Kreuz und Rose. Anna-Katharina Dehmelt

Kreuz und Rose - Anna-Katharina Dehmelt


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in der Meditationswissenschaft vielfach als «focused attention» und «open monitoring» beschrieben worden.

      12 Zum Beispiel der Zyklus von 52 Sprüchen, die den Wochen des Jahres zugeordnet sind und den Naturlauf der Erde mit dem seelischen Rhythmus zwischen Wahrnehmung und Denken in Verbindung bringen, in Rudolf Steiner: Wahrspruchworte (GA 40), Dornach 2005, S. 19ff.

      13 Ebd., S. 140.

      14 Joh 19,5.

      15 Siehe hierzu Rudolf Steiner: Die Philosophie der Freiheit (GA 4).

      16 Vgl. Gernot Böhme: Bewusstseinsformen, München 2014, S. 197ff. Böhme hatte den Eröffnungsvortrag auf der Tagung gehalten.

      17 Rudolf Steiner: Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung (GA 2), Dornach 2003, S. 125.

      18 Auch diese Übung findet sich im Anhang.

      «Die Umrisse der Anthroposophie als eines Ganzen» Der Geheimwissenschaft im Umriß zum Hundertsten

      Die Geheimwissenschaft beendet Steiners inhaltsreiche Phase, in der Anthroposophie noch Theosophie hieß – ab 1911 erscheinen knappe, meditativ orientierte Bücher, die die Leser zur Eigenaktivität anregen sollen. Die Geheimwissenschaft bleibt aber zentral, Steiner bearbeitet sie für neue Auflagen immer wieder. Im Mittelpunkt der Geheimwissenschaft steht die Rosenkreuz-Meditation: Sie leitet über vom Aufnehmen des Inhaltlichen zu produktiver Eigenaktivität. Als sie Hundert wurde, entstand dieser Überblick über das umfangreiche Buch.

      Die Geheimwissenschaft im Umriß enthält, so schreibt Rudolf Steiner im Januar 1925 in seiner letzten Vorrede zu diesem Buch, «ja die Umrisse der Anthroposophie als eines Ganzen […] Alles, was ich seither sagen konnte, erscheint, wenn es an der rechten Stelle diesem Buche eingefügt wird, als eine weitere Ausführung der damaligen Skizze.»1 Das (nach Die Rätsel der Philosophie) umfangreichste Buch Steiners: eine Skizze? Diese Zuschreibung ist in der Tat nur berechtigt, wenn man das spätere Werk Steiners in die Geheimwissenschaft zu integrieren versucht. Nur dann bemerkt man, dass die Charakteristik von Luzifer und Ahriman – in der Geheimwissenschaft erstmals (schriftlich) niedergelegt – in den Folgejahren sowohl in Büchern wie in Vorträgen reiche Ausarbeitung erfuhr, was in noch reicherem Maße für das in der Geheimwissenschaft zwar an zentraler Stelle, tatsächlich aber nur knapp beschriebene Mysterium von Golgatha gilt. Das Wesen des Hüters der Schwelle wird bis zu Steiners Tod immer wieder neu charakterisiert, wer sich über die Prinzipien der Wirksamkeit der Planeten, über die Ätherarten oder die vorchristlichen Mysterien aufklären will, findet in der Geheimwissenschaft Grundlegendes, und natürlich sind die Anthropologie und der Reinkarnationsgedanke zeitlebens zentrale Themen gewesen, an denen Rudolf Steiner immer weiter gearbeitet hat.

      Dennoch, der heutige Leser wird das Buch kaum als Skizze erleben. Bereits das Kapitel ‹Schlaf und Tod› enthält Weitungen, die der folgen wollenden Aufmerksamkeit nicht ohne Weiteres zugänglich sind, und das Kapitel ‹Die Weltentwickelung und der Mensch›, mit 160 Seiten schon äußerlich sehr umfangreich, birgt eine Stofffülle, die als Ganze nur von Spezialisten bewältigt wird. Insbesondere in diesem Kapitel sind implizit eine große Menge an Bezugnahmen enthalten, speziell auf Haeckels Evolutionsgedanken sowie auf die entsprechenden theosophischen Gedanken Blavatskys, Sinnetts oder Scott-Elliots. Diese Bezugnahmen, die damals sozusagen in der Luft lagen, sind dem heutigen Leser nicht mehr zugänglich und erschweren die Lektüre. Die «Maulbeere» des alten Saturn, der durch Absonderung entstandene zweigliedrige Mensch zum Beginn der Sonnenentwicklung und die «Eichelfrucht» im Beginn der Erdentwicklung sind «sinnlich-übersinnliche Bilder»2, die für sich selbst sprechen. Aber um wie vieles deutlicher wird diese Sprache, wenn man die Anspielung auf Haeckels Beschreibung der pflanzlichen Keimesentwicklung durch Morula, Blastula und Gastrula versteht! Und um wie vieles transparenter wird die Erdentwicklung und die ausgiebige, komplexe und übrigens 1913 grundlegend überarbeitete Schilderung des sogenannten «Sündenfalls» in der lemurischen Zeit, wenn man weiß, dass für H.P. Blavatsky und infolgedessen für die theosophischen Leser der «Sündenfall» im Mittelpunkt der Menschheitsentwicklung stand. Das war die Folie, vor der Steiner dem Mysterium von Golgatha seine Mittelpunktsstellung verlieh.3

      Auch 1910, beim Erscheinen der Geheimwissenschaft, ist das Buch sicherlich nicht als Skizze erlebt worden. Viel eher dürfte es als Zusammenschau von Steiners bisherigem theosophisch-anthroposophischen Schaffen rezipiert worden sein. Denn es fasst die Veröffentlichungen Steiners seit der Übernahme des Generalsekretär-Postens der Theosophischen Gesellschaft unter einem einheitlichen Gesichtspunkt zusammen.

