Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil

Tausend Und Eine Nacht - Gustav  Weil


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      Sobald der Greis diesen Befehl gegeben hatte, ergriff der schwarze Sklave den Prinzen Asad, schleppte ihn zur Türe des Saales hinaus, zu einer anderen Türe hinein, hob eine Platte auf, ging eine Treppe von zwanzig Stufen mit ihm hinunter in ein großes Gemach, und legte ihm eine schwere Kette an die Füße. Als er dies getan, stieg er wieder hinauf und gab seinem Herrn davon Nachricht. Der Alte brachte diesen Tag mit seinen Feueranbetern zu, dann ging er zu seiner Tochter und Sklavin und sagte: »Steigt hinunter zu dem Muselmann, den ich heute gefangen habe, peiniget ihn und habet kein Mitleid mit ihm.« Die Sklavin sagte: »Wohl, mein Herr!« Sie ging dann zu ihm hinunter, entkleidete ihn und prügelte ihn, bis das Blut von seinen Seiten herunterlief und er ohnmächtig niedersank. Nach dieser Mißhandlung stellte sie einen Wasserkrug mit einem Laibchen trockenen Brotes neben ihn und ging wieder hinauf. Asad erwachte erst um Mitternacht aus seiner Ohnmacht und weinte so, daß die Tränen ihm über die Wangen herunterströmten; er dachte an seinen Bruder und an seinen frühern glücklichen Zustand als Prinz.

      Als Amdjad indessen den ganzen Tag hindurch bis Mitternacht seinen Bruder vergebens erwartet hatte, ward er immer trauriger; sein Herz klopfte und er fürchtete, schon von ihm getrennt zu sein. Am folgenden Tage ging er den Berg hinunter, und Tränen strömten über seine Wangen. Er ging in die Stadt und fragte nach ihrem Namen; man sagte ihm, es sei die Stadt der Magier, und die meisten Einwohner beteten das Feuer an. Er erkundigte sich auch, wie weit es von hier nach den Ebenholzinseln sei, und man sagte ihm, zu Land brauche man ein Jahr und zu Wasser vier Monate, um dahin zu kommen, und dort regiere Kamr essaman, der Gemahl der Hajat al Rufus. Als er den Namen seines Vaterlandes und seines Vaters hörte, erwachte sein Schmerz aufs neue, und er ging traurig in der Stadt umher, um seinen Bruder aufzusuchen. Indem er nun so die Stadt durchstreife, kam er zu einem Schneider, der ein Muselmann war. Er grüßte ihn, setzte sich zu ihm in seinen Laden und teilte ihm seine Geschichte mit. Als er mit seiner Erzählung zu Ende war, sagte ihm der Schneider: »Mein Sohn, wenn dein Bruder in die Hand eines Magiers gefallen ist, so wirst du ihn nie mehr wieder sehen. Willst du nun bei mir bleiben?« Amdjad nahm das Anerbieten an. Er blieb dann etwa einen Monat bei demselben, der ihn wegen seines Bruders tröstete, ihm Geduld einflößte und ihn das Schneiderhandwerk lehrte.

      Eines Tages ging Amdjad nach dem Meere hin und wusch seine Kleider, er badete sich auch, zog reine Kleider an und nahm wieder den Weg nach dem Laden des Schneiders; da begegnete ihm eine schöne, anmutige Frau; als sie ihn sah, hob sie den Schleier ein wenig in die Höhe und sagte: »Wohin gehst du, Herr?« und lächelte dabei so reizend, daß er seinen Verstand verlor. Er sagte: »Ich gehe nach Hause oder zu dir, wie du es wünschest.« Sie antwortete: »Gott strafe die Weiber! Sie haben keine andere Gelegenheit, als bei den Männern.« Amdjad beugte den Kopf gegen die Erde, denn er schämte sich, mit ihr zum Schneider zu gehen. In dieser Verlegenheit ging er immer vorwärts, und das Mädchen folgte ihm von einer Straße zur anderen und von einem Platz zum andern. Endlich fragte sie ihn: »Wo wohnst du denn?« — Er sagte: »Meine Herrin, wir werden bald an mein Haus kommen.«

