Märchen & Sagen aus dem Lande Baden und der Umgebung. Bernhard Baader

Märchen & Sagen aus dem Lande Baden und der Umgebung - Bernhard Baader


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der Landstraße bei den Hagenbücher Höfen läßt sich in der Nacht ein gespenstiges Schwarzwäldermägdlein sehen, welches aus dem benachbarten Bergwald herabkömmt. Ein betrunkener Flößer, der nachts zwischen elf und zwölf aus dem Wirthshaus in Hausach nach Wolfach gehen wollte, wurde von den Wirthsleuten vor dem Mägdlein gewarnt, verlachte aber die Warnung und machte sich keck auf den Weg. Als er an die Höfe kam und kein Gespenst sah, rief er, indem er seine Art schwang: »Wäldermädle, komm herbei, ich will dich zusammenhauen!« Kaum hatte er dies gerufen, so war das Mägdlein da, ergriff und warf ihn Kopf über Kopf unter in die Kinzig und kehrte hierauf in den Wald zurück. Schon war der Flößer am Ertrinken, da wurde er von einem Mann noch gerettet, der nicht weit hinter ihm hergegangen und Zeuge des Vorfalls gewesen war.

      101. Schatz auf dem Hausacher Schlosse.

       Inhaltsverzeichnis

      Auf dem verfallenen Bergschloß über Hausach liegt ein Schatz verborgen, wonach einmal nachts von Leuten gegraben wurde. Schon sahen sie einen Kessel voll Geld vor sich, als im Orte die Betglocke ertönte. »Es läutet Betzeit, wir wollen beten, das Geld haben wir!« sprach einer von ihnen. Da versank der Kessel mit dem Geld in den Boden, und sie mußten mit leeren Händen davon gehen.

      Auf dem Schlosse lassen sich in manchen Nächten gespenstige Lichter sehen. Von demselben führte vor Zeiten nach dem Klösterle im Thal ein unterirdischer Gang, worin eine Kutsche mit Bequemlichkeit fahren konnte.

      102. Gallus im Harmersbacher Thal.

       Inhaltsverzeichnis

      Vor Alters, als das Harmersbacher Thal noch eine Wildniß war, wohnte darin als Einsiedler der heilige Gallus. Seine Hütte stand an einem Brunnen und einem Dornbusch, aus dem manchmal ein wunderschöner Gesang ertönte. Eines Tages kam zu dem Heiligen ein Bär und hielt ihm seine Tatze hin, worin ein großer Dorn stack. Gallus zog diesen heraus, und nun führte ihn das dankbare Thier zu einem Felsen, wo er eine Menge wilden Honigs fand; auch wich es nicht mehr von seiner Seite, trug ihm Holz herbei und verrichtete sonstige Dienste. Nachdem der Andrang der Leute zu dem Heiligen sehr groß geworden war, zog er sich eine Stunde weiter in das Thal zurück, an den Ort, wo jetzt die ihm gewidmete Pfarrkirche von Oberharmersbach steht. Aber auch hier entging er dem Zulaufe nicht, daher er mit seinem Bären sich fort in die Schweiz begab, wo er nachmals das Kloster Sankt Gallen gründete. Ungeachtet seiner Entfernung pilgerten die Leute noch immer in das Thal zu seinen Hütten, und als auch sie den Gesang aus dem Dornbusche hörten, suchten sie daselbst nach und fanden ein hölzernes Standbild, welches die Muttergottes mit dem Jesuskind auf dem linken Arme vorstellte. Sie erbauten dort eine Kapelle, und nachher ließ sich der Gesang nicht wieder hören. Statt der Kapelle steht jetzt auf dem Platze die Wallfahrtskirche Maria zur Kette, und außen über ihrer Hauptthüre das Standbild. Bei demselben haben schon manche Hülfe gefunden, und auch durch das Wasser des Brunnens werden verschiedene Leibesübel, besonders Augenleiden, vertrieben.1

      Fußnoten

      1 Von dem Aufenthalte des Gallus im Harmersbacher Thal, sowie von der Auffindung des Muttergottesbildes, enthält weder die Lebensgeschichte dieses Heiligen etwas, noch das Büchlein über die Zeller Wallfahrt Maria zur Kette, welches Plazidus Schmider im Jahre 1748 zu Rottweil herausgegeben hat.

