Onnen Visser. Sophie Worishoffer

Onnen Visser - Sophie  Worishoffer


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den Götzen dieser Welt – es ist so eigen schaurig, Gold durch die Finger laufen zu lassen wie bloßes Wasser! – aber uns gehört davon nichts. Nein, nichts! Magst ruhig schlafen, Geerd Kluin, deine Tausende sind in sicherer Hut!«

      Sie wiegte den Kopf, halb lächelnd, halb schluchzend, sie legte mit leiser Hand die Münzen wieder in den eisernen Topf unter dem Wurzelgeflecht der Erlen. »Seltsame Welt, blinde törichte Menschen! Vielleicht darbt und hungert der reiche Mann im fernen Hamburg und alles, was ihn erquickt, ist der Gedanke an sein vergrabenes Geld! Vielleicht sieht er‘s nie wieder, aber das letzte Stündlein wird ihm leichter, weil er weiß, daß auch andere es nicht erlangen werden.«

      Sie deckte den Topf sorgfältig zu. »Liege, liege bis an den jüngsten Tag, bis Gott die Welt vor das Gericht fordert, Gute und Arge – alles was lebt!«

      Sie raffte ihre Eier zusammen und die Wanderung über das zerklüftete Gebiet begann aufs neue.

      Es wurde allmählich dunkel; Aheltje schlich an der Stelle des heutigen neuen Kirchhofes und der verstreuten einzelnen Häuser hinter der Marienstraße vorüber, ihrer Hütte zu; da sah sie vor sich auf dem Kamm einer Düne die hohe Gestalt eines Mannes, der seine Augen mit der Hand beschützte.

      »Peter Witt!« murmelte die Alte. »Kain!«

      Und sie lachte laut und verächtlich.

      Der Genannte wandte den Kopf. »Du bist es, Hexe! Was hast du da, he? Zauberkräuter, denke ich!«

      Er wollte ihr das zerrissene Tuch wegnehmen, aber sie schlug ihn derb auf die Finger. »Zauberkräuter!« wiederholte sie spöttisch. »Sollen deine Hände verbrennen, Peter Witt?«

      »Ist‘s wahr?« flüsterte er, einen Schritt zurückweichend. »Du bist gut Freund mit den Schmugglern, alte Aheltje, du kochst ihnen wohl gar den Trank, der unsichtbar macht?«

      »Ha, ha, ha – Murr, lachst du nicht? Das war kostbar, Peter Witt, dafür solltest du eigentlich noch einen besonderen Orden haben, einen französischen natürlich.«

      »Den bekomme ich auch noch«, rief er eifrig, »allen deinen Künsten zum Trotz, alte Hexe. Sieh dahin, die englischen Schiffe sind fort!«

      »Und was kümmert das dich, Peter Witt?«

      »Viel! Viel!« rief der Spion. »Wo wird jetzt das Gut gelandet, wo arbeiten die Schmuggler? Ich will und muß es erfahren, so kann die Sache nicht länger fortgehen. Diese beiden Haupthähne, Visser und der lange Lümmel, der Heye Wessel, führen die Zollbeamten an der Nase herum – sie stehen mit dem Teufel im Bunde.«

      Er rannte fort, verfolgt von dem Lachen der Alten, und während sie ihre Hütte aufsuchte, ging er in das Dorf hinab.

      »Ich will auf den Grund sehen«, murmelte er, »ich will es und müßte mich‘s Gott weiß was kosten!«

      Zwischen den Häusern herrschte fast vollständige Dunkelheit; Schritt für Schritt stieg der Franzosenfreund durch den tiefen losen Sand einem niederen Gebäude zu, in dem sich damals die einzige kleine Schenke des Ortes befand. Schräg gegenüber lag das Wohnhaus des Kapitäns, während neben demselben ein halbzerfallener Stall das schiefe Dach der Straße zuneigte.

      In der Wirtsstube war niemand als die Frau des Eigentümers, der sich zum Fischfang auf dem Meere befand; sie gab dem Gaste das verlangte Getränk und kümmerte sich dann mehr um ein krankes Kind, das sie in Schlaf wiegte, als um ihn.

      Peter Witt pries den Zufall; er konnte nun, selbst ungesehen, das Haus des Kapitäns beobachten, und das war es eben, was er wollte.

      Klaus Visser hatte sich heute krank melden lassen, die »Taube« lag auf dem Watt vor Anker – das schien verdächtig.

      Peter Witt spähte. Hinter den verhüllten Fenstern des Kapitäns glänzte freundlicher Lichtschein, man sah auch Schatten vorüberhuschen und zuweilen klangen Stimmen auf die Straße hinaus. Endlich, als es ganz dunkel geworden war, erschien ein Mann und schlüpfte schnell, als wolle er nicht gesehen werden, zur Tür hinein.

