Das falsche Paradies. Stefan Bouxsein

Das falsche Paradies - Stefan  Bouxsein


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       Wenn du echt bist, dann beantworte bitte meine Mail. Ich bin [email protected]. Wenn du auch nur eine Abzockerin bist, dann lass mich bloß in Ruhe.

      Pieps.

       Und ewig spricht das Band. Ihr könnt mich alle mal, ihr dummen 0190er-Nutten.

      Ende der Durchsagen, Pieps.

      Steffen Siebels und Till Krüger schauten sich ungläubig an.

      »Anscheinend hatte Tanja Niehaus noch einen anderen Namen, Chantal. Es würde mich interessieren, ob sie nur das Band laufen lässt oder ob sie auch Anrufe entgegennimmt.«

      Siebels schaute auf die Webcams. »Wenn die Kamera zum Bett gerichtet ist, wird sie sicher mehr draufhaben, als nur einen Anrufbeantworter. Die Nummer, auf die sich der Anrufbeantworter meldet, ist mit Sicherheit eine 0190er-Nummer. Morgen sollen sich mal die Techniker um den PC kümmern. Da sind bestimmt noch einige interessante Dinge drauf zu finden. Und dann will ich wissen, über welche Rufnummer man auf den zweiten Anrufbeantworter kommt. Jetzt bin ich aber gespannt, was wir hier noch alles vorfinden.«

      Neugierig untersuchten Siebels und Till den Inhalt der Schränke.

      »Die Klamotten sind alle vom Feinsten.« Siebels stand vor einem großen viertürigen Kleiderschrank. Hinter der ersten Tür verbarg sich eine stattliche Anzahl an Sommerkleidern, Miniröcken und Blusen. Siebels holte jedes Teil von der Kleiderstange und betrachtete es eingehend. »Alles sehr sexy und sehr teuer. Die wusste nur zu gut, was Männern gefällt.« Hinter der nächsten Schranktür fand Siebels die Wintergarderobe. Einen Pelzmantel, einen Ledermantel, Hosenanzüge, verschiedene Marken-Sportjacken, Kostüme, teure Jeans. Als er schließlich die dritte Schranktür öffnete, pfiff er leise durch die Zähne. »Schau dir das mal an.«

      Wie zwei kleine pubertierende Jungs standen die zwei Beamten vor den Regalen im Kleiderschrank. Sie waren vollgestopft mit aufreizenden Dessous. String-Tangas, Strapse in Rot, in Weiß, in Schwarz. Büstenhalter in allen erdenklichen Formen und Farben, Büstenheben, Bodys aus durchsichtigem Stoff. Till musterte ein Korsett, Siebels entdeckte in einem Regal ein paar Handschellen, ein paar hohe Lederstiefel und einen schwarzen Seidenschal.

      Till schaute sich amüsiert an, was Siebels alles zum Vorschein brachte. Er selbst hielt einen weißen Slip mit aufwendigen Verzierungen und Rüschen in den Händen. »Na wie praktisch, guck dir das mal an.« Der Slip hatte einen Schlitz im Schritt, durch den Till gerade seinen Finger steckte.

      »Nett«, kommentierte Siebels diese Entdeckung. »Vermutlich sind das die Klamotten von Chantal, der Anrufbeantworter wird nur die Spitze des Eisberges gewesen sein. Jetzt würde ich aber gerne auch noch etwas von Tanja finden, vielleicht im Wohnzimmer.«

      Fachmännisch durchsuchten die beiden die Schränke im Wohnzimmer. Eine Schrankwand aus massivem Mahagoni-Holz beherbergte die privaten Utensilien von Tanja Niehaus.

      »Hier habe ich ihre Gehaltsabrechnungen«, rief Till, der gerade dabei war, die Schubladen zu durchstöbern. »Die gute Chantal arbeitete bei der Deutschen Bank. Aber dort kennt man sie bestimmt nur als Tanja Niehaus und nicht als Chantal.«

      »Bei der Deutschen Bank, na sieh mal einer an. Was hat sie denn verdient?«

      »Unter dem Strich blieben ihr immerhin noch dreitausend Euro im Monat. Nicht schlecht.«

      »Dazu kamen regelmäßig zwischen zweitausend und viertausend Euro monatlich von einer Firma namens phone-tell. Hier habe ich ihre Bankauszüge, schön säuberlich abgeheftet.«

      »Fünftausend bis siebentausend Euro jeden Monat, das ist natürlich eine Stange Geld. Sie konnte sich also ein luxuriöses Leben durchaus leisten. Bleibt nur die Frage, wie legal und wie integer ihr Nebenverdienst bei dieser phone-tell war. Wir sollten uns morgen mit den Kollegen vom K65 unterhalten, vielleicht haben die ein paar Hintergrund-Informationen, wie die Abzocke mit den 0190er-Rufnummern funktioniert.«

