Das falsche Paradies. Stefan Bouxsein

Das falsche Paradies - Stefan  Bouxsein


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sich die Dinge ereigneten, die ihn in aller Frühe zur Leiche im Brentano-Bad geführt hatten. Fischer berichtete chronologisch, emotionslos und sachlich. Siebels und Till hörten ihm zu, stellten zunächst keine Fragen. Als Fischer mit seinen Ausführungen endete, sahen Till und Siebels sich kurz an. Siebels übernahm nun die Befragung, Till studierte dabei unauffällig jede Reaktion von Fischer.

      »Sie wurden auf dem Handy angerufen, wie viele Leute kennen Ihre Handynummer?«

      »Meine engen Freunde, meine früheren Kollegen, meine Eltern, meine Schwester. Aber da ist mit Sicherheit niemand dabei, der als Täter in Frage kommt.«

      »Sie sind freiberuflich tätig. Wer sind Ihre früheren Kollegen?«

      »Bis vor einem Jahr absolvierte ich bei der F.A.Z. ein Volontariat. Seit dieser Zeit habe ich auch erst ein Handy, von früheren Zeiten kann also niemand meine Nummer haben.«

      »Wir überprüfen gerade, von welchem Anschluss aus Sie heute Morgen angerufen wurden. Sollte sich der Mann noch einmal mit Ihnen in Verbindung setzen, geben Sie uns bitte unverzüglich Bescheid. Wenn wir Glück haben, erwischen wir ihn über seine Telefonnummer.« Siebels schaute Fischer erwartungsvoll an.

      »Selbstverständlich. Kann ich Sie zu jeder Zeit erreichen?«

      »Über die Handynummer bin ich rund um die Uhr erreichbar, ja. Noch lieber wäre es mir, wenn wir Ihre Telefongespräche aufzeichnen könnten. Vom Handy und vom Festnetz. Dazu benötige ich aber Ihre Einwilligung.«

      Fischer schien von diesem Vorschlag etwas irritiert. Er ließ sich einen Moment Zeit mit seiner Antwort. »Wie lange soll das gehen?«

      »Ich weiß es nicht, je nachdem, wie sich der Fall entwickelt. Wir werden natürlich sämtliche Gespräche sofort wieder löschen, es sei denn, unser Mann ist dran.«

      »Gut«, willigte Fischer ein. Der Polizei behilflich zu sein, schien ihm der beste Weg, um weiter an seiner Story arbeiten zu können. Siebels veranlasste das Nötige und ein Spezialist für Abhörtechnik kümmerte sich um Sven Fischer.

      »Was hältst du von ihm?«, fragte Till.

      Siebels schaute aus dem Fenster. »Ich habe den Eindruck, dass er in Ordnung ist. Mal sehen, was wir morgen in der Zeitung von ihm zu Lesen bekommen. Ich kann mir jedenfalls nicht denken, dass er wissentlich mit der Sache zu tun hat. Aber der Täter muss ihn kennen. Und somit ist er bis jetzt unsere einzige Verbindung zum Täter. Wir werden ihn morgen in seiner Wohnung besuchen. Kleiner Überraschungsbesuch. Mal sehen, wie er so lebt. Und dann fühlen wir ihm noch einmal auf den Zahn. Vielleicht hat er ja einen bestimmten Verdacht, den er noch nicht zugeben will. Einen Freund, einen ehemaligen Kollegen, wer weiß. Ist ja auch nicht einfach, jemanden den man kennt, vor der Polizei als Mörder zu verdächtigen.«

      »Und wie geht es nun weiter?«

      »Du wirst dich jetzt Weiterbilden, und zwar in der Rubrik exklusive Damen-Bademode. Finde einfach heraus, wo dieser Bikini verkauft wurde. Vielleicht kennt man dort ja unsere Unbekannte.«

      »Okay, exklusive Damen-Bademode, da bin ich doch ein Kenner. Dann fahre ich jetzt in die City, kleiner Bummel durch die Goethestraße. Ich wollte doch schon immer mal in einer noblen Boutique was Hübsches kaufen, warum also nicht einen Bikini.«

      Gegen 16:00 Uhr stellte Till sein Motorrad an der Hauptwache ab. Der Platz war übersät mit schweren Maschinen. Einige Harleys, Motorräder von BMW, gewöhnliche Straßenmaschinen und jede Menge Motorroller standen auf dem Asphalt und der Chrom glänzte in der heißen Augustsonne. Aber Tills Gold Wing war der absolute Blickfang. Es kamen auch gleich ein paar Biker und bestaunten seine schwere Maschine. Von seinem Gehalt bei der Polizei konnte er sich das Motorrad zwar nicht leisten, aber er hatte einfach großes Glück an der Börse gehabt. 1998 erbte er fünfzigtausend Deutsche Mark von seiner Oma. Sein Bruder, ein Investmentbanker, riet ihm damals, das geerbte Geld am Neuen Markt in Wertpapieren anzulegen. Till hatte keine Ahnung von Aktien, aber er vertraute seinem Bruder. Als er sich Ende 1999 die Kurse wieder einmal anschaute, traute er seinen Augen nicht. Aus seinen fünfzigtausend Mark waren mittlerweile sechshundertfünfzigtausend Mark geworden. Kurz entschlossen rief er seinen Bruder bei der Bank an und beauftrage ihn, sein Aktienpaket zu verkaufen. Sein Bruder wollte ihm das ausreden, doch Till bestand darauf. Mittlerweile markierten die Aktien des Neuen Marktes ständig neue Tiefstände. Doch Till hatte seine Eigentumswohnung, sein Motorrad und noch viel Geld auf dem Konto. Irgendwie hatte er die Gabe, immer alles richtig zu machen. Nur mit seinem Freund und Kollegen Siebels durfte er über seine wunderbare Geldvermehrung nicht reden. Der hatte nämlich einen Großteil seines gesparten Geldes am Aktienmarkt verloren, war nicht rechtzeitig ausgestiegen und wenn jemand in seiner Nähe über Aktien redete, wurde Siebels sehr schweigsam.

