Ausgewählte Werke von Arthur Schnitzler (76 Titel in einem Band). Артур Шницлер

Ausgewählte Werke von Arthur Schnitzler (76 Titel in einem Band) - Артур Шницлер


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Erstaunen aus.

      »Durchaus nicht.«

      »Felician, ich bitte dich, sei aufrichtig!«

      »Weißt du, in solche Geschichten soll man niemandem drein reden, auch seinem Bruder nicht.«

      »Aber wenn ich dich bitte, Felician. Mir komme vor, als gefiele dir irgend etwas an der Geschichte nicht.«

      »Ja, siehst du Georg… du wirst mich ja nicht mißverstehen… ich weiß natürlich, daß du nicht daran denkst, sie im Stich zu lassen, im Gegenteil, ich bin sogar überzeugt, daß du dich in jeder Beziehung viel nobler benehmen wirst, als irgendein Mensch an deiner Stelle. Aber, die Frage ist doch eigentlich die: hättest du dich in die Sache eingelassen, wenn du dir die Folgen nach allen Seiten hin überlegt hättest?«

      »Ja das ist freilich schwer zu beantworten«, sagte Georg.

      »Ich meine ganz einfach: Hast du die Absicht gehabt… nicht sie zu deiner Lebensgefährtin zu machen, aber ein Kind mit ihr zu haben?«

      »Gott, wer denkt daran? Wenn man es so absolut hätte vermeiden wollen –.«

      Felician unterbrach ihn. »Weiß sie, daß du nicht daran denkst, sie zu heiraten?«

      »Na du glaubst doch nicht, ›ich hab ihr ‘s heiraten versprochen‹.«

      »Nein. Aber das Sitzenlassen doch auch nicht.«

      »Das wäre gerade so eine Unaufrichtigkeit gewesen, Felician. Es ist gekommen, wie derartige Dinge eben zu kommen pflegen, hat sich alles ganz ohne Programm entwickelt, bis auf den heutigen Tag.«

      »Ja das ist recht schön. Es ist nur die Frage, ob man nicht in wichtigen Lebensdingen zu Programmen gewissermaßen verpflichtet ist.«

      »Möglich… Aber das war ja meine Sache nie, leider…«

      Felician blieb vor Georg stehen, machte ein liebes Gesicht und nickte ein paarmal. »Das ist schon wahr, Georg. Du bist doch nicht bös… aber weil wir schon einmal davon sprechen… ich maße mir natürlich nicht das Recht an, dir in deine Lebensführung dreinzureden…

      »Red nur, Felician… wirklich… es tut mir geradezu wohl…« Er strich ihm leise über die Hand, die auf der Diwanlehne lag.

      »Na ja, es ist weiter nicht viel zu sagen. Ich meine nur, daß es in allen Dingen bei dir so ist… so ein Mangel an Programm. Siehst du, um von einem andern wichtigen Punkt zu reden, ich für meinen Teil bin ja überzeugt von deinem Talent und viele andre auch. Aber du arbeitest doch eigentlich verflucht wenig, nicht? Und von selbst kommt der Ruhm ja doch nicht, selbst wenn man…«

      »Gewiß nicht. Aber so wenig wie du glaubst, arbeit ich durchaus nicht, Felician. Nur ist ja das Arbeiten bei unsereinem so eine eigentümliche Geschichte. Manchmal beim Spazierengehen, ja sogar im Schlaf fällt einem allerlei ein… Und dann im Herbst…«

      »Na ja, hoffen wir, obzwar ich fürchte, von deiner Gage wirst du anfangs nicht leben können. Und wie lange dein bissel Geld reichen wird, bei deiner Art zu leben, das ist sehr die Frage. Ich sag dir aufrichtig, wie du mir früher die Summe genannt hast, die du deinem Kind hinterlassen könntest, hab ich einen förmlichen Schrecken gekriegt.«

      »Hab nur Geduld, Felician. In drei Jahren oder fünf, wenn ich meine Oper fertig hab…«, er sagte es in selbstironisierendem Tone.

      »Schreibst du wirklich an einer Oper, Georg?«

      »Nächstens fang ich an.«

      »Wer macht dir denn den Text?«

      »Der Heinrich Bermann. Da machst du natürlich wieder ein Gesicht.«

      »Lieber Georg, was deinen Verkehr anbelangt, bin ich immer weit davon entfernt gewesen, dir dreinzureden. Es ist ganz natürlich, daß du bei deiner geistigen Richtung in andre Kreise kommst als ich und mit Leuten umgehst, an denen ich vielleicht weniger Geschmack fände. Aber, wenn der Text von Herrn Bermann nur schön ist, so hast du meinen Segen… und der Herr Bermann natürlich auch.«

      »Der Text ist noch nicht fertig, nur das Szenarium.«

      Felician mußte wider Willen lachen. »So siehts mit deiner Oper aus? Wenn nur das Theater schon gebaut ist, für das sie dich als Kapellmeister engagieren.«

      »Na«, sagte Georg etwas beleidigt.

