IRONCUTTER - Die Geheimnisse der Toten. David Achord

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Monat achtzehn geworden. Du würdest sie nicht wiedererkennen.«

      Ich nickte. Wir waren zusammen Streife gefahren, hatten uns aber aus den Augen verloren, als man mich zur Mordkommission versetzt hatte. Wahrscheinlich hätten wir uns mehrere Stunden über die alten Zeiten unterhalten können, doch im Moment fiel mir irgendwie so gar nichts ein, was ich sagen könnte. Die Nähe zu jemandem, der früher einmal ein enger Freund gewesen war, fühlte sich seltsam an.

      Ich entschloss mich deshalb, das unangenehme Schweigen zu unterbrechen. »Schätze mal, du bringst sie jetzt besser zur OPA. Ich habe eine Klientin, die gerade durchdreht, also sollte ich besser mal nach ihr sehen.«

      Er nickte, vielleicht lag eine gewisse Traurigkeit in der Geste, keine Ahnung.

      Ich wies mit dem Daumen über die Schulter hinter mich. »Normalerweise hänge ich viel hier rum. Wenn du mal wieder in der Gegend bist, dann schau doch mal rein. Dann können wir uns bei einem Bier ein wenig unterhalten.«

      »Ja, das würde mir gefallen. Wir werden schließlich alle nicht jünger, nicht wahr?« Damit trottete er zu seinem Wagen zurück und fuhr davon. Anna folgte ihm pflichtschuldig.

      In Rhodas Auffahrt stand ein dunkelblauer Ford Crown Victoria mit stark getönten Scheiben. Ich parkte meinen Truck direkt daneben und stieg aus. Ein Mann und eine Frau mit Schutzwesten, auf denen groß die Buchstaben FBI prangten, empfingen mich bereits auf dem Weg zur Hintertür.

      Die Agentin war überaus attraktiv, hatte einen blonden Pferdeschwanz und nussbraune Augen. Der männliche Agent war ebenfalls durchaus als gut aussehend zu bezeichnen. Ein scharfer Blick, kurz geschorene Haare, glattrasiert. Auch er hatte braune Augen. Beide trugen kakifarbene Hosen, schwarze Polo-Shirts und bequeme Schuhe. Zusammen sahen sie aus wie Barbie und Ken. Die Frau sprach mich als Erste an.

      »Ich bin Special Agent Ridgeway, und das ist Special Agent Jeffreys. Ms. Gwinnette hat uns erklärt, dass Sie ein Police Detective sind. Ist das korrekt?«, fragte sie mich rundheraus und mit strengem Blick.

      Ich schüttelte den Kopf. »Ich war Detective bei der Metro Nashville Police, arbeite mittlerweile aber als privater Ermittler.«

      Sie nickte verstehend.

      »Darf ich fragen, wieso Ms. Gwinnette vom FBI verhört wird?«

      Der Mann, Special Agent Jeffreys, beantwortete meine Frage. »Ich fürchte, die Untersuchung ist geheim.«

      Ich wollte schon etwas darauf erwidern, doch Special Agent Ridgeway kam mir zuvor. »Mark, sie wird ihm die Kopie des Durchsuchungsbefehls sowieso sofort zeigen, wenn wir zur Tür hinaus sind. Von daher können wir es ihm auch gleich sagen.« Er legte die Stirn in Falten, widersprach ihr aber nicht.

      Sie sah mich wieder an. »Wir stellen Ermittlungen über das Fuhrunternehmen an, für das der verstorbene Mister Gwinnette gearbeitet hat. Wir suchen nach gewissen Dokumenten. Mrs. Gwinnette wird derzeit aber nicht einer Straftat verdächtigt.«

      »Oh, was für Dokumente wären das denn?«, fragte ich neugierig.

      Sie lächelte mich höflich an. Ich war mir nicht sicher, wie ehrlich es gemeint war, aber so oder so war es ein hübsches Lächeln. »In diesem Punkt muss ich meinem Kollegen leider zustimmen. Die Einzelheiten dieser Dokumente sind vertraulich. Nehmen Sie es nicht persönlich, aber wir wollen nur ungern den korrekten Ablauf der Ermittlungen aufs Spiel setzen. Als ehemaliger Detective verstehen Sie das doch sicher.« Sie war sehr diplomatisch und offensichtlich nicht dumm. Ihr Kollege bedachte mich mit einem kurzen, arroganten Lächeln.

      Ich lächelte zurück. »Ich verstehe. Darf ich dann vielleicht fragen, ob Sie beide dabei auch Lesters Tod untersuchen?«

      Special Agent Jeffreys runzelte erneut die Stirn. »Sie meinen, ob wir seinen Selbstmord untersuchen? Natürlich nicht«, sagte er in einem Tonfall, der einem zu verstehen gab, dass es unter der Würde des FBI war, in einem Selbstmord zu ermitteln. Oder aber, und noch viel wichtiger, unter seiner persönlichen Würde.

