Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt

Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen - Heinrich Smidt


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und meldete, daß eine Frau sich eingefunden habe, die für die Unschuld Jan Blaufinks zeugen wolle. Sie sei außer Atem und so hinfällig, daß sie sich nicht aufrecht erhalten könne.

      »Das ist die Mutter!« rief Jan erregt.

      »Bringe sie hierher, Detlev,« entschied der Bahnmeister. »Es soll nicht gesagt werden, daß wir einen Mund geschlossen hätten, der für die Unschuld eines Menschen sprechen will. Aha! Da ist sie schon! Hierher, Frau!«

      Jan Blaufink eilte ihr entgegen und schloß sie in seine Arme.

      »Um meinetwillen kommst du?«

      »Ja, um deinetwillen«, sprach Frau Rosmarin. »Sie hatten mich im Gedränge von deinem Arm gerissen; allein ich hörte die schändliche Beschuldigung und wohin man dich brachte. Da raffte ich mich zusammen und bin nun hier, um Zeugnis abzulegen.«

      »Sie würden dir nicht glauben, wenn du es tätest, so wenig, als sie mir glauben würden, wenn ich nicht den klaren Beweis meiner Unschuld führen könnte. Ja, es ist wahr, daß ich über den Kreis, der mir gezogen ward, hinausgeeilt bin, um Spenden für euch zu sammeln. Es ist wahr, daß ich dort diese Frau traf und sie vor Mißhandlungen rettete. Es ist wahr, daß ich sie nach dem Spinnschuppen brachte, wo mir meine Schlafstelle angewiesen ist, und sie mit Speise und Trank erquickte, damit sie sich wieder erhole. Und es ist wahr, daß ich sie nach der Stadt zurückführte und ihr meinen Arm zur Stütze lieh. Aber es ist erlogen, daß ich eure Sammelbüchse mit mir nahm, wie ihr mich beschuldigt. Ehe ich den Gang antrat, habe ich das mir anvertraute Gut sorgfältig geborgen. Die Büchse steht in des Bahnmeisters eigener Kammer, an dem Ort, wo sie immer zu stehn pflegt. Das Siegel, womit sie verschlossen wurde, ehe man mir sie in die Hand gab, ist daran geblieben, und wenn ihr hineingeht, werdet ihr finden, daß es sich so verhält, wie ich gesprochen habe.«

      Diese letzten Worte machten einen unverkennbaren Eindruck aus die Versammlung. Man zischelte untereinander und der Bahnmeister sagte:

      »Wenn das – Nein! Es ist nur eine Finte ...«

      »Es liegt in Eurer Hand, mich abermals Lügen zu strafen, oder an Eurer Bosheit zu ersticken!« sprach Jan Blaufink. »Aber ich darf es fordern und fordere es von Euch, daß Ihr geht und Euch von der Wahrheit meiner Aussage überzeugt.«

      »Das darfst du fordern!« sprach entschlossen der Bahnmeister. »Und es soll alsbald geschehen. Herr Elias Brammer, ich ersuche Ihn, mich zu begleiten, du, Detlev, gehst auch mit, damit ich Zeugen für das habe, was ich finde. Ihr andern rührt euch nicht von der Stelle. Wir kommen gleich zurück.«

      Während die drei sich entfernten, blieb alles still. Jan Blaufink sah sich ruhig im Kreise um und blickte zärtlich auf Frau Rosmarin, die ihn liebkoste.

      Nach einer Viertelstunde kehrten die drei Abgesandten wieder. Herr Elias Brammer war etwas außer Fassung und blieb ein Merkliches hinter dem Bahnmeister zurück. Dieser trat in den Kreis und sagte:

      »Wir sind in meine Kammer gegangen und haben dort alles so gefunden, wie er gesagt hat. Die Büchse stand an der gewohnten Stelle; sie ist ganz gefüllt, und das Siegel hat keinen Schaden genommen. Sonach ist Jan Blaufink unschuldig und wir haben uns an ihm schwer vergangen.«

      »Es ist gut, daß Ihr das einseht, und damit bin ich zufrieden,« sagte Jan. »Ihr habt mir sehr weh getan und mir ein großes Herzeleid bereitet, allein es ist vorbei und ich denke nicht mehr daran.«

      »Halt und stopp!« entgegnete der Bahnmeister. »So wohlfeil kommt keiner davon. Wir haben dir ein Unrecht abzubitten und das geschieht hiermit. Ihr alle tut es und auch Herr Elias Brammer ...«

      Man sah sich um. Dieser war nirgends zu finden.

      »Es geht auch ohne ihn,« fuhr der Bahnmeister fort. »Im Namen aller, die hier versammelt sind, sage ich es, daß es uns leid tut, was wir dir getan haben und daß wir jedes gesprochene ehrenrührige Wort zurücknehmen. Damit wirst du zufrieden sein, und nun das geschehen ist, bringe ich ein Hurra für Jan Blaufink aus, in das alle einstimmen müssen. Eins! Zwei! Drei!«

      »Hurra, Hurra, Hurra!« hallte es an allen Enden wider. Jan Blaufink wurde von den Männern und den Jungen, die noch eben über ihn zu Gericht saßen, umringt. Sie schüttelten ihm die Hände und die Freundschaftsbeteuerungen nahmen kein Ende.

