Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil

Tausend Und Eine Nacht - Gustav  Weil


Скачать книгу
Söhne haben dich von ihrem Blute freigesprochen; denn du bist im Irrtum über ihr Vergehen.« Djandar hob dann die Hand mit dem Schwerte auf, um sie zu töten. Durch die Bewegung seines Armes erschrak sein Pferd, zerriß den Zaum, sprang fort und floh ins Weite. Dieses Pferd war fünfhundert Dinare wert, und hatte einen goldenen Sattel mit einem ägyptischen Sattelknopf und Verzierungen von großem Wert. Als der Emir sein Pferd entfliehen sah, warf er das Schwert aus der Hand, denn er war ganz außer sich, und lief dem Pferde in einen Wald nach, stets weiter hinein. Das Pferd schlug auf den harten Grund mit seinen Hufen und wieherte; das hörte ein alter, häßlicher Löwe, der in diesem Walde hauste, er kam aus seiner Höhle, um zu sehen, was es gäbe. Als der Emir sah, daß er auf ihn loskam, erschrak er sehr; er wollte entfliehen, wußte aber nicht, wohin; auch hatte er sein Schwert nicht bei sich, denn er hatte es weggeworfen, als er dem Pferde nachlief, er sagte zu sich: »Das ist mir gewiß wegen Asad und Amdjad widerfahren.« Diesen ward indessen sehr heiß und sie wurden so durstig, daß sie Gott um Hilfe baten. Amdjad sagte: »Siehst du, mein Bruder, wie wir nun verdursten müssen, weil der Emir das Schwert weggeworfen hat und dem Pferde nachgelaufen ist. Nun sind wir hier gebunden, und wenn ein wildes Tier kommt, zerreißt es uns; besser, wir wären durch das Schwert umgekommen, als von einem wilden Tiere aufgefressen zu werden.« — »Habe Geduld, mein Bruder«, erwiderte Asad, »das Pferd ist gewiß nur entronnen, damit wir das Leben behalten; nur plagt uns der Durst sehr.« Er schüttelte und dehnte sich dann rechts und links, zersprengte seine Bande und befreite auch seinen Bruder, dann gingen sie an eine Quelle und stillten ihren Durst. Hierauf ergriff Amdjad Djandars Schwert, und sie gingen zusammen in den Wald, den Spuren des Pferdes folgend. Amdjad sagte: »Laß uns beisammen bleiben, es möchte ein Löwe hier sein.« Sie gingen dann miteinander und trafen gerade den Löwen, wie er über Djandar herfiel, mit der Tatze nach ihm langte und ihn zu Boden warf, während Djandar nach dem Himmel blickte. Amdjad sprang auf ihn zu und sagte: »Du bist gerettet, Emir Djandar!« und versetzte dem Löwen, der jetzt auf ihn lossprang, einen so gewaltigen Schlag, daß er tot niederfiel. Als Djandar aufstand, sah er, daß er den Söhnen seines Herrn, die er hatte töten wollen, seine Rettung verdanke. Er warf sich ihnen zu Füßen und sagte: »Meine Herren! ihr verdient nicht, daß euch Gewalt angetan werde. Bei Gott! das soll nie geschehen.« Sie aber sagten: »Nein, Emir Djandar, tu‘, was dir befohlen worden.« Sie fingen dann sein Pferd, gingen zum Walde hinaus an ihren frühern Platz und sagten dann wieder. »Tu‘, was unser Vater dir befohlen.« Djandar aber sagte: »Das verhüte Gott! Alles, um was ich euch bitte, ist, daß ihr nur euere Kleider auszieht und die meinigen dafür nehmt; ich gehe dann zum König zurück und sage, ich habe euch umgebracht, und ihr reist indessen von Land zu Land; denn Gottes Erde ist weit.« Sie taten, wie er ihnen geraten. Er wechselte dann mit ihnen die Kleider, gab ihnen, wovon sie leben konnten und nahm Abschied von ihnen. Darauf besudelte er die Kleider der Prinzen mit dem Blute des erschlagenen Löwen, und brachte sie dem König Kamr essaman. Dieser fragte: »Hast du sie umgebracht?« Djandar antwortete: »Ja, hier sind ihre blutigen Kleider.« Kamr essaman fragte weiter: »Wie haben sie ihren Tod ertragen?« Er antwortete: »Ich habe sie standhaft im Tode gefunden, und sie haben gesagt: Gottes Wille geschehe, wir sterben unschuldig, aber unser Vater ist an unserm Tode nicht schuld, denn er kannte die Wahrheit nicht.«

      Kamr essaman ward sehr betrübt darüber, nahm die Kleider seiner Kinder, durchsuchte sie und fand in Amdjads Rock einen Brief. Er öffnete ihn und erkannte die Handschrift seiner Frau Bedur und fand auch Haare von ihr dabei. Er las den Brief und sah daraus, daß sie Liebe von ihm forderte, und er seinem Sohn Unrecht getan. Er durchsuchte dann auch die Kleider Asads, und fand auch darin den Brief, den seine Frau Hajat al Rufus geschrieben, und in dem sie ihn zu verführen suchte. Er schrie laut auf und fiel in Ohnmacht, denn er erkannte, daß er seine Söhne unschuldig verurteilt hatte. Er ward sehr traurig und betrübt darüber, und er sah daraus die List der Frauen, trennte sich von ihnen und besuchte sie nicht wieder.