      In seiner großen Verwirrung geriet er endlich in eine Straße, die keinen Ausgang hatte, und sagte: »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott.« Am Ende der Straße sah er ein großes, geschlossenes Tor, und auf jeder Seite desselben war eine Bank. Amdjad ging dahin und setzte sich auf eine Bank, und das Mädchen auf die andere. Sie sagte dann: »Worauf wartest du?« — »Ich habe den Schlüssel nicht«, antwortete er; »ich habe ihn einem Mamelucken gegeben, dem ich befohlen, Getränke und Speisen einzukaufen und alles herzurichten, während ich ins Bad ging. Nun ist er aber noch nicht zurückgekommen und wird wohl noch lange ausbleiben; es ist sonst niemand da, was soll ich tun?« Amdjad hoffte durch diese Worte sie zu vertreiben und von ihr befreit zu werden. Als das Mädchen dies hörte, sagte sie: »Ist es nicht eine Schande, hier zu sitzen, weil der Sklave zu lang ausbleibt?« Sie stand dann auf, nahm einen Stein, schlug das Schloß auf und die Türe öffnete sich. Amdjad kam ganz von Sinnen, er sagte: »Was fällt dir ein, das Schloß herunter zu reißen?« Sie antwortete: »Nun, mein Herr, ist dies nicht dein Haus? was tut das?« — »Es tut weiter nichts«, erwiderte er, »als daß eben das Schloß verdorben ist.« Er seufzte dann und jammerte; aber das Mädchen ging voran ins Haus. Amdjad blieb an der Türe, mit einem Fuße drinnen und dem anderen außen, in großer Verwirrung stehen. Das Mädchen sah sich nach ihm um und sagte: »Warum gehst du nicht in deine Wohnung? Er neigte den Kopf zur Erde und sagte: »Wohl, aber der Sklave bleibt gar zu lange aus; ich habe ihm gesagt, er solle kochen, das Zimmer aufräumen und den Marmor abputzen, und ich weiß nicht, ob er etwas von dem, was ich ihm befohlen, getan hat oder nicht.« Endlich ging er hinein. Er fand einen schönen, geräumigen Saal mit vier einander gegenüberliegenden Erhöhungen, mit Speisegemächern und anderen kleinen Kabinetten. Der Boden war mit seidenen Teppichen und Kissen bedeckt, und mitten im Saal war ein kostbarer Springbrunnen, daneben standen Tische und Schüsseln voll Speisen, Früchten und Wohlgerüchen, Flaschen von Wein und ein Leuchter mit festlichen Wachskerzen und Gefäße mit klarem und wohlriechendem Wasser gefüllt. In dem Saal sah man überall kostbare Waren und verschlossene Kästen. Auf den Erhöhungen standen zwei Reihen Stühle, und auf jedem derselben lag ein Bündel Kleider und ein Beutel mit Gold. Als Amdjad das alles sah, erschrak er, legte den Finger an den Mund und dachte: Amdjad, es ist aus mit dir! du kommst von Gott und kehrst wieder zu ihm zurück. Das Mädchen hingegen freute sich, als sie dies sah, und sagte: »Mein Herr, dein Sklave hat nichts vernachlässigt; er hat den Marmor gereinigt, das Fleisch gekocht und alles hergerichtet. Was stehst du so nachdenkend da? Hast du allenfalls eine andere hierher bestellt, so will ich mich umgürten und dich und sie bedienen.« Amdjad mußte ungeachtet seines Kummers über diese Worte lachen und dachte, schwer atmend: welchen schlimmen Tod werde ich erdulden müssen. Das Mädchen setzte sich neben ihn, scherzte und lachte. Amdjad war ernst und traurig und machte sich tausend Gedanken; er dachte: alles wird damit enden, daß der Hausherr kommt, und was wird der dazu sagen? gewiß geht‘s um meine Seele. Das Mädchen schürzte sich auf, nahm die Schüssel mit Speisen, deckte den Tisch und aß. Dann sprach sie zu Amdjad: »Wirst du mir nicht die Freude gönnen, zwei Bissen mit mir zu essen, denn dein Sklave bleibt gar zu lange.« Amdjad setzte sich endlich zu ihr, um zu essen, aber es schmeckte ihm nicht, er sah immer nach der Türe hin, bis das Mädchen gegessen hatte und satt war; dann tat sie die Schüssel weg, bracht die Platte mit Früchten und aß davon. Darauf öffnete sie den Weinkrug, füllte einen Becher und trank; dann füllte sie ihn wieder und reichte ihn Amdjad. Er nahm ihn und dachte: Wehe, wenn der Hausherr uns sieht. Er blickte immer ängstlich nach dem Gang, und auf einmal kam der Hausherr. Derselbe war Oberster aller Mamelucken des Königs der Magier und ihr Anführer; in dieser einsamen Wohnung ließ er sich oft wohl sein in Gesellschaft derjenigen, deren Umgang er liebte.

      An diesem Tage nun hatte er gerade hierher geschickt, um alles herzurichten. Sein Name war Bahdar und er ein Mann der.... Gott bewahre jeden guten und ehrlichen Menschen vor seinesgleichen. Als er an den Saal kam und die Türe offen fand, schlich er ganz leise näher, streckte den Kopf hinein und sah hier Amdjad mit dem Mädchen an seiner Seite, und vor ihnen stand eine Platte mit Früchten und Weingefäßen. In diesem Augenblicke nahm gerade Amdjad den Becher in die Hand, sah nach der Türe und begegnete dem Auge des Hausherrn. Bei diesem Anblicke ward er ganz blaß und zitterte an allen Gliedern. Bahdar gab ihm dadurch, daß er den Finger auf den Mund legte, zu verstehen, er möge nur schweigen; dann gebot er ihm durch einen Wink mit der Hand, zu ihm zu kommen. Amdjad stand auf, setzte den Becher weg und sagte dem Mädchen, das ihn fragte, wo er hin wolle: er müsse sich einen Augenblick entfernen. Amdjad ging dann barfuß in den Gang. Als Bahdar ihn sah, ging er schnell auf ihn zu und sagte: »Wie kommst du hierher?« Amdjad küßte ihm die Hände und erwiderte: »Ich beschwöre dich bei Gott, Herr! höre mich an, ehe du mich zum Polizeimeister der Stadt führst.« Er erzählte ihm dann seine ganze Geschichte von Anfang bis zum Ende; wie er nicht gerne in das Haus haben gehen wollen; wie das Mädchen das Schloß aufgeschlagen und an allem schuld sei, und entdeckte ihm seine Herkunft. Als Bahdar die Rede Amdjads hörte und seine Abenteuer, und daß er ein König, Sohn eines Königs sei, bekam er Mitleiden mit ihm und erbarmte sich seiner. »Höre, Amdjad«, sprach er, »ich schwöre bei dem erhabenen, barmherzigen Gott, daß, sobald du dich meinem Willen in etwas widersetzest, ich dich umbringen lasse.« Amdjad sagte: »Du kannst befehlen, Herr, ich werde dir nie ungehorsam sein; bin ich doch von deinem Schwerte befreit und habe nichts von dir zu befürchten.« Da sage der Hausherr: »Gehe jetzt


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