      Till schlenderte über die Goethestraße, betrachtete sich die teuren Geschäfte, wo die Frankfurter Prominenz und die weniger Bekannten, aber Wohlbetuchten einzukaufen pflegten. Er betrachtete sich zunächst die Schaufenster links und rechts der Goethestraße. Beim Feinuhrmacher und Juwelier Wempe bestaunte er Uhren von Rolex im Schaufenster. Sämtliche Preise waren vierstellig. Er schlenderte weiter, vorbei an Tiffany, durch das Schaufenster beobachtete er, wie sich ein junges Pärchen Schmuckstücke vorführen ließ. Er ging weiter. Schaute durch die Fenster bei Chanel. Ein Cocktailkleid war dort ausgestellt, er konnte kein Preisschild dazu finden. Im Inneren des Verkaufsraumes warteten zwei elegant gekleidete Damen auf Kundschaft. Ein paar Meter weiter glitzerten die Auslagen in den Schaufenstern von Swarovski. Ein Rolls Royce mit Schweizer Nummernschild parkte am Straßenrand, dahinter stand ein 280er Mercedes SL Cabrio mit offenem Verdeck. Till wechselte die Straßenseite, betrachtete sich die Ladenfenster von Armani und Bogner. Eine Gruppe Japaner stellte sich auf dem Bürgersteig für ein Gruppenfoto vor dem Schaufenster von Gucci auf. Ein Fahrradfahrer fluchte, weil die Asiaten den Radweg versperrten. Till hielt nun Ausschau nach Bademoden und fand auch schnell eine kleine Boutique, die sündhaft teure Dessous und Bikinis im Schaufenster ausstellte. Till trat ein, schaute sich um. Es dauerte nicht lange und eine sehr gepflegt aussehende Dame sprach ihn an, fragte, ob sie ihm behilflich sein könne. Er schätzte die Frau auf Anfang bis Mitte vierzig, sie hatte eine sehr weiche und angenehme Stimme und sah Till neugierig an. In seinen abgewetzten Jeans und seinem T-Shirt mit dem Hard-Rock-Café-Emblem passte er auch nicht in die Landschaft.

      »Ich suche nach einem Bikini für meine Freundin«, stammelte er erst etwas unsicher, doch dann war er schnell Herr der Lage.

      »Es soll etwas ganz Besonderes sein, wir fliegen nämlich nächste Woche nach Frankreich und dort feiert sie ihren Geburtstag. Eine Bekannte erzählte mir, es gäbe eine neue Kollektion von Aubade. Sie meinte, die würden meiner Freundin bestimmt sehr gut gefallen.«

      »Da haben Sie aber Glück.« Die Verkäuferin lächelte Till mit einem bezaubernden Verkäuferlächeln an. Ihre weißen Zähne waren makellos und mussten jedem, der von ihr angelächelt wurde, sofort auffallen.

      »Wir führen diese Kollektion, sehr schöne Stücke sind das.«

      »Haben Sie schon viele davon verkauft?«, erkundigte sich Till. »Ich möchte nämlich nicht, dass wir am Strand liegen und plötzlich taucht dann eine andere Frau im gleichen Bikini auf.« Till lächelte selbstsicher und fühlte sich wie ein versnobter Millionär.

      »Keine Sorge, junger Mann. Bisher sind erst drei Bikinis über die Ladentheke gegangen. Da ist die Wahrscheinlichkeit doch sehr gering, dass sich zwei Frauen am Strand mit dem gleichen Modell begegnen, finden Sie nicht?«

      »Da haben Sie sicher Recht. Kennen Sie die Damen, die sich für diese Bikinis entschieden haben, denn persönlich?«

      Als die Verkäuferin nun doch ihr freundliches Lächeln gegen einen misstrauischen Blick eintauschte, entschied sich Till dafür, ihr die Wahrheit zu sagen. Er zog seine Polizeimarke heraus und erklärte der Frau die Situation, erzählte ihr, dass der Bikini der Toten zur Zeit der einzige Hinweis sei, mit dem die Polizei vielleicht ihre Identität aufklären könne. Dann zeigte er der Dame ein Foto des Opfers. Sie betrachtete das Bild intensiv und Till bemerkte, wie ihre Mundwinkel leicht zuckten.

      »Ja, diese junge Frau kenne ich. Sie hat tatsächlich einen Bikini gekauft. Einen von Aubade.«


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