Dr. Norden (ab 600) Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Norden (ab 600) Staffel 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg


Скачать книгу
dabei nicht bedacht, daß die Baronin ihren einzigen Sohn verloren hatte, kurz nachdem ihr Mann gestorben war.

      Jetzt wurden Michelle die Worte ›niemand soll uns trennen, mein Liebling‹ bewußt, die ihre Mutter so oft gesagt hatte.

      Jetzt schien es ihr gleichgültig zu sein, wie sie ihr Leben gestaltete, sie war ja nicht mehr einsam. Ihr war es wohl auch egal, welche Erfahrungen Michelle mit Männern machte. Michelle nahm es ihr nicht übel. Sie war erwachsen und froh, über sich selbst bestimmen zu können, ohne daß ihr hineingeredet wurde, so gut Madeleine es auch gemeint haben mochte.

      Sie dachte nun doch über Denis nach. Guter Gott, wie unerfahren und gutgläubig sie gewesen war! So stolz, daß er sich um sie bemühte. Aber er hatte sich ja gar nicht zu bemühen brauchen, sie hatte ihn angehimmelt, ohne je den leisesten Zweifel zu haben, daß er genauso verliebt in sie war. Aber dann war die jähe Ernüchterung gekommen, als sie ihn mit der Blondine sah, die ein teures Cabrio fuhr und im teuersten Hotel wohnte. Sie hatte es ihm vorgeworfen, aber er hatte gesagt, sie solle sich nicht so anstellen, sie könne doch auch mit anderen Männern ausgehen, anstatt dauernd ihm nachzulaufen.

      Das war beleidigend gewesen, weil es so nicht stimmte. Sie hatte nur mehr in ihn hineingeheimnist, als vorhanden war. Für ihn war sie nur ein Flirt gewesen, ein heißer Flirt, der nicht hielt, was er versprach.

      Jetzt kam er wieder, als wäre nichts geschehen, aber sie durchschaute ihn. Sie hatte eine Großmama, eine Baronin, von der er wohl annahm, daß sie reich war. Er dachte, daß ihr die Türen zu den besten Kreisen geöffnet würden. Er ahnte sicher nicht, daß ihr das überhaupt nicht wichtig war, sondern allein die Tatsache zählte, daß sie zu einem Menschen gehen konnte, der ihr Liebe geben wollte. Das waren keine Träume, da sie von Daniel Norden wußte, was Viktoria von Giebingerode es sich kosten ließ, sie zu finden.

      Sie hatte das Geld nicht annehmen wollen, das Dr. Norden ihr geben wollte, damit sie sich noch kaufen konnte, was sie sich wünschte und auch den Flug nicht aus eigener Tasche bezahlen mußte.

      Aber er hatte ihr lächelnd gesagt, daß die fünfzigtausend Euro auch für die Suche hätten draufgehen können und es so viel besser sei.

      Sie war nicht etwa in Armut aufgewachsen. Wenn Madeleine auch rechnen mußte, sie hatten nie Not leiden müssen. Michelle hatte immer hübsche Kleider getragen und gute Schulen besucht. Aber großzügig hatte Madeleine nie mit Geld umgehen können. Michelle hatte auch von ihrer Mutter nichts mehr angenommen, nachdem sie geheiratet hatte. Es war Claudes Geld, von dem ihre Mutter lebte.

      Es war schon eigenartig, was ihr jetzt alles durch den Kopf ging.

      Es wurde ihr bewußt, wie sehr sich in den letzten Jahren ihre Persönlichkeit entwickelt hatte. Vielleicht war sie etwas zu realistisch geworden, zu kritisch, aber schaden konnte das nicht. Wenn ihr wirklich der richtige Mann begegnen würde, kamen die Gefühle wohl von selbst, die zu einer echten Partnerschaft gehörten.

      Aber sie wollte keinen Träumen nachjagen, sie wollte es nur genießen, ihre Großmama kennenzulernen.

      *

      Die Baronin war nicht untätig in diesen Tagen. Sie hatte einen Anwalt kommen lassen, um ein neues Testament zu machen.

      Dr. Marc Clementis war ein sehr sympathischer junger Mann, offen und sachlich, ohne kühl zu wirken. Er gewann ihr Vertrauen schnell, wenngleich er auch sagte, daß sie dieser fremden jungen Dame nicht gleich zu großes Vertrauen schenken solle. Er sah es als Jurist, da er nun wußte, daß es um ein beträchtliches Vermögen ging.

      »Ich bin alt, Michelle ist jung«, sagte die Baronin. »Sie hat ihr Leben noch vor sich, sie soll etwas mit dem Geld anfangen, das ich doch nicht mehr ausgeben kann. Es ist doch besser, die Tochter meines Sohnes bekommt es, als daß es in eine Stiftung fließt. Man weiß nie, wer da in seine eigene Tasche wirtschaftet.«

      Diesbezüglich mußte ihr Dr. Clementis recht geben, denn er hatte schon erlebt, wie unseriös Nachlaßpfleger sein konnten.

