Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil
an Schönheit und Anmut nahe kommt. Da ich nun zu schwach bin, um noch länger zu regieren, so könntest du wohl in meinem Lande dich niederlassen, meine Tochter heiraten, ich übergebe dir die Regierung und begebe mich in den Ruhestand.«
Die Prinzessin Bedur senkte ihren Kopf zur Erde, um die Schamröte zu verbergen, welche ihr Schweißtropfen auf die Stirne trieb. Was soll ich tun? dachte sie; ich bin ja selber ein Weib. Weigere ich mich, so bin ich meines Lebens nicht sicher, der König wird mir nachstellen lassen, mich in seine Gewalt bringen und mein Geheimnis entdecken, und ich weiß ja nicht, was aus meinem Geliebten geworden ist. Es bleibt mir also nichts übrig, als hier zu bleiben und zu erwarten, wie der Himmel weiter hilft.
Sie erhob daher ihr Haupt wieder und gab ihre Zustimmung zu erkennen. Der König war sehr erfreut darüber und ließ das freudige Ereignis in seinem ganzen Reiche bekannt machen und sowohl in seiner Hauptstadt als auf den umliegenden Inseln Feste veranstalten. Auch versammelte er seinen Rat, entsagte in Gegenwart desselben der Regierung zugunsten seines Eidams, der in königlichem Ornat erschien, und die Großen seines Reiches, die obersten Staatsbeamten und die Truppenbefehlshaber huldigten der Prinzessin Bedur, welche alle für einen Prinzen hielten. Hierauf ordnete der König die Ausstattung und die Hochzeitsfeierlichkeiten an, und am Abend wurde Prinzessin Hajat al Rufus ihrem vermeintlichen Bräutigam zugeführt, und sie glichen zwei Monden. Als hierauf Bedur sich in das Brautgemach begab, fiel ihr die lange Trennung von ihrem geliebten Kamr essaman schwer aufs Herz. Sie seufzte und setzte sich schweigend neben Hajat al Rufus und küßte sie; dann stand sie auf, wusch ihre Hände und betete so lange, bis Hajat al Rufus die Augen schloß. Dann legte sie sich neben ihr nieder, kehrte ihr den Rücken zu und erwartete den Anbruch des Morgens.
Da begab sich der König Armanus und seine Gemahlin in das Gemach ihrer Tochter und erkundigten sich, wie es ihr in der verflossenen Nacht ergangen sei und sie erzählte ihnen, was sich zugetragen hatte. Da sprach der König Armanus zu ihr: »Meine Tochter, das muß dir keinen Kummer machen. Der Prinz Kamr essaman dachte wahrscheinlich an seinen Vater und seine Familie und gab sich deshalb nicht der Liebe hin, in der kommenden Nacht wird es anders werden.« Die Prinzessin Bedur beschäftigte sich den Tag hindurch mit Annahme der Glückwünsche ihrer Veziere, Emire und Truppen, denen sie freundlich zulächelte. Sie verteilte Ehrenkleider und andere Geschenke und vermehrte die Lehengüter der Emire, gab Befehle und erließ Verbote, erwarb sich den Beifall und die Liebe aller.
Es war schon Abend, als sie den Divan entließ und sich wieder in den Palast der Königin Hajat al Nufus begab. Beim Eintritte fand sie dieselbe auf einem Divan sitzend, neben welchem eine Wachskerze brannte. Bedur setzte sich neben sie und küßte sie auf die Wangen, dann fiel ihr wieder ihr Geliebter ein, sie erhob sich, begann ihr Gebet zu verrichten, machte es aber wieder so lange, daß Hajat al Nufus darüber einschlief. Jetzt legte sie sich neben sie und schlief auch. Am folgenden Morgen stand sie auf, legte den königlichen Schmuck an und begab sich wieder in die Versammlung des Staatsrates. Der König Armanus ermangelte auch diesen Morgen nicht, seine Tochter zu besuchen, und fragte sie nach ihrem Zustande und sie erzählte ihm wieder, was sich ereignet hatte. Da sagte er zu ihr: »Meine Tochter, habe noch Geduld bis zur nächsten Nacht! Benimmt er sich nochmals so, so will ich ihn wieder absetzen und aus meinem Lande verbannen.«
Es war schon Nacht, als Bedur wieder zu Hajat al Nufus kam, welche wieder dasaß bei einer brennenden Wachskerze und wie der Vollmond aussah. Sie betrachtete sie, dachte dabei an ihren Geliebten, wusch sich, betete und wollte aufstehen; aber Hajat al Nufus sagte zu ihr: »Schämst du dich nicht vor meinem Vater und denkst du nicht an das Gute, das er dir erwiesen?« Bedur setzte sich wieder und sagte: »Was sagst du da?« »Was ich sage«, versetzte Hajat al Nufus, »hat man je einen von seiner Schönheit so eingenommenen Menschen wie du gesehen? sind etwa alle hübschen Männer so eingebildet? doch bei Gott, ich sage das nicht aus Verlangen nach dir, sondern aus Liebe und Mitleid. Wisse, der König, mein Vater, wartet nur noch den folgenden Tag ab. Er hat sich vorgenommen, wenn er von mir nicht erfährt, was er sich wünscht, dich morgen der Regierung zu entsetzen und davonzujagen, er könnte dich, wenn seine Entrüstung zu heftig wird, sogar ums Leben bringen. Ich habe dir jetzt meinen Rat erteilt: tue nun, was du willst.« Diese Rede setzte die Prinzessin Bedur in Verlegenheit. Sie senkte ihr Haupt und überlegte: Widersetze ich mich, so bin ich verloren. Nun bin ich aber doch Königin der Ebenholzinseln. Mein Gemahl, der Prinz Kamr essaman muß auf dem Wege nach dem Reiche seines Vaters notwendig hierher kommen.
