 %-Hürde um nur 0,45 % verfehlte. Das Wahlergebnis alleine kann jedoch die nachfolgenden Ereignisse nicht hinreichend erklären. Die Wurzeln der Krise liegen tiefer und zwar in der Geschichte des postkommunistischen Polens mit einer zersplitterten Parteienlandschaft, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann.[158]

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      Das polnische Verfassungsrecht galt als eines der Vorbilder für eine funktionierende Verfassungsgerichtsbarkeit in den ehemals kommunistischen Staaten Osteuropas. Die polnische Verfassung aus dem Jahr 1997[159] widmet – vergleichbar dem deutschen Grundgesetz – der Einrichtung bzw. Organisation des Verfassungsgerichts nur wenige Bestimmungen:[160] Das Verfassungsgericht besteht aus 15 Richtern, die vom Parlament für die Dauer von neun Jahren aus Personen ausgewählt werden, die sich durch ihre besonderen Rechtskenntnisse auszeichnen. Eine Wiederwahl ist nicht zulässig.[161] Für den Präsidenten des Verfassungsgerichts sowie für dessen Stellvertreter ist ein besonderes Bestellungsverfahren vorgesehen.[162] Die richterliche Unabhängigkeit[163] ist ebenso festgelegt wie eine – vergleichsweise strenge – Unvereinbarkeit mit anderen Ämtern und Tätigkeiten.[164] Im Übrigen werden die Organisation des Gerichts und die Regelung des Verfahrens an den einfachen Gesetzgeber delegiert.[165]


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