      Ein Strom von Hitze ergoß sich durch die Adern des Lauschenden.

      »Jakob Brahms aus Neßmersiel«, dachte er, »was kann der wollen?«

      Sein Entschluß war schnell gefaßt, er bezahlte den genossenen Branntwein und ging fort, um dann von der Hinterseite der Häuser her das Anwesen des Kapitäns wieder zu erreichen. Eine niedere Tür zum Hofe stand immer offen, Peter Witt schlüpfte hinein, gelangte in die Holzkammer und preßte nun lauschend das Ohr gegen die Tür des Wohnzimmers.

      Sein Herz schlug, als wolle es springen. Wenn er entdeckt würde, dann stand vielleicht das Leben selbst auf dem Spiel; Jakob Brahms war ein Mann, der mit sich nicht spaßen ließ, das wußte er.

      »Es geht nicht anders«, erklang in diesem Augenblick die Stimme des Kapitäns, »wir können hier nichts mehr ausrichten; es ist heute eine Verstärkung von mehreren hundert Mann und zwei Kanonenbooten angelangt. Weißt du, welch eine neue Teufelei sich die Kerle ausgesonnen haben?«

      »Nun?« fragte der aus Neßmersiel.

      »Jede Schaluppe erhält, sobald sie die Anker lichtet, vier Mann französische Besatzung. Allein dürfen wir nicht mehr in See gehen – damit ist das Geschäft zerstört.«

      Jakob Brahms schlug mit der Faust auf den Tisch. »Das ist unerhört! Visser, das kann nicht wahr sein!«

      Der Kapitän seufzte. »Doch! Doch! Es ist gestern verlesen worden. So gut die Machthaber den Leuten das bißchen Eigentum aus dem Hause holen und es auf offenem Markte verbrennen, können sie auch unbescholtene Bürger wie Gefangene behandeln und sie mit Wächtern umgeben. Vier Mann für jede Schaluppe und Konfiskation des Fahrzeuges, das ohne dieselben auf offener See betroffen wird.« Der andere ließ die Arme sinken. »Das ist ja unerhört«, sagte er.

      »Gewiß ist es unerhört und wird auch im Verein mit den Kanonen von der neuen Schanze herab den englischen Handel lahm legen – nur die Waren aus diesen beiden Schiffen müssen noch an Land gebracht werden – Heye Wessel und ich haben‘s übernommen.«

      »Daß dich!« dachte der Lauscher. »Die Nachricht ist Gold wert!«

      »Aber wie führen wir‘s aus?« setzte der Kapitän hinzu. »Ich habe dir eine Botschaft geschickt, Jakob, damit du kommen und mir raten solltest. Was fange ich an?«

      Der Brahms trank den Branntwein, welcher vor ihm auf dem Tisch stand, und sah dann durch das Glas, als lese er dort des Rätsels Lösung.

      »Du, Visser«, sagte er endlich, »ist auf Baltrum noch keine Besatzung, weißt du es gewiß?«

      »Ganz gewiß; es ist keine da.«

      Jakob Brahms schlug wieder auf die Tischplatte. »Dann müssen die Engländer den Kaffee auf Baltrum landen und von dort bringen wir ihn über das Watt nach Neßmersiel.«

      Der Kapitän schüttelte den Kopf. »Unmöglich, Jakob, ganz unmöglich. Dort stehen vier Zollwächter auf dem Deiche.«

      »Die ich unschädlich machen werde, Visser, verlasse dich darauf. Wann hast du übrigens wieder deinen freien Tag?«

      »Nächsten Sonnabend!«

      »Gut, dann kannst du öffentlich auf einer der Schaluppen die Erde anfahren, nach Norddeich reisen und zu Lande weiter nach Neßmersiel; von da durchs Watt nach Baltrum – du und die übrigen. Ihr seid bei Beginn der Dunkelheit sämtlich an Ort und Stelle; für das weitere laßt ihr mich sorgen.«

      Der Kapitän wiegte den Kopf. »Du mußt mir das erst etwas deutlicher erklären, mein guter Jakob«, sagte er mit geheimer Unruhe.

      »In welchen Räumen könnten auf Baltrum ganze Schiffsladungen voll Kaffee verborgen werden?«

      »In den Ställen und Scheunen eines sicheren vertrauten Mannes, für den ich einstehe. Andreas Fokke, der Fuhrmann ist‘s.«

      Ein leises gedehntes Pfeifen verriet die Befriedigung des Kapitäns. »Andreas Fokke!« wiederholte er. »Hm, hm, Jakob, laß dir sagen, daß ich den Mann ganz genau kenne. Wir hatten schon, ehe noch eine Besatzung nach Norderney kam, unser Lager in seinen Scheunen.«

      »Sieh! Sieh! Du wolltest


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