Nachdem Bedur auf diese Weise überlegt hatte, sagte sie mit ihrer natürlichen Frauenstimme: »Geliebte Prinzessin, was ich getan habe, ist nicht freiwillig, sondern gezwungen geschehen.« Sie vertraute ihr dann ihre Lage an, erzählte ihr ihre ganze Geschichte. Zu gleicher Zeit entblößte sie ihren Busen und fuhr fort: Du siehst, ich bin ein Weib wie du, und bat sie, ihr Geheimnis zu bewahren, bis der Prinz Kamr essaman ankommen wird. Hajat al Nufus fühlte das innigste Mitleid mit der Prinzessin. Sie versicherte dieselbe, daß sie keinen sehnlicheren Wunsch habe, als sie möchte mit ihrem Gemahl bald wieder vereinigt werden. Hierauf umarmten die beiden Prinzessin einander zärtlich, scherzten und lachten bis sie einschliefen. Kurz vor dem Morgengebete stand Hajat al Nufus auf und traf alle Anstalten, um die Ihrigen über das Vorgefallene zu täuschen und Jubelgeschrei ertönte aus dem Munde der Sklavinnen. Die Prinzessin Bedur begab sich nach wie vor in die Versammlung des Divans, und fuhr fort zu regieren. So verging eine geraume Zeit, während welcher Bedur ihre Tage mit Staatsangelegenheiten und ihre Abende in freundlichen und vertraulichen Gesprächen mit der Prinzessin Hajat al Nufus zubrachte.
Während diese Dinge auf der Ebenholzinsel vorgingen, war der Prinz Kamr essaman noch immer in der Stadt der Götzendiener bei dem Gärtner, der ihn aufgenommen hatte. Sein Vater aber, der König Schah Seman, war äußerst niedergeschlagen, als er ihn die ersten Nächte nicht von der Jagd zurückkommen sah. Mit der größten Ungeduld erwartete er den dritten Morgen. Sogleich mit Tagesanbruch bestieg er ein Pferd, nahm eine große Zahl Soldaten mit sich und verteilte sie nach verschiedenen Seiten und bestimmte ihnen den Kreuzweg zum Sammelplatz. Auf diese Weise streiften sie mehrere Tage umher. Am dritten Mittag endlich kamen sie bei dem Scheidewege zusammen. Da erblickten sie die zerrissenen Kleider und die Spuren von Fleisch und Blut. Als er dies sah, stürzte er mit dem Ausruf: »Wehe, mein Sohn!« ohnmächtig zu Boden. Nachdem er durch seine Leute, welche ihm Wasser ins Gesicht spritzten, wieder zu sich gebracht worden war, schlug er mit geballten Fäusten gegen sein Haupt, zerriß seine Kleider und glaubte fest, daß er seinen Sohn auf immer verloren habe. Die Leute des Königs stimmten in die Klagen des Vaters mit ein, zerrissen gleichfalls ihre Kleider, streuten Erde auf ihr Haupt und schrien und weinten, bis die Nacht hereinbrach. Verzweiflung im Herzen und dem Tode nahe, kehrte der König in seine Hauptstadt zurück und ließ auf allen Inseln seiner Herrschaft ausrufen, daß man wegen des Todes seines Sohnes Trauerkleider anlege, er ließ auch ein Gebäude aufführen, das er das Haus der Trauer nannte, und brachte außer den zwei Wochentagen, an welchen er die Regierungsangelegenheiten besorgte, alle seine Zeit weinend und Trauergedichte rezitierend, daselbst zu.
Indessen hatte der Prinz Kamr essaman den Gärtner, bei welchem er sich aufhielt, in seiner Arbeit unterstützt. Eines Morgens, als er wieder in seine Geschäfte gehen wollte, hielt ihn der Gärtner davon ab. »Die Götzendiener«, sagte er zu ihm, »haben heute ein großes Fest, deshalb magst du auch feiern. Ich lasse dich hier, und da die Zeit herannaht, daß das Schiff, von welchem ich dir gesagt habe, nach der Ebenholzinsel unter Segel gehen wird, so will ich mich nach dem Tage seiner Abfahrt erkundigen, und zugleich dafür sorgen, daß du mitfahren kannst.« Als der Prinz Kamr essaman allein war, tauchte die Erinnerung an sein Schicksal wieder in ihm auf; er wandelte im Garten umher, bis er auf einem Baume zwei Vögel erblickte, die miteinander in Streit waren. Einer derselben hackte dem anderen mit dem Schnabel den Hals ab, so daß er tot vom Baume herabfiel, worauf jener sich wieder in die Luft schwang und verschwand. Sogleich kamen von einer anderen Seite zwei große Vögel, setzten sich, der eine zu dem Haupte, der andere zu den Füßen des Toten, betrachteten ihn eine Weile kopfschüttelnd, kratzten ihm dann mit ihren Klauen ein Grab und legten ihn hinein. Sobald die beiden Vögel das Grab zugescharrt hatten, flogen sie weg, kamen aber nach kurzer Zeit wieder und hielten mit ihren Schnäbeln den Vogel, der den ersten getötet hatte. Sie schleppten ihn auf das Grab des Ermordeten, knieten auf ihn und hackten so lange auf ihn los, bis er tot war. Zuletzt rissen sie ihm den Bauch auf, zogen die Eingeweide heraus, und ließen die zerstreuten