Das falsche Paradies. Stefan Bouxsein

Das falsche Paradies - Stefan  Bouxsein


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ja,«, wiegelte Siebels den Kommentar von seinem alten Spezi ab. Sven Fischer, der Journalist, der die Leiche gefunden hatte, ging auf Siebels zu.

      »Hören Sie, Herr Siebels, Sie haben bestimmt noch einige Fragen an mich. Ich würde Sie bitten, mich zunächst gehen zu lassen, damit ich die Fotos auf den PC überspielen und einen kurzen Artikel über den Fall schreiben kann. Wie es aussieht, bin ich der Einzige von der Presse, der von der Sache weiß. Das bringt mir ein bisschen was ein, finanziell gesehen. Und ich habe es leider mehr als nötig.«

      Siebels überlegte einen Moment lang. »Einverstanden. Unter einer Bedingung. Sie erwähnen mit keinem Wort den Spruch auf dem Rücken des Opfers, das bleibt vorerst unter uns.«

      Fischer schaute sich noch einmal die Tote an, die Spurensicherung machte gerade Fotos aus allen erdenklichen Blickwinkeln. »In Ordnung, dann verraten Sie es aber auch nicht an meine Kollegen der schreibenden Zunft.«

      »Wenn es an die Öffentlichkeit soll, dann sind Sie der Erste, der es schreibt. Aber erst wenn ich mein O. K. gegeben habe. Wir sehen Sie dann um 14:00 Uhr auf dem Präsidium, in der Adickesallee. Fragen Sie nach Polizeihauptkommissar Siebels.«

      »Ich werde pünktlich sein«, erwiderte Fischer und machte sich auf den Weg.

      Till sah ihm nachdenklich hinterher. »Könnte dieser Fischer nicht auch der Täter sein?«

      »Möglich wäre es. Aber mein Gefühl spricht dagegen. Ich habe mir aber seine Personalien notiert, als du auf dem Weg hierher warst. Er wird heute Mittag bestimmt kommen. Ob Täter oder nicht. Wenn er der Täter ist, dann ist er ganz schön dreist, wenn nicht, sollten wir mit ihm zusammenarbeiten. Eine Verbindung zum Mörder gibt es nämlich ganz sicher, wenn seine Geschichte stimmt. Und falls wir bis Mittag die ersten Ergebnisse von der Spurensicherung haben, können wir ihm auch schon mal auf den Zahn fühlen.«

      Die beiden Kommissare schenkten ihre Aufmerksamkeit nun wieder der Toten. Sie lag jetzt auf dem Rücken, der Arzt untersuchte sie noch. Körbchengröße 75 C tippte Till in Gedanken. Sie war rasiert. Unter den Achseln, im Intimbereich und an den Beinen. Es war kein Haar auf ihrem Körper zu entdecken. Keine Ringe an den Fingern, keine Halskette, kein Hinweis auf ihre Identität.

      »Was denken Sie, wann wir das Bad öffnen können?«, unterbrach der Bademeister die Gedanken von Steffen Siebels.

      »Das müssen Sie mit den Kollegen von der Spurensicherung klären. Kommt auch darauf an, ob noch etwas Wesentliches gefunden wird.« Siebels zeigte auf den Chef der Spurensicherung. »Kollege Müngersdorf wird Ihnen Bescheid geben, wenn die Spurensuche abgeschlossen ist. Gibt es noch andere Eingänge zum Bad?«

      »Ja, auf der gegenüberliegenden Seite gibt es noch einen Zugang.«

      »Und wie gelangt man nachts am besten ins Bad?«

      »Am einfachsten ist es, an einem der beiden Eingänge über das Tor zu klettern. Am Haupteingang, durch den auch wir hereingekommen sind, ist die Gefahr entdeckt zu werden am geringsten, weil der Parkplatz davor liegt und es nachts stockdunkel ist. Der Seiteneingang liegt an einer kleinen Straße. Nachts fährt dort zwar selten ein Auto vorbei, aber auf der anderen Straßenseite stehen Wohnhäuser. Dort über das Tor zu klettern ist wesentlich ungünstiger, wenn man nicht erwischt werden will. Und auf der Stirnseite«, der Bademeister deutete hinter die Startblöcke am Beckenende, »liegt direkt eine Rollschuhbahn an unserem Gelände. Wenn man von dort ins Bad will, muss man auch noch das Eingangstor an der Rollschuhbahn überwinden. Und auf dieser Seite vom Bad«, der Bademeister deutete mit dem Finger zu dem zehn Meter entfernten Zaun, »fließt hinter dem Zaun die Nidda. Während der Öffnungszeiten versuchen immer wieder mal ein paar Jugendliche, über die Uferböschung zum Zaun zu gelangen. Im Zaun finde ich dann auch ständig Löcher, die wir regelmäßig flicken. Aber nachts in der Dunkelheit macht es keinen Sinn, über die Nidda-Seite ins Bad zu kommen.«

      »Also am wahrscheinlichsten ist es, dass das Opfer und der Täter gemeinsam über das Tor vom Haupteingang in das Bad gelangt sind«, resümierte Siebels.