      »Verzeih«, entgegnete Felician. »Ich zweifle wirklich nicht an deiner Zukunft. Ich möcht halt nur, daß du selber ein bißchen mehr dazu tätest. Ich wär ja so… wirklich Georg, stolz wär ich, wenn was Großes aus dir würde. Und es liegt ja gewiß nur an dir. Der Willy Eißler, der doch ein sehr musikalischer Mensch ist, hat mir erst neulich wieder gesagt, daß er von dir mehr hält, als von den meisten jüngern Komponisten.«

      »Wegen der paar Lieder, die er von mir kennt?

      »Ja er findet sie eben hervorragend. Auf die Masse kommts doch nicht an.«

      »Du bist ein guter Kerl, Felician. Aber du brauchst mich wirklich nicht zu ermutigen. Ich weiß schon, was in mir steckt, nur fleißiger muß ich halt sein. Und die Reise wird sehr wohltätig auf mich wirken. So auf eine Zeit aus der gewohnten Umgebung herauskommen, das tut sehr gut. Das ist diesmal was ganz anderes, als im vorigen Jahr. Es ist ja das erstemal, Felician, daß ich mit einem Wesen zusammen bin, das vollkommen auf meinem Niveau steht, das mir mehr… das mir wahrhaftig auch eine Freundin ist. Und das Bewußtsein, daß ich ein Kind haben werde, und grad mit ihr, das ist mir, trotz aller Begleitumstände, eher angenehm.«

      »Das kann ich mir schon denken«, sagte Felician und betrachtete Georg ernst und liebevoll.

      Die Uhr auf dem Schreibtisch schlug zwei.

      »O, schon so spät«, rief Felician. »Und morgen früh muß ich packen. Na, morgen bei Tisch können wir noch über allerlei reden. Also, grüß dich Gott Georg.«

      »Gute Nacht, Felician. Ich danke dir«, setzte er bewegt hinzu.

      »Wofür dankst du mir, du bist komisch Georg.« Sie reichten sich die Hände, und dann küßten sie einander, was schon seit langer Zeit nicht geschehen war. Und Georg beschloß, sein Kind, wenn es ein Knabe sein sollte, Felician zu nennen, und er freute sich der guten Vorbedeutung im Glücksklang dieses Namens.

      Nach des Bruders Abreise fühlte sich Georg so verlassen, als hätte er nie einen andern Freund gehabt. Der Aufenthalt in der großen, einsamen Wohnung, wo ihm eine ähnliche Stimmung zu lasten schien, wie in der ersten Zeit nach dem Tode des Vaters, machte ihn beinahe traurig.

      Die Tage, die noch bis zur Abreise verstreichen mußten, empfand er als Übergangszeit, mit der nichts rechtes mehr anzufangen war. Die Stunden mit der Geliebten im Zimmer der Kirche gegenüber wurden farblos und öde. Mit Anna selbst schien nun auch seelisch eine Veränderung vorzugehen. Sie war manchmal reizbar, dann wieder schweigsam, fast melancholisch, und oft überkam Georg im Zusammensein mit ihr eine solche Langeweile, daß ihm vor den nächsten Monaten, in denen sie ganz aufeinander angewiesen sein sollten, geradezu bange wurde. Wohl versprach die Reise an sich Abwechslung genug. Aber wie sollte es in den spätern Monaten werden, die man ruhig irgendwo in der Nähe Wiens zu verbringen genötigt war? Er mußte auf eine Gesellschaft für Anna bedacht sein. Noch zögerte er mit ihr davon zu sprechen, als Anna selbst ihm mit einer Neuigkeit entgegenkam, die jene Schwierigkeit und zugleich eine andre auf die einfachste Weise zu beheben geeignet war. In der letzten Zeit, insbesondere seit Anna ihre Lektionen allmählich aufgegeben, hatte sie sich Theresen wieder näher angeschlossen, ihr alles anvertraut; und so war bald auch Theresens Mutter mit im Geheimnis. Diese nun kam Anna gütiger entgegen als die eigene Mutter, die nach einem kurzen Aufflackern des Verständnisses sich von der schuldigen Tochter gekränkt und schwermütig abgeschlossen hatte. Frau Golowski erklärte sich nicht nur bereit bei Anna auf dem Lande zu wohnen, sondern versprach auch, das kleine Haus, das Georg nicht hatte entdecken können, während das junge Paar fern war, ausfindig zu machen. So sehr diese Bereitwilligkeit Georgs Bequemlichkeit entgegenkam, es war ihm doch ein wenig peinlich, dieser fremden, alten Frau verpflichtet zu sein; und daß gerade sie, die Mutter Leos, und der Vater Bertholds


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