      103. Die Juden im Geisterschloß.

       Inhaltsverzeichnis

      Hirsch Levi von Schmieheim erzählte Folgendes:

      Am 5ten Februar 1801 ging ich mit einem Bekannten, Namens Kafele, spät in der Nacht von Schutterthal nach Hause. Als wir auf den Zimmerplatz unseres Ortes kamen, sahen wir dort ein stattliches Schloß stehen, dessen Fenster hell erleuchtet waren. Wir erinnerten uns gleich der oft gehörten Erzählung: daß alle dreihundert Jahre auf dem Platz ein Schloß sich zeige, worin viele Geister Zusammenkunft halten. Nicht ohne Furcht gingen wir näher, wurden aber, unweit des Gebäudes, von einem hochgewachsenen Mann im Harnisch angehalten und auf eine benachbarte Bank gewiesen. Kaum hatten wir uns darauf gesetzt, so schlug die Schloßuhr drei Viertel auf zwölf, und viele Frauen und Ritter, deren einer eine Fahne trug, zeigten sich auf dem Söller. Sie schienen jemand zu erwarten; aber während sie noch so da standen, schlug es zwölf, und sogleich hieß uns der lange Mann ihm folgen, was wir mit erschrockenem Herzen auch thaten. Er führte uns in das Schloß und in einen großen Saal, welcher von einer Menge Lichter erhellt und mit einem scharlachenen Bodenteppich belegt war. An seinem Ende befand sich ein prächtiger Thron und darüber ein Platz für Spielleute, deren mehrere mit rothbraunen Gesichtern und weißgrauen Bärten dort saßen. Auf Geheiß unseres Führers setzten wir bei der Thür uns nieder, zu der bald darauf ein König und eine Königin mit goldenen Kronen, die Frauen und die Ritter mit der Fahne, unter Pauken- und Trompeten-Schall, herein traten. Nachdem das Königspaar sich auf den Thron begeben, die übrigen aber rechts und links desselben sich aufgestellt hatten, ward alles stille, und der König hielt eine Rede in einer uns unverständlichen Sprache. Als sie zu Ende war, nahmen die Ritter Helme und Panzer, die Frauen die Schleier ab und legten sie bei Seite. Der König und die andern Männer hatten rothbraune Gesichter mit weißgrauen Bärten, und das Antlitz aller Frauen war ebenfalls von jener Farbe. Nun ließen sich alle an den im Saal aufgestellten Tafeln nieder, und auch wir mußten, auf einen Wink des Königs, uns dahin, neben unsern Führer, setzen. Von der Dienerschaft wurden Speisen und Getränke der verschiedensten Art aufgetragen, welche uns besser schmeckten als alles, was wir noch in unserm Leben genossen hatten. Während des Essens herrschte die tiefste Stille; nach dessen Ende aber ließ das Tonspiel sich wieder hören, und die Ritter und Frauen begannen einen uns unbekannten Tanz. Mitten unter demselben ertönte die Schmieheimer Frühglocke, und im Augenblick hörte Tanz und Tonspiel auf; die Ritter und Frauen griffen nach ihren Helmen, Panzern und Schleiern, und unser Führer winkte uns, mit ihm fortzugehen. Als wir uns im Freien befanden, sagte er zu uns: »Gehet jetzt eures Weges; hütet euch aber, nach dem Schloß euch umzusehen! in dreihundert Jahren feiern wir hier wieder ein solches Fest.« Nicht lange waren wir von ihm weg, so hörten wir hinter uns krachen; ich schaute, trotz Kafeles Abmahnen, um, und sah das Schloß mit allem, was darin war, in die Erde versinken. Zur Strafe für diesen Vorwitz ward ich bald darauf, als ich allein war, von unsichtbarer Hand ergriffen und mitten in den Teich beim Waldeck gestellt. Lange schrie ich vergebens um Hülfe; endlich aber kamen zwei Männer herbei und zogen mich aus dem Wasser, worin ich bis an den Hals gesteckt war.

      104. Verhexter Mund.

       Inhaltsverzeichnis

      Vor etwa zwanzig Jahren lebte in Schmieheim eine alte Frau, die allgemein im Rufe der Hexerei stand. Derselben schickten eines Tags ihre Nachbarsleute, die sie fürchteten, durch ihr achtjähriges Kind einen Teller voll Aernteküchlein. Zum Danke schenkte sie dem Kinde etwas Salbe und sprach: »Bestreiche damit heute Abend vor Schlafengehen deinen Mund, so wirst du recht hübsch werden; sage aber ja niemand etwas davon!« Das Kind machte es so, und sieh! am nächsten Morgen stand der Mund ihm senkrecht, statt quer, im Gesichte. Nachdem der Arzt vergebens gebraucht worden, wandten sich des Kindes Eltern an den Scharfrichter. Dieser rieth ihnen, von der Hexe Salz zu leihen, es auf dem Herde über das Feuer zu stellen und tüchtig durchzupeitschen, vorher aber Thüren, Fenster und alle andere Oeffnungen der Küche sorgfältig zu schließen. Sie thaten dies alles, da kam das Weib an die verschlossene Küchenthüre und rief: »Hört doch auf zu peitschen; ich will gerne euer Kind wieder schön machen!« Alsbald war auch dessen Mund wieder wagrecht. Wegen der Schwielen auf dem Rücken, welche die Hexe durch das Peitschen bekommen, mußte sie einige Tage das Bett hüten.

      105. Geld,


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