      »Wir wissen doch noch gar nicht, ob es eine 0190er-Nummer ist, auf der man Chantal erreichen kann.«

      »Morgen wissen wir es. Und ich gehe jede Wette ein, dass es eine ist. Bleibt nur die Frage, ob sie damit ihren sexuellen Neigungen nachgekommen ist oder ob sie es nur als Tarifgaunerei und Abzocke betrieben hat.«

      Siebels war sich nicht sicher, ob die Kollegen vom K65 zuständig waren oder ob er nicht besser beim K31 nachfragen sollte. Das K31 war für Wirtschaftskriminalität zuständig, das K65 für Milieukriminalität, und zwar im Besonderen für Menschenhandel, Zuhälterei und Prostitution. Früher nannten sich die Beamten vom K65 aber einfach nur Sitte, und das schien Siebels die beste Anlaufstelle zu sein.

      »Schau mal hier.« Till öffnete einen Briefumschlag, den er aus einer Schublade gezogen hatte. Darin befanden sich einige Fotos von Tanja Niehaus, die nun auch Siebels aufmerksam betrachtete. Es waren Aktaufnahmen in Schwarzweiß. Tanja Niehaus präsentierte ihren wohlgeformten Körper in allen erdenklichen erotischen Stellungen. Till betrachtete ein Foto, nicht ohne eine gewisse Erregung zu spüren, auf dem sich Tanja Niehaus mit Zylinder und Frack ablichten ließ. Unter dem Frack trug sie nur ihre nackte Haut, ihre Hände waren in die Hüften gestützt und sorgten dafür, dass der Frack auch nichts vor dem neugierigen Auge des Betrachters verbarg. Auf einem anderen Foto stand sie in einem Park unter einem Baum, bekleidet nur mit hochhackigen Stöckelschuhen und einem Schal um den Hals. Der Stoff des Schals hing zwischen ihren Brüsten und endete knapp über ihrer Scham, die zu einem schmalen Strich rasiert war. Ein weiteres Foto zeigte Tanja Niehaus mit einem Mann, der dicht hinter ihr stand. Er war nicht zu erkennen, seine Stirn lag auf ihrer Schulter. Die Arme des Mannes umfassten Tanja und seine Hände lagen auf ihren Brüsten. Ihre eigenen Hände bedeckten ihre Scham. Auf dem nächsten Foto das gleiche Motiv, nur dass hier die Hände des Mannes ihre Scham und die Hände von Tanja ihre Brüste verdeckten. Siebels betrachtete sich die Rückseiten der Fotos.

      »Schade, kein Hinweis auf einen Fotografen oder auf ein Studio. Würde mich interessieren, wer der Mann auf dem Bild ist.«

      Till wühlte weiter neugierig in den Schubladen. »Hier ist ein leerer Briefumschlag. Der Absender lautet auf Peter und Maria Niehaus, das könnten ihre Eltern sein.«

      »Wie ist die Adresse?«

      »Broßstraße in Frankfurt. Weißt du, wo das ist?«

      »Ja, in Bockenheim, im Diplomatenviertel, in der Nähe vom Grüneburgpark.«

      »In dem Viertel, in dem die türkische Botschaft ihren Sitz hat? Da habe ich mir früher im Streifenwagen nächtelang den Arsch abgefroren. Am schlimmsten war es, als es die kurdischen Krawalle gab. Damals war ich schon drauf und dran, den Job hinzuschmeißen. Wenigstens waren die Türken von der Botschaft sehr nett gewesen. Die haben uns mit warmem Tee bei Laune gehalten.«

      Siebels unterbrach Till in seinen Erinnerungen. »Wie viel Uhr ist es jetzt?«

      »21:45 Uhr.«

      »Okay, dann weißt du ja, wo wir uns in einer Viertelstunde treffen. Die Broßstraße ist nur ein paar Meter von der türkischen Botschaft entfernt.«

      »Weißt du eigentlich, was wir seit heute Morgen schon alles gemacht haben?« Tills Tonfall klang leicht verärgert, er spürte die Müdigkeit, wollte heim. Heim in sein Bett und schlafen.

      »Weiß ich, ich war ja dabei. Aber morgen erscheint der Artikel von Sven Fischer in der Zeitung. Und dazu das Bild von der toten Tanja Niehaus. Wir sollten bei ihren Eltern gewesen sein, bevor sie es aus der Zeitung erfahren. Außerdem müssen sie Tanja identifizieren.«

      »Überredet«, seufzte Till. »Dann aber los jetzt, die Wohnung können wir immer noch auseinandernehmen. Für heute habe ich genug gesehen.«

      Siebels versiegelte die Wohnungstür von Tanja Niehaus. Die zwei machten sich auf den Weg zu der Adresse von Peter und Maria Niehaus.

      Till wurde wieder munter, als er auf seiner schweren Maschine saß und sich die abendliche Sommerluft um die Nase wehen ließ. Auch


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