Märchen & Sagen aus dem Lande Baden und der Umgebung. Bernhard Baader
gleich die beiden andern davon, die Sache klärte sich auf, und die drei theilten sich nun in das Geld, welches ungefähr fünfzigtausend Gulden betrug.1
Fußnoten
1 Dies weicht sehr ab von der richtigen Sittenlehre anderer Sagen, wonach die Anwendung des Christoffelsgebets und ähnlicher Mittel nie zum Glück ausschlägt.
79. Der Landenberger.
Einst ritt ein Graf von Landenberg, welcher auf dem Schloß Urach1 zum Besuch war, mit zwölf der dortigen Knechte auf den Brestenberg jagen. Im Propstholz stießen sie auf einen Trupp Reiter der Propstei, mit welcher der Uracher in Fehde lag, und wurden mit ihnen handgemein. Da weder der Graf, noch einer seiner Begleiter in das Schloß zurückkam, suchten dessen Bewohner am dritten Tage sie auf und fanden sie in dem Walde, mit Wunden bedeckt, todt liegen. Dem Landenberger war der Kopf abgeschlagen und auf seine rechte Hand gestellt. Seit dieser Zeit spukt derselbe, auf einem Schimmel reitend, bei Nacht und bei Tag in der Gegend. Manchmal ist er allein, manchmal von den Knechten begleitet, welche mit ihm erschlagen worden. Den Kopf trägt er bald in der rechten Hand, oder auf einem Teller, bald hat er ihn auf dem Rumpfe, aber dann wendet er ihn, wenn ihm jemand begegnet, stets so, daß das Gesicht nicht gesehen werden kann. – Im Propstholz läßt zuweilen nachts Kampfgeschrei, Waffengeklirr und Hundsgebell sich hören.
Fußnoten
1 So heißt beim Volk die Burg Neufürstenberg.
80. Die sieben Frauen zu Vöhrenbach.
Als Vöhrenbach noch heidnisch war, siedelten sich in seiner Nähe sieben christliche Jungfrauen an und führten ein klösterliches Leben. Sie brachten manche Männer, Frauen und Kinder der Stadt zum wahren Glauben, zogen aber dadurch sich den Haß der andern Einwohner, vornehmlich des Schultheißen Mändle zu. Auf seinen Befehl nahm man sie gefangen und versuchte durch verschiedene Pein, ja, durch Androhung des Todes, sie vom Christenthum zum Heidenthume zu bringen. Da alles dieses vergeblich war, wurden sie von einem falschen Zeugen der Zauberei angeklagt und vom Stadtrath, trotz ihrer offenbaren Unschuld, als Hexen zum Feuertode verurtheilt. Vor der Anzündung des Scheiterhaufens sprach eine der Jungfrauen: »So gewiß sind wir unschuldig, als Vöhrenbach dreimal verbrennt!« »Als der Stadtrath nie ein Jahr lang vollzählig bleibt, und das Geschlecht Mändle ausstirbt!« sagte die zweite; »Ihr das Hochgericht verliert!« die dritte; »Eure Silbergruben unergiebig werden!« die vierte; »Eure Obstbäume keine Früchte mehr tragen!« die fünfte; »Euer Götzentempel eingeht!« die sechste. Ungeachtet dieser Drohungen verbrannte man die sechs Jungfrauen mit einander; die siebente aber verschonte man, in der Hoffnung, sie noch von Christus abwendig zu machen. In der folgenden Nacht sah diese Jungfrau ihre Gefährtinnen in der himmlischen Herrlichkeit und betheuerte darauf vor den Richtern, daß sie niemals ihrem Heiland untreu werde. Da ward auch sie verbrannt, nachdem sie, vom Scheiterhaufen aus, noch ein Gebund von sieben goldenen Schlüsseln auf die Erde geworfen und gesprochen hatte:
»So gewiß bin auch ich unschuldig, als an der Stelle, wo ich diese Schlüssel hinwerfe, ein Brunnen entsteht. Darin wird alle sieben Jahre, am Charfreitag vor Sonnenaufgang, ein Fisch mit den Schlüsseln um den Hals erscheinen; aber nur derjenige kann ihn sehen, der ganz rein von Sünden ist.«
Im Augenblicke entsprang auf dem Platz eine Quelle, und auch die übrigen Vorhersagungen der Jungfrauen gingen mit der Zeit alle in Erfüllung.