      Asad und Amdjad durchwanderten indessen die Wüste, aßen die Pflanzen des Bodens und tranken Regenwasser. Während der Nacht schlief der eine, und der andere wachte bis Mitternacht; dann schlief der zweite und der erste hielt Wache. So lebten sie einen ganzen Monat lang, bis sie endlich an einen schwarzen, felsigen Berg kamen, von dem man gar kein Ende sah. Sie fanden wohl einen Weg, der hinauf führte, aber sie scheuten sich, ihn einzuschlagen, weil sie auf dem Berge Mangel an Wasser und Pflanzen fürchteten. So gingen sie vier bis fünf Tage am Fuße des Berges umher, fanden aber gar keinen Ausweg und kamen endlich sehr müde wieder an ihren ersten Ort zurück. Da entschlossen sie sich, den Weg einzuschlagen, der auf den Berg führte. Sie stiegen den ganzen Tag immer aufwärts, je höher sie aber hinauf kamen, um so höher schien sich auch der Berg über sie zu erheben. Als die Nacht über sie hereinbrach, sagten sie: »Wir gehen zugrunde.« Asad sagte: »Mein Bruder! ich bin so müde, daß ich‘s nimmer aushalte, ich gebe den Geist auf.« Amdjad antwortete: »Mach dir Mut, mein Bruder! Vielleicht wird Gott uns helfen.« Asad aber war so müde, daß er sich setzen mußte, und so brachten sie die Nacht zu; bald gingen sie ein wenig, bald ruhten sie wieder. Des Morgens endlich erreichten sie den Gipfel des Berges und fanden dort eine sprudelnde Wasserquelle und einen Granatapfelbaum. Sie konnten kaum den Augenblick erwarten, wo sie über die Quelle herstürzen und sich satt trinken konnten. Dann ruhten sie, bis die Sonne aufging, wuschen hierauf ihre Hände und Füße und aßen Granatäpfel. Sie waren noch so müde, daß sie den ganzen Tag hier sitzen blieben und auch die Nacht durch hier schliefen.

      Am folgenden Morgen wollten sie wieder weiter; aber Asad klagte und wollte noch bleiben; sie ruhten daher noch einen Tag, am dritten Tage setzten sie ihren Weg auf dem Berge fort. Nach fünftägiger Reise leuchtete ihnen aus der Ferne eine Stadt entgegen, was ihnen große Freude machte. Amdjad sagte zu Asad: »Laß mich nun in die Stadt gehen, um zu sehen, was es für eine Stadt ist und von wem sie beherrscht wird; ich will auch Speisen daraus mitbringen und mich erkundigen, in welchem Lande wir sind.« Asad entgegnete: »Bei Gott! mein Bruder, ich will in die Stadt gehen, und gerne gebe ich mein Leben für deine Rettung hin. Wenn du in die Stadt gingest und nicht mehr wiederkehrtest, würde ich mir tausend Vorwürfe machen.« Er beschwor dann seinen Bruder Amdjad und sagte: »Halte mich nicht länger auf, ich will in die Stadt gehen.« Er nahm Geld und stieg den Berg hinunter, Amdjad aber wartete hier seiner. Als Asad in die Straßen der Stadt kam, begegnete ihm ein alter Mann, dessen grauer Bart in zwei Teilen über seine Brust fiel; er trug einen Stock in der Hand, war sehr vornehm gekleidet und hatte einen roten Turban auf dem Kopfe. Asad sah ihn mit Verwunderung an, grüßte ihn und sagte: »Herr! führt dieser Weg auf den Markt?« Der Alte sah in lächelnd an und sagte: »Du scheinst hier fremd zu sein, mein Sohn!« Asad antwortete: »Ja, Herr, ich bin ein Fremdling.« Der Alte hieß ihn vielmals willkommen und sagte: »Du hast mit deiner Gegenwart unser Land beglückt; sage mir, was willst du auf dem Markte?« Asad antwortete: »Ich und mein Bruder, wir kommen von einem fernen Lande, und sind schon drei Monate auf der Reise. Während dieser Zeit sind wir ohne Unterbrechung fortgereist, und heute erst haben wir uns dieser Stadt genähert; ich habe meinen älteren Bruder auf dem Berge gelassen, weil er sehr müde ist von der weiten Reise, und bin herunter gekommen, um Nahrungsmittel zu kaufen, dann will ich wieder zu ihm zurückkehren.« — »Mein Sohn«, erwiderte der Alte, »erwarte nur alles Gute. Ich habe heute eine große Mahlzeit für viele Gäste zugerichtet und viele Tiere geschlachtet und unter sie verteilt. Noch ist aber das Beste von den Gerichten übrig geblieben, und wenn du mit mir nach Hause gehen willst, so gebe ich dir Brot und andere Speisen, bis du genug hast für dich und deinen Bruder. Ich werde dir auch während der Mahlzeit Auskunft über unsere Stadt geben. Gelobt sei Gott, daß du keinem anderen in die Hände gefallen bist, als mir!« Asad sagte: »Verfahre mit mir, wie es dir geziemt!«

      Der Alte ergriff Asad bei der Hand, ging mit ihm in eine enge Gasse und sagte lachend: »Gelobt sei der, der von den Leuten dieser Stadt dich befreit hat.« Als er an sein Haus kam, führte er ihn in einen großen Saal, in dem vierzig steinalte Männer einen Kreis um ein Feuer bildeten, das sie als ihren Gott anbeteten. Asad erschrak sehr, als er dies sah, und wußte gar nicht, was es bedeute. Der Alte rief dann: »O ihr Alten, Diener des Feuers, wie gesegnet ist dieser Tag!« Dann rief er: »Ghadban! komm her!« Auf diese Worte erschien ein schwarzer Sklave, stürzte auf Asad zu, schlug ihn ins Gesicht, warf ihn zu Boden und fesselte ihn. Als er fertig war, sagte der Alte: »Trage ihn ins unterirdische Zimmer, rufe schnell meine Tochter Bestan und meine Sklavin und sage ihnen, daß sie ihn Tag und Nacht schlagen und peinigen, und


Скачать книгу