Märchen & Sagen aus dem Lande Baden und der Umgebung. Bernhard Baader
daß das Volk nicht bedenkt, welche unwürdigen Handlungen es Gott darin beilegt.
94. St. Jakob bei Wolfach.
Im Bergwald bei Wolfach hörten Hirtenbuben mehrmals einen schönen Gesang. Sie forschten ihm endlich nach und fanden in einer Tanne ein kleines, singendes Standbild des heiligen Apostels Jakob des Größern. Wegen dieses Wunders ward auf dem Platz eine Kapelle erbaut, bei welcher ein Waldbruder sich ansiedelte. In derselben steht jetzt das Standbild auf dem rechten Seitenaltar, und im Chore der Stumpf der Tanne mit den Wurzeln im Boden.
95. Spuk und Schatz bei Wolfach.
Auf einem Bergacker bei Wolfach geht nachts ein gespenstiger Priester im Meßgewand um, das Meßbuch unter dem Arm tragend. Einmal erschien er daselbst am hellen Tag einem kleinen Mägdlein und winkte ihm, herbeizukommen; allein das Kind, heftig erschrocken, floh über Hals und Kopf von dannen.
Die Eigenthümerin des Ackers fand einst darauf viele Glasscherben von allerlei Farben beisammen liegen und steckte für ihre Kinder mehrere zu sich. Als sie sie zu Hause hervorholte, waren alle in uralte Thaler verwandelt.
Eine andere Frau, welche auf dem Acker ein Häuflein glänzendes Laub erblickt und, weil es so besonders aussah, davon mitgenommen hatte, fand bei ihrer Heimkunft, in der Tasche, statt des Laubes, eben solche Thaler.
96. Benau.
Auf dem Berge der schwarze Bruch ist ein Platz, das Moos genannt, worauf, zur Zeit als das SchappacherThal noch ein See war, eine Stadt NamensBenau stand. Weil ihre Bewohner ein Leben wie die von Sodom führten und ein goldenes Kalb anbeteten, wurde dieselbe durch Gottes Strafgericht in die Tiefe des Berges versenkt. Neun Tage hindurch hörte man das Jammergeschrei der Versunkenen, und niemand war dem Verderben entgangen als der Pfarrer und der Meßner, welche, gerade zur Zeit des Untergangs der Stadt, anderwärts einen Kranken mit den Sterbsakramenten versahen.
Vor dreißig bis vierzig Jahren suchten zwei Männer aus dem Oberwolfacher Stab das goldene Kalb mit Hülfe von Zaubermitteln zu gewinnen. Weil der Bergspiegel ihnen gezeigt hatte, daß es bei dem Goldbrünnlein auf einer eisernen Kiste steht, trieben sie dort einen tiefen Stollen in den Berg. Schon waren sie bis zu dem Kalb gekommen; schon hatte der eine es am Schwanz gefaßt: da bekam er von unsichtbaren Händen solche Schläge, daß er seine Beute auf immer fahren lassen mußte. Bei diesem Schatzgraben hatten er und sein Genosse ihr ganzes Vermögen zugesetzt; außerdem ward, in der Folge, jener stockblind und dieser wahnsinnig bis zur Raserei.
In neuerer Zeit wurden auf dem schwarzen Bruch zwei Benauer Taufsteine ausgegraben. Den einen verwendete ein Hofbauer aus dem Stab Oberwolfach als Schweintrog; da fielen ihm alle Schweine, welche daraus fraßen, weßhalb er ihn eilig fortschaffte und der Johanneskapelle schenkte, die unweit seines Hofgutes steht. Der andere Taufstein war in der nächsten Sägmühle vor die Thüre des Ochsenstalls gepflastert worden; aber der erste Ochs, welcher darüber ging, brach ein Bein, worauf der Sägmüller den Stein ausgrub und auch der erwähnten Kapelle gab.
Auf dem Moos erscheinen in den heiligen Nächten schweifende Lichter; auch werden daselbst Leute vom Weg abgebracht und, oft stundenlang, in der Irre umher geführt.
