IRONCUTTER - Die Geheimnisse der Toten. David Achord
genau zu sein, waren es Ronald und ich gewesen, die das System überhaupt erst bei ihm installiert hatten, und Ronald hatte ihm beigebracht, wie man es bediente. Ich unterließ es jedoch, ihn auf seinen Irrtum hinzuweisen, und bestellte uns stattdessen etwas zu Mittag bei einem der Restaurants in der Gegend, die auch lieferten.
Während wir etwas später unserer Sandwiches mit Lammfleisch aßen und sie mit Mineralwasser hinunterspülten, bog ein Polizeiwagen auf dem Parkplatz ein. Na ja, zumindest Mick und ich aßen. Anna klaubte an ihrem nur herum. Ein Sergeant stieg aus und untersuchte den Vandalismus, bevor er anschließend den Laden betrat. Anna und ich saßen an einem der kleineren Tische. Der Sergeant sah sich um und erstarrte kurz, als er mich erblickte. Wir kannten uns. Jetzt kam er zu uns hinüber.
»Hallo, Thomas, dich habe ich ja schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen«, sagte er leise. Die Hand zur Begrüßung wollte er mir aber offenbar nicht geben.
»Hallo, Jim. Bist du wegen der Sachbeschädigung hier?«, fragte ich ihn. Er nickte. Ich deutete auf Anna. »Sie ist die Betroffene. Anna Davies. Anna, das ist Sergeant Jim Ozment.«
Er sah Anna einen Moment lang an und warf mir dann einen Blick zu, der ziemlich deutlich sagte: Klar, für dich können sie ja nicht jung genug sein. »Freut mich, Sie kennenzulernen, Ma’am. Wenn ich es richtig verstanden habe, behaupten Sie, ein Police Officer wäre dafür verantwortlich?«
Anna nickte zögerlich. »Ja, Officer Doug Eastlin. Er ist mein Ex-Freund. Wir waren etwa einen Monat lang zusammen.«
»Aber woher wissen Sie denn, dass er es war?«, fragte Jim. »Haben Sie Beweise dafür? Einen Zeugen vielleicht?«
Ich schob ihm eine der CDs zu. »Das ist eine Videoaufnahme, die ihn bei der Tat zeigt. Es ist gestern Nacht passiert, während er auf Streife war, nehme ich mal an.« Ich warf Anna einen Blick zu. Sie war nicht länger traurig, sondern wütend. Gut für sie, dachte ich.
Jim beäugte die CD und legte die Stirn in Falten. »Scheiße«, murmelte er. Ich zuckte bestätigend mit den Achseln und zündete mir eine Zigarre an. »Besteht die Möglichkeit, dass ich es mir hier ansehen kann, oder muss ich sie erst ins Büro mitnehmen?«
Mick schnappte sich die CD und gab dem Sergeant ein Zeichen, ihn hinter den Tresen zu begleiten. »Haben Sie und Thomas früher zusammengearbeitet?«, fragte er.
Jim nickte verhalten, als wäre es ihm nicht recht, wenn zu viele Leute davon erfuhren.
Mick schien es jedoch nicht zu bemerken. »Sind Sie auch einer von diesen bekloppten Italienern?«
Jims Blick verfinsterte sich und er sah zu mir hinüber. Ich zuckte wieder nur mit den Schultern und paffte meine Zigarre.
Schweigend, das Gesicht missbilligend zu einer Landschaft aus Furchen zusammengezogen, betrachtete er das Video, dann nahm er Mick die CD ab und lief zurück zu unserem Tisch. »Darf ich diese CD als Beweismaterial behalten, Ma’am?«
Anna warf mir sicherheitshalber einen Blick zu. Ich nickte.
»Ausgezeichnet«, sagte er. »Dann werde ich jetzt einen Bericht anfertigen.« Daraufhin sah er mich noch einmal an. »Mittlerweile müssen wir unsere Berichte nämlich am Computer verfassen. Nicht so wie in den guten alten Tagen. Die nennen das Fortschritt, aber mir geht es einfach nur auf die Nerven.«
»Wie lange dauert es denn noch bis zum Ruhestand?«, fragte ich ihn.
Er rieb sich über das Gesicht. »Mein Jüngster fängt in diesem Herbst auf dem College an. Sind also noch ein paar Jahre.« Sein Gesicht verfinsterte sich dabei. Das Alter machte sich langsam aber sicher bei ihm bemerkbar und er spürte die Auswirkungen, seit über zwei Jahrzehnten als Cop gearbeitet zu haben. Man sah es ihm förmlich an.