      Da war 1904 zunächst die Theosophie erschienen. Sie bereits enthält eine Anthropologie, den Reinkarnationsgedanken, Ausführungen zur Seelenwelt und zum Geisterland sowie eine allererste Fassung des anthroposophischen Schulungsweges. Mit Ausnahme der Evolution sind also alle Themen der Geheimwissenschaft bereits angeschlagen. Die Theosophie ist komponiert nach der Dreigliederung von Leib, Seele und Geist, und die Dreigliederung wird auch zur Grundlage der Entwicklung des Reinkarnationsgedankens ebenso wie für die Schilderung von Seelenwelt und Geisterland. In den folgenden Jahren bis 1908 hat Rudolf Steiner die angeschlagenen Themen ausgearbeitet und als Aufsätze in der Zeitschrift Lucifer-Gnosis veröffentlicht, woraus später Sonderdrucke sowie Bücher – einige allerdings erst nach Rudolf Steiners Tod – erstellt wurden. Eingegangen sind die Aufsätze in die Bücher Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? (Sonderdruck 1907, Buchausgabe 1909), Die Stufen der höheren Erkenntnis (Sonderdruck 1908, Buchausgabe 1931) und Aus der Akasha-Chronik (Sonderdruck 1907, Buchausgabe 1939). So hat die Darstellung des Schulungsweges nach der Theosophie große Veränderungen erfahren, zunächst mit der Hinzunahme der Natur als Übungsfeld und überhaupt einer großen Fülle von Übungsanregungen in Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?. Die Systematisierung der höheren Erkenntnisstufen als Imagination, Inspiration und Intuition erscheint erst in Die Stufen der höheren Erkenntnis. Ganz neu tritt nach der Theosophie das Thema Evolution und Weltentwicklung hinzu, das in den Aufsätzen Aus der Akasha-Chronik erstmals durchgearbeitet wird (sowie natürlich parallel in Vorträgen).

      In der Geheimwissenschaft werden nun alle angeschlagenen Themen zusammengefasst: die Anthropologie im Kapitel ‹Wesen der Menschheit› (II), der Reinkarnationsgedanke und die Darstellung von Seelenwelt und Geisterland im Kapitel ‹Schlaf und Tod› (III), der Evolutionsgedanke im Kapitel ‹Die Weltentwickelung und der Mensch› (IV), fortgesetzt im Kapitel ‹Gegenwart und Zukunft der Welt- und Menschheits-Entwickelung› (VI), und zwischen diesen beiden Kapiteln zum Evolutionsgedanken der umfangreich und systematisch dargestellte Schulungsweg im Kapitel ‹Die Erkenntnis der höheren Welten (Von der Einweihung oder Initiation)› (V). Abgeschlossen wird das Buch von ‹Einzelheiten aus dem Gebiete der Geisteswissenschaft› (VII), die einige Themen vertieft aufgreifen. Und sieht man dann noch das Einleitungskapitel der Geheimwissenschaft, in dem es um den ‹Charakter der Geheimwissenschaft› (I) geht, als eine für die theosophisch-anthroposophischen Verhältnisse umgearbeitete Erkenntnistheorie an, so ist in der Tat in die Geheimwissenschaft das gesamte vorangegangene philosophische und theosophisch-anthroposophische Schaffen Steiners eingegangen.

      Ein einheitlicher Gesichtspunkt

      Neu sind in der Geheimwissenschaft insofern weniger die Inhalte, die im Einzelnen schon bekannt waren und den Mitgliedern in den genannten Aufsätzen und in Vorträgen immer wieder dargebotene Grundlagen der Anthroposophie enthalten. Neu ist insbesondere der Gesichtspunkt, unter dem Rudolf Steiner sein bisheriges Schaffen nun zusammenfasst: der der Viergliederung des Menschen in physischen Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich und der Verwandlung der drei Leibesglieder in Geistesglieder.

      So beginnt das Kapitel ‹Wesen der Menschheit› nicht mit der Dreigliederung nach Leib, Seele und Geist, sondern mit dem Aufbau der vier Wesensglieder entlang der Naturreiche, gipfelnd in der Zusammenfassung:

      «Wie der physische Leib zerfällt, wenn ihn nicht der Ätherleib zusammenhält, wie der Ätherleib in der Bewußtlosigkeit versinkt, wenn ihn nicht der Astralleib durchleuchtet, so müßte der Astralleib das Vergangene immer wieder in die Vergessenheit


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