Dr. Laurin Staffel 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Laurin Staffel 3 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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du allein?« fragte er.

      »Ja. Meine Mutter ist vor einem halben Jahr gestorben.«

      »Du hast sonst niemanden?«

      Ihre Hand legte sich an seine Wange, und gedankenverloren sagte sie: »Heute hatte ich dich, Benedikt.«

      Mit einem leisen Stöhnen zog er sie an sich. »Laß mich bei dir bleiben, Mirja«, bat er. »Vielleicht kann ich dir dann alles sagen.«

      Sie neigte nach einem kurzen Zögern zustimmend den Kopf und reichte ihm ihre Hand.

      Seine Finger waren kühl, und sie erschrak, als sie auf diese schmale Hand blickte, die wachsbleich war.

      »Bist du krank, Benedikt?« fragte sie verhalten.

      Seine Finger lösten sich. »Wenn ich es wäre, schickst du mich dann fort?« fragte er tonlos.

      »Nein, dann erst recht nicht.«

      *

      Die Haustür war nicht abgeschlossen, im Treppenhaus brannte Licht. Mirja, die noch nie einen Mann mit in ihre Wohnung genommen hatte, sah sich nach Benedikt um. Aber er blickte wie erstarrt auf die Wohnungstür der Hankes, die einen Spalt offenstand.

      Mirja folgte seinem Blick und unterdrückte einen Aufschrei.

      Sie klammerte sich angstvoll an Benedikt, der sie aber sanft zur Seite schob und behutsam versuchte, die Tür weiter zu öffnen. Es bereitete ihm große Mühe, denn der Körper von Lilly Hanke lag dicht davor.

      Mirja kniete nieder und fühlte den Puls der jungen Frau.

      »Sie lebt«, flüsterte sie. »Ich rufe die Prof.-Kayser-Klinik an.«

      Sie lief die Treppe hoch zu ihrer Wohnung.

      Sie wußte nicht, was sie in diesen Sekunden alles dachte. Ihre Finger bebten, als sie die Nummer der Prof.-Kayser-Klinik wählte. Die Nachtschwester meldete sich, begriff nicht gleich und holte auf Mirjas flehentliche Bitte Dr. Thiele an den Apparat.

      »Ja, ich schicke sofort den Ambulanzwagen«, sagte er.

      Die Minuten wurden zur Ewigkeit. Dann hielt der Wagen vor der Tür. Die Sirene hatte er nicht gebraucht auf der Fahrt durch stille Straßen.

      Dr. Uhl von der Chirurgischen Station begleitete den Sanitäter. »Das wird aber höchste

      Zeit«, stellte er nur wortkarg fest. »Kommen Sie mit, Frau Rickmann?«

      »Wir kommen nach«, sagte sie rasch und sah Benedikt bittend an.

      *

      Sie fuhren hinter dem Sanitätsauto her. »Es tut mir leid, daß der Abend so endet«, sagte Mirja mit gepreßter Stimme.

      »Es hätte noch schlimmer kommen können, aber noch ist er nicht zu Ende«, erwiderte er rätselhaft.

      »Du brauchst nicht zu bleiben«, sagte sie, als sie vor der Prof.-Kayser-Klinik hielten.

      »Du doch auch nicht. Ich bringe dich wieder nach Hause. Hoffentlich kann sie gerettet werden.«

      Es sah nicht gut aus für Lilly Hanke, wie Mirja bald von Schwester Irma erfuhr, die Dr. Sternberg telefonisch herbeigerufen hatte.

      Dr. Uhl hatte Lilly Hankes Magen bereits ausgepumpt, bis Dr. Sternberg eintraf, der Mirja irritiert musterte.

      »Sie wohnt bei mir im Haus«, erklärte Mirja. »Wir haben sie gefunden.«

      ›Wir‹ hatte sie gesagt. Dr. Sternbergs Blicke wanderten zu Benedikt Arnold. Seine klugen Augen bekamen einen wachsamen Ausdruck.

      »Und was fehlt Ihnen?« fragte er.

      Mirja wandte sich zu Benedikt um.

      Er lehnte schwer atmend an der Wand. Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn.

      »Benedikt!« rief sie angstvoll aus.

      *

      »Alarm auf der Chirurgischen«, sagte die Nachtschwester zu Dr. Thiele. »Sie möchten bitte sofort kommen. Zwei schwere Fälle.«

      »Gleich zwei? Na, hoffentlich geht hier alles glatt«, murmelte er und setzte sich eilends in Bewegung.