      »Michelle wird hier nicht wohnen können«, sagte die alte Dame. »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie ihr helfen würden, eine entsprechende Wohnung in der Nähe zu finden. Sie soll monatlich über fünftausend Euro verfügen können und damit auch ihren Lebensunterhalt bestreiten. Sie war bisher als Hotelfachfrau tätig, aber es könnte sein, daß sie sich weiterbilden möchte in einer anderen Richtung. Natürlich möchte ich soviel wie möglich mit ihr zusammensein, aber sie soll nicht das Gefühl haben, daß sie unter Zwang steht.«

      »Sie ist fünfundzwanzig, vielleicht gibt es einen Mann in ihrem Leben, mit dem sie leben will«, sagte er mit sanfter Warnung.

      »Dr. Norden hat mir gesagt, daß sie ungebunden ist und es keinen Mann gibt. Natürlich soll sie meinetwegen auf ein ganz privates Glück nicht verzichten. Ich werde über alles mit ihr sprechen, aber ich möchte diese Bestimmungen vorher festlegen, weil sie davon nichts mitbekommen soll. Sie werden auch nicht darüber sprechen, daß sie meine Haupterbin sein soll.«

      »Das ist selbstverständlich, Baronin.«

      »Da ich aber in einem Alter bin, in dem eventuell schnell adieu gesagt werden muß, wäre es eine Beruhigung für mich, wenn Michelle sich in rechtlichen Dingen voll auf Sie verlassen könnte. Haben Sie Familie?«

      »Nein. Meine Eltern leben nicht mehr. Ich habe also keine persönlichen Verpflichtungen, die mich beanspruchen, denn eine Familie sollte immer Vorrechte genießen.«

      »Das ist eine sehr vernünftige Einstellung. Ich denke, wir verstehen uns. In meinem Alter ist es immer etwas schwierig, sich an neue Gesichter zu gewöhnen. Es wird mir bewußt, wie viele ich überlebt habe, die jünger waren als ich.«

      »Freuen Sie sich darüber, daß Ihr Geist noch so wach ist«, sagte er, und in seiner Stimme klang Bewunderung.

      »Jetzt möchte ich gern noch leben. Als ich erfuhr, daß ich ein Enkelkind habe, haderte ich mit dem Schicksal, daß es mir vorenthalten wurde. Dann wurde mir bewußt, daß mein Sohn es verhindert hatte, weil er nicht mit mir darüber sprach, sei es nun aus falscher Rücksichtnahme, oder weil ihn Zweifel bewegten. Es war für mich nicht einfach zu begreifen, daß es da eine Frau gab, die ihn geliebt, sich auf das Kind gefreut hatte. Er war kurz zuvor bei mir gewesen und hatte nichts gesagt. Aber das darf Michelle nie erfahren. Es sollen in ihr keine Zweifel an ihrem Vater aufkommen. Mein Gott, jetzt komme ich ins Reden, und Sie haben sicher noch etwas anderes zu tun.«

      »Ich höre Ihnen gern zu und hoffe sehr, daß alles so kommt, wie Sie es sich vorstellen. Ich werde bemüht sein, die Interessen der jungen Dame zu vertreten, wenn es nötig sein wird.«

      »Es ist niemand da, der ihr etwas streitig machen könnte. Ich muß ehrlich gestehen, daß ich meinem Erbe auch nicht gewachsen gewesen wäre, hätte ich nicht zuverlässige Vertrauenspersonen um mich gehabt.«

      »Haben Sie sich deshalb in dieses Seniorenheim zurückgezogen?« fragte er zögernd.

      »Ich hatte ein großes Haus, ein zu großes Haus und brauchte viel Personal. Das wurde immer schwieriger, und es kostete auch viel Geld. Manche mochten mich wohl für senil halten und hintergingen mich. Als ich das merkte, zog ich es vor, mich um diese Wohnung zu kümmern. Sie ist doch wunderschön, ich werde bestens versorgt und brauche mich um nichts zu kümmern. Ich habe auch nie das Gefühl, eingesperrt zu sein, da mir alle Möglichkeiten offenstehen, in die Stadt zu fahren, ins Theater oder Konzert zu gehen. Ich bin kein Pflegefall.«

      »Das Haus haben Sie verkauft?«

      »Nein, vermietet an eine Behörde, dafür werde ich dann auch mit Opern- und Theaterkarten bedacht, die sonst schwer zu bekommen sind. Allerdings mache ich selten Gebrauch davon. Ich setze mich lieber mal vor den Fernsehapparat oder höre Radio, auch mal eine CD. Man kann sich das Leben schön machen. Ich will auch nicht, daß Michelle nun meint, ständig um mich sein zu müssen. Ich möchte ihr bieten, was sie bisher vermissen mußte.«

      »Verwöhnen Sie sie nicht zu sehr, das ist auch nicht gut.«

      »Sie sind ein Skeptiker«, sagte die Baronin anzüglich.

      »Ich


Скачать книгу