Jetzt steht da, wo die Verbrennung geschehen, ein Michelskirchlein, welches auch dieSiebenfrauenkapelle heißt, worin die Gefangennehmung und Hinrichtung der Jungfrauen auf einem Gemälde dargestellt ist. Zu der Kapelle, wie zu dem Brunnen, der bei ihr hervorquillt und Heilkraft besitzt, wird häufig gepilgert, besonders von kleinen unschuldigen Mädchen, deren gewöhnlich sieben miteinander gehen. In dem Brunnen ist auch der Fisch mit den Schlüsseln schon gesehen worden, welche zu der Kiste gehören, die den großen Schatz der sieben Jungfrauen birgt. Wo diese Kiste sich befindet, ist niemand bekannt.
81. Der lange Fasching.
In Vöhrenbach wollte einmal die Fastnacht gar kein Ende nehmen. Um zu erfahren, ob sie nicht schon aus sei, schickte der Stadtrath zwei Abgeordnete nach Rotweil, die gerade unter der Palmsonntagsprozession ankamen. Das hölzerne Standbild des Heilands auf dem Esel, welches dabei von den Rathsherren gezogen wurde, sahen die Abgeordneten für eine Mumme an und kehrten sogleich nach Vöhrenbach zurück. Dort verkündeten sie zu allgemeiner Freude, daß der Fasching noch keineswegs zu Ende sei, worauf derselbe in großer Lustigkeit fortgesetzt wurde.
82. Romeias.
Beinahe vor vierhundert Jahren lebte in Villingen ein Riese, der Romeias hieß, gewöhnlich aber Romäus genannt wird. Er war dort, auf dem Käferberg, geboren, sein Vater nicht groß, seine Mutter eine Zwergin. Wenn er auf der Gasse ging, konnte er in den zweiten Stock der Häuser sehen, und drei hohe Pfauenfedern, die er auf dem Hute zu tragen pflegte, ließen ihn noch größer scheinen.
Eines Tages hatte er auf einen Wagen, der mit einem Paar Ochsen bespannt war, zwei schwere Baumstämme geladen, aber jene konnten die große Last nicht fortbringen. Da lud er die Ochsen zu den Stämmen auf den Wagen und zog dann allein denselben nach Hause.
Als er, zu einer andern Zeit, Rotweil besuchte, wollten die Einwohner ihn gefangen nehmen und schlossen die Stadtthore. Er aber hob die Flügel eines derselben aus den Angeln, nahm den einen auf die Achsel, steckte den andern, mittelst dessen Henkels, an den Zeigefinger und eilte damit gegen Villingen. Drei Viertelstunden von da blieb er auf einem Hügel stehen und schaute zurück, gewahrte aber keine Verfolger. (Davon hat der Hügel den Namen Guckenbühl.) Alsdann brachte er die Thorflügel in seine Vaterstadt, wo sie, zum ewigen Andenken, an dem dazu erbauten obern Thorthurm eingesetzt wurden.
So groß die Stärke des Romäus, so groß war auch seine Eßlust. Einst kam er in eine Stube, worin niemand war, aber das Essen für sieben Personen auf dem Tische stand. Unverweilt machte er sich darüber her, aß alles rein auf, und als die Leute kamen, fragte er, ob nichts mehr zu essen gebracht werde.
Nachdem er im Kriege viele ritterliche Thaten vollbracht hatte, ließ er sich durch den Uebermuth verleiten, seine Obrigkeit zu schelten. Da niemand sich an ihn wagen wollte, ersann der Stadtrath eine List, um ihn gefangen zu nehmen. Es wurde ihm der Auftrag gegeben, aus dem tiefen Verlies des Michelsthurms etwas zu schaffen, und ihm dafür eine gute Belohnung versprochen. Arglos stieg er hinab, aber sobald er von der Leiter sich entfernt hatte, zog man sie schnell hinauf und schloß ihn in den Thurm ein, der seitdem auch Romäusthurm heißt. Zur Azung des Riesen wurde dann täglich ein Kalb oder ein Schaf in das Verlies geworfen. Als er genug Knochen beisammen hatte, steckte er sie in die Ritze und Löcher der Mauer, stieg auf ihnen, wie auf einer Treppe, hinauf, durchbrach die Balkendecke und gelangte bis unter das Dach des Thurmes. Daselbst fand er eine Menge Stroh, drehte daraus ein starkes Seil und ließ sich daran in der Nacht, zu einer Oeffnung hinaus, auf die Ringmauer. Auf deren Umlauf kam er in die Freistätte von St. Johann, wo er einen der ausgebrochenen Balken im Chor zum Danke niederlegte. Nachdem er sich einige Tage da aufgehalten, gelang es ihm, abends während eines starken Gewitters, über die Ringmauer aus der Stadt zu kommen. Stracks begab er sich vor das feste Schloß Kusenberg und belagerte allein es so lange, bis es sich an ihn ergeben mußte.