      »Und nun, mein Junge,« sprach der Bahnmeister, dessen Herz nach diesem Akt der Gerechtigkeit merklich erleichtert war, »sollst du dein Recht ganz und gar von mir empfangen. Sie hatten schon beschlossen, wenn heute der Meisterschmaus stattfindet, solltest du davon ausgeschlossen sein und was sie sonst noch tun wollten, das sage ich gar nicht; jetzt aber bekommst du deinen Platz nicht bei den andern Radjungen am Seilertisch, sondern du sollst an der Gesellentafel obenan sitzen und die Frau da, der wir auch ein Unrecht taten, sitzt bei dir, und wenn unsere Weiber auch ein noch so schiefes Gesicht dazu machen. Und nachher, wenn wir den Inhalt dieser Büchse teilen und dein Part fällt etwas reichlicher aus, als es sonst geschehen wäre, so wirst du es wohl nicht übel nehmen. Jan, mein Junge, ich sage dir, mir ist leicht ums Herz, daß es so gekommen ist.«

      Er schüttelte dem jungen Burschen die Hand. Dieser umfaßte Frau Rosmarin und ging mit ihr den Bäumen zu, unter denen eine Grasbank zur Ruhe einlud. Seine Kameraden stürmten ihm voran und schrien laut:

      »Da kaam wi mit Jan Blaufink an!«

       Inhaltsverzeichnis

      Die Regenwolken zerstreuten sich und es gab Sonnenschein. Der Tag, der so verhängnisvoll begann, endete in Lust und Freude. Die arme, vergessene Schauspielerin saß mit ihrem jungen Retter an dem obern Ende der Tafel und war der Gegenstand des allgemeinsten Wohlwollens. Die ehrlichen Burschen wollten wieder gutmachen, was sie in ihrem Eifer verschuldeten. Man nickte ihr zu, und sprach vertrauliche Worte mit ihr. Den Jan behandelten die Gesellen als einen ihresgleichen und der Bahnmeister brachte seine Gesundheit aus. Der Baas der Werft hatte von dem Vorfall gehört. Er ließ den Radjungen zu sich rufen, lobte ihn und gab ihm ein reiches Geschenk. Als der Inhalt der Büchse verteilt wurde, steckte der Bahnmeister ihm seinen Anteil in die Tasche und sagte:

      »Nun gehe mit deiner Alten nach Hause und lasse es dir bei ihr ein paar Tage wohl sein. Ich will es bei dem Baas vertreten. Nach einer ungewöhnlichen Arbeit muß auch eine ungewöhnliche Ruhe stattfinden. Wenn du wiederkommst, nimm dich tüchtig zusammen, dann soll es mit dem Radjungen nicht lange dauern.«

      So waren Jan Blaufink und Mutter Rosmarin bei Jungfer Mewes auf dem Saal angelangt. Diese hatte gerade eine gute Stunde. In ihrem Kalender stand Sonnenschein, und die mancherlei guten Gaben, welche vor ihr ausgekramt wurden, steigerten die heitere Laune so sehr, daß sie bei Empfangnahme der rückständigen Miete und des Kostgeldes sagte: »Einen solchen braven Burschen gibt es nicht mehr auf der Welt. Bleibe, solange du willst; ich störe euch nicht und ihr sollt in der Wohnung wirtschaften, ganz nach euerm Belieben.«

      Die beiden machten von dieser Erlaubnis den bescheidensten Gebrauch. Sie saßen einander gegenüber und plauderten von vergangenen Dingen und von künftigen. Sie bauten Luftschlösser, die nach wenigen Augenblicken zusammenstürzten, um neuen Platz zu machen, die hoch emporragten, um alsbald wieder zu verschwinden.

      Seit einiger Zeit war es eigentlich nur Jan, der sich die Mühe gab, die seltsamsten Dinge zu ersinnen und alles vorzutragen, was wie ein ungewisses Etwas in seiner Seele brütete. Frau Rosmarin war nachdenklich geworden. Sie sah ihren jungen Freund unverwandt an; allein sie hörte nicht auf das, was er sprach. Ihre Gedanken waren weit von dieser Stätte. Sie schweiften in eine vergangene Zeit zurück und riefen Bilder in ihr wach, welche sie in eine wehmütige Trauer versetzten.

      Obgleich von der Gegenwart und ihrem Glanze vollständig erfüllt, mußte Jan doch endlich bemerken, was mit Frau Rosmarin vorging. Er hielt inne mit sprechen, ohne daß ihr dies aufgefallen wäre, und sagte:

      »Mutterchen, was ist dir? Du läßt den Wein verdampfen, den ich dir einschenkte? Du hörst nicht auf das, was ich dir erzähle, und als ich zu sprechen


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