      »Es sei denn, sie haben sich am Abend den Film im Open-Air-Kino angesehen und sind dann auf dem Gelände geblieben«, warf Till ein.

      »Ja, daran habe ich auch schon gedacht. Aber dann hätten sie wohl einige Stunden im Bad sein müssen, ehe es zum Mord kam. Das halte ich für unwahrscheinlich, ist aber eine Möglichkeit.«

      »Wann war der Film denn zu Ende?« Till schaute fragend zum Bademeister.

      »Genau weiß ich das nicht, ich habe ihn ja nicht gesehen, aber da es um diese Jahreszeit erst nach 21:00 Uhr dunkel wird und der Film erst bei Anbruch der Dämmerung beginnt, endete die Vorstellung wahrscheinlich gegen Mitternacht.«

      »Das wären noch circa vier Stunden bis zur Tatzeit, eine lange Zeit für eine Runde Nachtschwimmen«, überlegte Siebels laut.

      Till sah in das große Schwimmbecken aus Naturstein, das Wasser war klar und stand vollkommen still. Er war schon oft hier zum Schwimmen, aber so ruhig und idyllisch hatte er das Wasser und die Liegewiese noch nie gesehen. Er wäre zu gern hineingesprungen, wäre gern mutterseelenallein in dem großen Becken ein paar Bahnen Schmetterling geschwommen. Die Sonne schien angenehm warm auf seine Haut. Siebels riss ihn aus seinen Träumen.

      »Wir fahren erst mal zum Präsidium. Bis die Jungs mit der Spurensuche fertig sind, kann es noch dauern.«

      Die beiden Beamten reichten dem Bademeister ihre Visitenkarten, falls ihm noch etwas einfallen würde. Till notierte sich die Adresse und Telefonnummer von Neumann, dann verließen sie das Bad. Am Parkplatz trafen sie auf den Mercedes des Bestattungsunternehmens, das die Leiche erst mal in die Gerichtsmedizin transportieren würde.

      Till schwang sich auf seine klobige Gold Wing. Er fuhr über die Stadtautobahn Richtung Miquellallee zum Präsidium, Siebels folgte ihm in seinem BMW.

      2

      Um 9:00 Uhr saßen Siebels und Till an ihren Schreibtischen und diskutierten den neuen Fall.

      »Also Kollege Krüger, erste Zusammenfassung vom neuen Fall, lass einmal hören, was sich im Kopf des Kriminalisten-Genies so abspielt.«

      Till grinste. »Unbekannte Tote im Freibad, eigentlich nackt, sie trägt nur einen String, der ihr in den Kniekehlen hängt. Sie kam wahrscheinlich mit einem Mann für ein kleines Abenteuer ins Schwimmbad, denn mit Gewalt wurde sie bestimmt nicht im Bikini mitten in der Nacht ins Schwimmbad gedrängt. Kein Auto in der Nähe, keine Kleidung, keine Tasche, nichts. Es sei denn, die Spurensicherung findet noch etwas. Der Spruch auf dem Rücken lässt auf einen Mann schließen. Einen Mann, den sie kannte. Wie war der Spruch?«

      »Ich bin eine kleine geile Schlampe.«

      »Da war jemand nicht gut zu sprechen auf die Dame. Ein verschmähter Liebhaber? Ein Weltverbesserer? Ein Moralapostel? Um das zu klären, müssen wir erst einmal ihre Identität aufdecken. Sie war jedenfalls sehr körperbewusst, hat sich an Beinen und Armen sowie im Intimbereich rasiert. Sie wurde erwürgt, von hinten. So, wie wir sie gefunden haben, würde ich wetten, dass er es erst mit ihr auf der Wiese getrieben hat und ihr dann an die Gurgel gegangen ist. Jetzt müssen wir den Bericht von Spurensicherung und Pathologie abwarten. Vergewaltigung oder Schäferstündchen? Mal sehen, ob dieser Journalist noch etwas zu erzählen hat. Vielleicht ist das ja schon unser Mann. Wenn nicht, müssen wir schnellstens ihre Identität aufklären.«

      »Genau, und deshalb darfst du nun auch ermitteln, ob zwischen gestern Abend und jetzt eine passende Vermisstenmeldung reingekommen ist. Und anschließend recherchierst du, ob es schon einmal einen ähnlichen Mord gegeben hat. Suche nach Fällen, bei denen einer Frau mit roter Schrift auf die Haut geschrieben wurde oder der Täter sein Opfer als kleine geile Schlampe tituliert hat.«

      »Wie wäre es, wenn ich als Erstes bei der Telekom überprüfen lasse, wer heute Morgen auf dem Anschluss von Fischer angerufen hat?«

      Siebels zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf seinen jungen Kollegen. »Das wollte ich dir gerade vorschlagen ...« Seine Gestik verriet, dass er daran


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