      Bis er hinüberkam, lag Benedikt Arnold schon unter dem Sauerstoffzelt. Mirja hockte auf einem Stuhl daneben, das Gesicht in den Händen vergraben.

      »Wußten Sie nicht, daß Ihr Freund schwer krank ist, Mirja?« fragte Dr. Sternberg behutsam.

      Sie schüttelte den Kopf. »Ich kenne ihn noch nicht lange«, flüsterte sie. »Jetzt verstehe ich manches.«

      »Was verstehen Sie?«

      »Er hat so seltsame Andeutungen gemacht. Was fehlt ihm?«

      »Das kann ich noch nicht sagen. Ich muß ihn gründlich untersuchen. Jedenfalls kann ihm der Umstand, daß er sich gerade hier

      befand, das Leben gerettet haben.«

      »Helfen Sie ihm. Bitte, helfen Sie ihm. Es hängt soviel für mich davon ab«, flüsterte Mirja.

      »Er erholt sich schon etwas«, sagte Dr. Sternberg beruhigend.

      Scharf zeichnete sich Benedikts Gesicht von dem weißen Kopfkissen ab. Sein Atem ging flach und unregelmäßig.

      Mirja vermeinte seine Stimme zu hören: »Würdest du mich dann wegschicken?«

      *

      »Das schlimmste ist, daß sie schwanger ist«, sagte Dr. Uhl zu seinem Kollegen Thiele. Er meinte Frau Hanke.

      »Im wievielten Monat?« fragte Dr. Jan Thiele.

      »Das ist dein Gebiet«, sagte Dr. Uhl. »Sie wird das Kind kaum behalten.«

      »Vielleicht wollte sie es nicht haben. Frauen machen die verrücktesten Dinge, wenn sie sich keinen Rat mehr wissen.«

      Lilly Hanke konnte sich dazu noch nicht äußern. Ihr Leben hing wahrhaft an einem hauchdünnen Faden.

      »Sie stritten dauernd«, sagte Mirja geistesabwesend. »Ich meine Frau Hanke und ihr Mann. Es war unüberhörbar… Wir waren im Konzert, und als wir heimkamen, haben wir sie gefunden.«

      Als wir heimkamen – wie das klang! Aber es war ihr gleichgültig, was man jetzt dachte. Für ein paar Stunden hatte sie Benedikts Leben geteilt, und vielleicht mußte sie ihr weiteres Leben davon zehren. Sie fühlte sich ihm verbunden. Jetzt mehr als zuvor.

      »Du bist ein Wunder, Mirja.« Wie zärtlich er es gesagt hatte. Festhalten wollte er sie, als ahne er, daß es nur für eine ganz kurze Spanne Zeit sein könne.

      Nein, dachte sie verzweifelt, warum sollte ihm nicht zu helfen sein?

      Dr. Sternberg setzte sich neben sie. »Welche Auskünfte können Sie mir über Ihren Freund geben, Mirja?« fragte er sanft.

      »Er heißt Benedikt Arnold. Sonst weiß ich nichts«, erwiderte sie tonlos.

      »Sind Sie fähig, ein paar Röntgenaufnahmen von ihm zu machen?«

      Sie nahm alle Kraft zusammen. »Ja.«

      *

      Frau Hanke war zur Gynäkologischen Abteilung gebracht worden, Benedikt in den Röntgenraum. Mirja hatte ihren Kittel angezogen und kaltes Wasser über Gesicht und Hände laufen lassen. Es war schwer, alle Gedanken und Gefühle auszuschalten, wenn es um das Leben eines Menschen ging, der einem viel bedeutete. Benedikt war noch bewußtlos, aber er stöhnte leise, kaum vernehmbar.

      Mirja beugte sich zu ihm hinab.

      »Benedikt«, sagte sie leise, aber eindringlich.

      Dr. Sternberg betrachtete sie forschend. Sie würden sich noch nicht lange kennen, hatte Mirja gesagt, und sie war ein Mädchen, das man bisher nie mit einem Mann gesehen hatte. Aber wie sie diesen Namen aussprach, fühlte er, daß Zärtlichkeit, Wehmut und Angst in ihrer Stimme waren. Wenn es einen Menschen gab, der die Tiefe


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