Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch). Christian Morgenstern
auf seine Schaufel nimmt.
Casta regina!
Wie oft zerriß ich
der Leidenschaft
schwüles Rosengerank
um Deinetwillen,
reines Weib,
und sang Dir, zartesten Glückes voll,
Anbetung und Liebe!
Dich,
die, keusch in innerster Brust,
ihrem Herren sich wahrt,
grüßt, Ehre bietend, mein Herz
und fleht aus der Sonne der Zukunft
den goldensten Strahl
Deiner Stirn.
Süß ist das Spiel der Liebe,
und die Rosen der Wollust duften heiß –
purpurne Lieder blühn ihr
aus meiner Harfe –
doch mit dem würdigsten Kranze
krön ich
die weiße Stirne der Keuschheit.
Trunkne Mänade
die du in fallenden Schleiern
vor glühenden Jünglingen
schrankenlos rasest –
lodernder Urgewalt
bist du ein göttlich Bild.
Aber vor Dir,
die, göttlicher noch,
der Mutter in sich
die Jungfrau opfert,
knie ich in Ehrfurcht,
und große Söhne
segnen mit mir
Dein heiliges Haupt.
Prometheus
Dein Leben setz an dein Werk!
Deine Liebe zerbrich!
Auf einsame Berge
flüchte verfehmt empor!
Fittichfinster
fällt auf dich
der Geier Wahnsinn ...
Zuckend läßt du
dich zerfleischen ...
Über ihn fort
mit sterbenden Blicken
bohrst du dich noch
in ewige Nächte ...
Dunkel,
dampfend,
tropft es
den Abgrund hinab ...
Wer
achtet
Dein?
Wer
hebt unten
demantene Schalen? ...
Aber zwei Wanderer
hör ich
über dich reden –:
»Ein kranker Geist!«
»Ein krankes Werk!«
Siehe, Prometheus,
das ist dein Dank!
Hymnus des Hasses
Heil dir,
der du hassen kannst,
dem im reichen Mark
tötende Flamme schläft,
den es lüsten kann,
als ein großer Blitz
ins feige Antlitz der Welt
zu verglühn,
grabend dein stolzes Mal
in der Menschheit Stirn!
Heil dir,
dem erhabenen Zorns
schmerzendes Feu'r
enge Adern zerreißt,
daß, den Überstrom deines Bluts
in gewölbten Händen, du
um dich spähst,
daß Todestaufe
deine Feinde
von dir empfingen!
Heil dir,
der du den trägen Trotz
stumpfer Geschlechter irrst,
dessen strafender Haß
strafende Liebe ist!
Sonne der Zukunft
loht aus dir,
wenn vernichtend heiß
göttlichen Grimmes Odem
von dir geht!
Traum
Ich bin eine Harfe
mit goldenen Saiten,
auf einsamem Gipfel
über die Fluren
erhöht.
Du laß die Finger leise
und sanft darüber gleiten,
und Melodien werden
aufraunen
und aufrauschen,
wie nie noch Menschen hörten;
das wird ein heilig Klingen
über den Landen sein ...
Ich bin eine Harfe
mit goldenen Saiten,
auf einsamem Gipfel
über die Fluren
erhöht –
und harre Deiner,
oh Priesterin!
daß meine Geheimnisse
aus mir brechen
und meine Tiefen
zu reden beginnen
und, wie ein Mantel,
meine Töne
um dich fallen,
ein Purpurmantel
der Unsterblichkeit.
Der Spieler