»Wie auch immer, der Computer ist im Wagen«, fuhr er fort. »Ms. Davies, wenn ich mir kurz Ihren Führerschein ausleihen dürfte, würde Ihnen das einen ganzen Haufen Fragen ersparen. Außerdem muss ich den Chef der Polizeiwache anrufen und ihn darüber in Kenntnis setzen und auch noch das OPA verständigen.«
Anna kramte ihren Führerschein aus der Brieftasche und gab ihn an ihn weiter. »OPA? Was ist denn das?«, fragte sie ihn verwirrt.
»Das ist die Abkürzung für das Office of Professional Accountability«, antwortete Jim. »Die werden nun in dieser Sache ermitteln.«
Sie runzelte die Stirn. »Werden sie das?«
»Ja, Ma’am. Wir haben strikte Richtlinien, wie verfahren werden muss, wenn es Anschuldigungen bezüglich eines Fehlverhaltens eines Officers gibt. Besonders in Beziehungsfragen. In der letzten Zeit haben sich solche Vorkommnisse leider gehäuft und das Department nimmt diese Dinge deshalb mittlerweile peinlich genau.« Dann wurde ihm klar, wie sich das für mich anhören musste, und er wurde etwas verlegen.
»Wie auch immer, ich bin draußen in meinem Wagen. Geben Sie mir ein paar Minuten.« Danach eilte er hinaus.
Anna war zuerst ein wenig verwirrt, bevor sie offenbar dahinterkam. »Er sprach von Ihnen.«
»Das sind alte Geschichten«, wiegelte ich ab. Ich war gerade nicht in der Stimmung für Gespräche über meine verstorbene Frau.
Während wir auf Sergeant Ozment warteten, hörte ich meine Nachrichten ab. Ein paar potenzielle Klienten, Ronald hatte mich zurückgerufen, und ein Anruf von Rhoda. Sie hinterließ eine Nachricht, in der sie sich äußerst verzweifelt anhörte. Ich rief sie deshalb umgehend zurück.
»Detective«, rief sie beinahe panisch. »Das FBI ist hier!«
Kapitel 9
Mick fand etwas Klebeband und ich klebte mit ein paar Streifen davon das Schimpfwort ab. Die anderen drei sahen mir stumm dabei zu. Als ich damit fertig war, richtete ich mich wieder auf, streckte den Rücken und spürte, wie sich ein paar meiner Rückenwirbel knackend wieder einrenkten. Es hatte Zeiten gegeben, als ich noch ohne Probleme wieder aus der Hüfte gekommen war.
»Es ist nur vorübergehend, aber fürs Erste sollte es reichen«, sagte ich. Anna nickte, sagte aber nichts weiter dazu.
Jim räusperte sich. »Ich habe gerade mit dem Chef der OPA gesprochen. Er bittet Ms. Davies darum, in sein Büro zu kommen und eine Aussage zu machen.«
Anna sah mich fragend an. »Was soll ich tun?«
»Wenn Sie meinen Ratschlag hören wollen, dann empfehle ich Ihnen, sich an der Untersuchung zu beteiligen und sich mit den Detectives der OPA zu treffen.«
»Begleiten Sie mich?«
Ich schüttelte den Kopf. »Rhoda ist momentan ziemlich durcheinander. Ich habe ihr versprochen, sofort bei ihr vorbeizufahren.« Sie nickte wieder. »Alles wird gut«, schob ich noch hinterher, um sie ein wenig aufzumuntern.
»Wenn Sie mögen, können Sie mit mir zu OPA fahren«, bot Jim ihr an.
Wieder suchte Anna bei mir nach einer Rückversicherung. Ich nickte leicht. Geräuschvoll sog sie die Luft ein. »Okay, dann folge ich Ihnen mit meinem Wagen.« Jetzt sah sie wieder zu mir. »Ich rufe Sie an, wenn ich fertig bin, okay?«
»Klar«, antwortete ich und sah ihr hinterher, wie sie zu ihrem Wagen lief.
Jim räusperte sich erneut. So langsam begann es zu nerven. »Hey, hör mal, ich wollte da vorhin nichts andeuten, als ich über häusliche Gewalt gesprochen habe.«
»Kein Problem«, versicherte ich ihm und musterte ihn aufmerksam. Seit unserem ersten Aufeinandertreffen war er sichtlich gealtert. Sein Haarschopf war mittlerweile komplett ergraut und er sah abgespannt aus. Wir waren einmal Freunde gewesen. Gute Freunde.
»Wie ist es dir so ergangen, Thomas? Arbeitest du immer noch als Privatdetektiv?«
»Ja, das tue ich. Das Leben war soweit ganz anständig zu mir. Kann mich nicht beklagen. Wie geht es dir?«
»Ach, ich kann mich auch nicht beschweren, denke ich. Vor anderthalb Jahren hatte ich Kehlkopfkrebs. Dachte schon fast,