97. Warnungszeichen.
In der Wildschappacher GrubeFriedrich Christian zeigen sich an Stellen, welche den Einsturz drohen, blaue Lichtlein, oder es klopft dort unsichtbar an das Grubenholz. Den Bergleuten sind diese Warnungszeichen wohl bekannt, und wo eines sich sehen oder hören läßt, wird die Stelle unverzüglich untersucht und gefahrlos gemacht.
98. Der Schlangenhof.
Der Schlangenhof im Schappacher Stabe hat seinen Namen von den Schlangen, welche bei dem ehevorigen1 Hofbauer in größter Menge sich aufhielten. Dieselben füllten Haus und Hof an, steckten in den Betten, Kisten und Kästen und waren im Stall, wo ihr König wohnte, so zahlreich, daß oft die Mägde, bei dem Füttern des Viehs, sie armvollweis aus der Krippe nahmen. Dieser König unterschied sich von den andern Schlangen durch eine schimmernde Krone auf dem Haupte; wenn er den Hof verließ, begleiteten ihn alle Schlangen, gleich wie sie nachher auch sämmtlich mit ihm zurückkehrten. Nicht allein mit dem Vieh, sondern auch mit den Leuten des Hofguts hatten sich die Schlangen ganz befreundet; siewanden sich traulich um dieselben, ließen sie auf sich umhertreten und fraßen mit ihnen aus der Schüssel. Wenn hierbei eine blos Milch und nicht auch Brod wollte, schlugen sie die Kinder scherzhaft auf den Kopf, indem sie ihr zuriefen: »Friß auch Brocken, nicht lauter Brühe!« Niemand fügten die Schlangen ein Leid zu; dagegen durfte auch ihnen keines angethan werden, so lange der Hofbauer am Leben war. Allein nach dessen Tod wollte der neue Gutsbesitzer sie nicht mehr bei sich dulden; er erschoß ihren König, und am nächsten Morgen waren alle auf immer verschwunden. Mit ihnen wich aber auch von dem Hofgute der Segen, welcher, während ihres Dortseins, so reichlich darauf geruht hatte.
Fußnoten
1 So hieß es im Jahr 1836, wo diese Sage mir erzählt wurde.
99. Seemännlein.
In dem Seebenweiher oderGlaswaldsee, der unergründlich ist, hielten vordem sich Seemännlein auf, welche so groß wie Kinder und oben wie Menschen, unten wie Fische gestaltet waren, auch sich unsichtbar machen konnten. Eines derselben war mit den Leuten des Seebenhofs, der drei Viertelstunden weiter unten am Berge liegt, so befreundet, daß es jeden Morgen sie weckte und bis zum Abend bei ihnen blieb, wo es in den See zurückkehrte. Den ganzen Tag schaffte es für sie, besonders lag es der Wartung ihres Viehes ob, das dabei schöner als je gedieh. Uebrigens mußten sie, wenn sie dem Männlein eine Arbeit auftrugen, jedesmal sagen: »Nicht zu wenig und nicht zu viel!« sonst that es entweder viel zu wenig oder viel zu viel. Täglich bekam es auf dem Hofgute sein Frühstück, Mittag- und Nachtessen, das ihm unter die Treppe gestellt werden mußte, wo es, alleinsitzend, dasselbe verzehrte. Obschon sein Anzug, wie sein Schlapphut, stark abgetragen und seine Jacke obendrein verrissen war, hielt es doch stets den Seebenbauer ab, ihm andere Kleidungsstücke anzuschaffen. Endlich aber ließ derselbe im Winter heimlich ein neues Röcklein machen und gab es abends dem Männlein. Da sagte dieses: »Wenn man ausbezahlt wird, muß man gehen; ich komme von morgen an nicht mehr zu euch.« So sehr der Bauer auch versicherte, daß der Rock kein Lohn, sondern nur ein Geschenk sei, konnte er doch das Männlein von seinem Vorsatze nicht abbringen.
Hierüber böse, gab die Magd dem Männlein kein Nachtessen, und es ging mit leerem Magen von dannen. Am andern Morgen fand man vor dem Hause die Magd todt und auf den Kopf gestellt, welcher ganz in dem Boden eingegraben war. Das Seemännlein hat niemals mehr auf dem Seebenhofe sich blicken lassen.
100. Gespenst bei den Hagenbücher Höfen.