      Ich nickte. »Ich verstehe. Darf ich dann jetzt mit Rhoda sprechen? Sie hörte sich am Telefon recht aufgelöst an.«

      »Sicher, wir sind hier fertig«, sagte sie. »Wir wollten gerade los.«

      »Nun, dann bin ich froh, dass ich noch rechtzeitig hier war. War mir ein Vergnügen, Sie kennengelernt zu haben. Lassen Sie uns doch schnell noch unsere Visitenkarten austauschen, wenn Sie nichts dagegen haben.« Um nicht unhöflich zu wirken, ließen sie sich darauf ein, obwohl ich mir sicher war, dass sie meine Karte allerhöchstens als Lesezeichen oder um sich etwas Tofu aus ihren im Dunkeln leuchtenden Zähnen zu pulen missbrauchen würden. Ich warf einen Blick auf beide Karten und stellte fest, dass sie von einem Büro in Nashville aus operierten.

      Auf dem Weg zu ihrem Wagen blieb Special Agent Jeffreys noch einmal stehen und drehte sich um. »Sie sagten Tod … als Sie über Lester Gwinnette sprachen, sagten Sie Tod, nicht Selbstmord«, stellte er fest.

      Ich nickte und tippte mir mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe. »Hier drin geistern noch ein paar Fragen herum, auf die ich eine Antwort haben will, bevor ich es guten Gewissens einen Selbstmord nennen kann.« Er dachte kurz über meine Worte nach, behielt seine Meinung darüber aber für sich. Special Agent Ridgeway lächelte höflich aber knapp, bevor die beiden sich auf den Weg machten.

      Rhoda hatte unsere Unterhaltung durch die Fliegengittertür hindurch beobachtet. Sie hielt mir sofort die Kopie des Durchsuchungsbefehls hin. Die allgegenwärtige Zigarette hing ihr dabei im Mundwinkel. Ich las das Schriftstück aufmerksam durch. Ein Verzeichnis der Gegenstände, die konfisziert worden waren, fehlte allerdings.

      Fragend sah ich Rhoda an. »Was haben sie denn alles mitgenommen?«

      »Überhaupt nichts.« Rhoda schüttelte den Kopf. »Sie haben das gesamte Haus durchsucht, mir ein paar Fragen gestellt, einige Fotos gemacht, aber das war auch schon alles. Ich habe ihnen Kaffee angeboten, aber den haben sie abgelehnt.«

      »Tja, das war äußerst dumm von ihnen. Die wissen ja nicht, was sie da verpasst haben.« Zum ersten Mal sah ich Rhoda tatsächlich lächeln. »Wieso machen Sie uns beiden nicht eine Tasse und erzählen mir, welche Fragen man Ihnen genau gestellt hat?«

      Rhoda goss uns eifrig zwei Tassen ihres brackigen Gebräus ein, dann setzte sie sich und zündete sich eine weitere Zigarette an. Zumindest was das anging, war sie ein Gewohnheitstier. Sie sog den Rauch tief ein und blies ihn dann in Richtung Decke, bevor sie mit ihrer Erzählung begann.

      »Sie haben mich gefragt, wo Lester seinen Papierkram aufbewahrt hat. Ich zeigte ihnen daraufhin seinen Aktenschrank. Darin befinden sich aber nur die üblichen Dinge – ein paar Quittungen, Versicherungspapiere und unsere Steuerbelege. Sie haben Fotos davon gemacht, dann aber alles wieder zurück an seinen Platz gelegt.« Wieder zog sie an ihrer Zigarette.

      »Anschließend haben sie nach unseren Bankkonten gefragt und sich die Kontonummern aufgeschrieben. Wir besitzen aber nur ein Girokonto und ein Sparbuch. Oh, und sie wollten wissen, ob mich kürzlich jemand besuchen gekommen ist. Daraufhin habe ich ihnen von Ihnen und Ihrer Freundin erzählt.«

      »Kam in den letzten Monaten noch irgendjemand anderes vorbei, Rhoda?«, fragte ich sie. Sie schüttelte den Kopf. Es war offensichtlich, dass Rhoda und Lester nicht viele Freunde besaßen. Nun war sie wirklich ganz allein.

      »Eine letzte Frage noch, Rhoda: Wo befinden sich Lesters Fahrtenbücher?«

      »Die für seine Transportfahrten?« Ich nickte. »Die bewahrte er die meiste Zeit im Schuppen auf. Er führte sie immer in zweifacher Ausfertigung. Ich fragte ihn einmal, wieso er das tat, und er meinte, das würden alle Lasterfahrer so handhaben.«

      Ich hielt bewusst mein Pokerface aufrecht. »Wissen Sie, ob sie noch da sind?«

      Sie zuckte unsicher mit den Achseln.

      »Waren die Agenten auch dort draußen?«, fragte ich.

      »Ich sah, wie einer seinen Kopf hineinsteckte, aber es muss ihm wohl zu dreckig gewesen sein, um hineinzugehen.« Sie beugte sich vor. »Lester hätte ihn bestimmt einen Schönling


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