Polizeigesetz für Baden-Württemberg. Reiner Belz
Voraussetzung fehlt es, wenn der Berechtigte selbst in der Lage ist, auf zumutbare und legale Weise sein Recht durchzusetzen (vgl. die Notrechte §§ 859 f., 904 BGB; §§ 32 ff. StGB).
Beispiel: Ob der behinderte Garageninhaber (erster Beispielsfall unter RN 12) zunächst im Wege der Selbsthilfe (§ 859 Abs. 1 BGB) einen Abschleppunternehmer beauftragen muss, ist allerdings umstritten (VG Freiburg, NJW 1979, 2060, 2061; OVG Saarlouis, NZV 1991, 47).
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Sind die Voraussetzungen des Abs. 2 gegeben, darf die Polizei grundsätzlich nur vorläufige Sicherungsmaßnahmen treffen, nicht also solche, die der endgültigen Durchsetzung des privaten Rechts dienen.
Beispiel: Zur Sicherung einer Schadensersatzforderung nach § 823 BGB dürfen die Personalien des Schädigers nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 festgestellt werden. Unzulässig wäre eine Anordnung, die Schadensersatzzahlung sofort vorzunehmen. Hierzu ist nur ein ordentliches Gericht berufen. Die Einziehung (§ 39) eines Films und die Anordnung seiner Vernichtung ist keine vorläufige Sicherungsmaßnahme zum Schutz einer möglichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (VGH BW, VBlBW 1995, 282, 284).
Unter welchen Umständen der Bürger einen Anspruch auf polizeilichen Schutz seiner privaten Rechte hat, beurteilt sich nach allgemeinen Kriterien (s. u. § 3, RN 34). In keinem Fall vermittelt § 2 Abs. 2 selbst einen solchen Anspruch (vgl. VGH BW, NJW 1997, 1798 gegen VG Freiburg, NJW 1997, 1796, 1797).
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Ebenfalls dem Schutz privater Rechte dient die Sicherstellung nach § 37. Einen Antrag des Berechtigten setzt diese Maßnahme allerdings nicht voraus.
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Ob die Polizei für ihr Tätigwerden für den Einzelnen Kosten erheben kann, beurteilt sich nach den allgemeinen Regeln über den Polizeikostenersatz (s. u. § 127, RN 8).
ZWEITER ABSCHNITT Maßnahmen der Polizei
Erster Unterabschnitt Allgemeines
Die Polizei hat innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtmäßigem Ermessen erforderlich erscheinen.
Literatur: Arzt, Gefährderansprache und Meldeauflage bei Sport-Großereignissen, Die Polizei 2006, 156; Brucker, Präventivmaßnahmen gegen reisende Hooligans, NJW 2004, 1631; Butzer, Flucht in die polizeiliche Generalklausel?, VerwArch. Bd. 93 (2002), 506; Deger, Handlungsformen der Polizei gegen störende Ansammlungen, VBlBW 2004, 96; Frotscher, Der Schutz der Allgemeinheit und der individuellen Rechte im Polizei- und Ordnungsrecht, DVBl. 1976, 695; Herzmann, Ausgangssperren auch in Deutschland?, DÖV 2006, 678; Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983; Krahm, Polizeiliche Maßnahmen zur Eindämmung von Hooligangewalt, 2008; Kunze, Das System der Kompetenzverteilung zur Gefahrenabwehr in Baden-Württemberg, VBlBW 1995, 81; Martensen, Die Verjährung als Grenze polizeilicher Verantwortlichkeit, NVwZ 1997, 442; Möstl, Die dogmatische Gestalt des Polizeirechts, DVBl. 2007, 122; Nolte, Aufgaben und Befugnisse der Polizeibehörden bei Sportgroßveranstaltungen, NVwZ 2000, 147; Ossenbühl, Der polizeiliche Ermessens- und Beurteilungsspielraum, DÖV 1976, 463; ders., Verzicht, Verwirkung und Verjährung als Korrektive einer polizeilichen Ewigkeitshaftung, NVwZ 1995, 547; Pietzcker, Der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, JuS 1982, 106; Rasch, Der Realakt insbesondere im Polizeirecht, DVBl. 1992, 207; Schlink, Die polizeiliche Räumung besetzter Häuser, NVwZ 1982, 529; ders., Korrektur von Gerichtsentscheidungen durch die Polizei?, NJW 1988, 1689; Schoch, Behördliche Untersagung „unerwünschten Verhaltens“ im öffentlichen Raum, Jura 2012, 858; ders., Rechtsschutz gegen polizeiliche Maßnahmen, Jura 2001, 628; Schucht, Die polizei- und ordnungsrechtliche Meldeauflage – Standortbestimmung und dogmatische Neuausrichtung, NVwZ 2011, 709; ders., Generalklausel und Standardmaßnahme, 2012; Stumpf, Die Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche, NVwZ 2003, 1198; Trurnit, Eingriffsbefugnisse bei Veranstaltungen, Jura 2012, 365; Zöller/Ihwas, Rechtliche Rahmenbedingungen des polizeilichen Flugdrohneneinsatzes, NVwZ 2014, 408.
Inhaltsübersicht
1. § 3 als allgemeine Befugnisnorm
a) Allgemeines
c) Erforderlichkeit der Maßnahme
g) Verwaltungsrechtlicher Vertrag
a) Entschließungs- und Auswahlermessen
b) Bindungen des Ermessens, Ermessensfehler
4. Anspruch auf polizeiliches Einschreiten
6. Kosten für polizeiliche Maßnahmen
1. § 3 als allgemeine Befugnisnorm
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§ 3 ist die allgemeine Befugnisnorm des Polizeigesetzes. Als notwendige Ergänzung zur Aufgabenzuweisungsnorm des § 1 für Maßnahmen mit Eingriffscharakter (s. o. § 1, RN 2) bildet er zusammen mit dieser die polizeiliche Generalermächtigung (§§ 3, 1 Abs. 1).
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