IRONCUTTER - Die Geheimnisse der Toten. David Achord

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vom Gegenteil zu überzeugen, und der lästige Papierkram enthielt wirklich nur das Allernötigste.

      Anna hatte sich derweil auf der Couch ausgestreckt und war eingeschlafen, noch bevor der Abendfilm vorbei war. Sie lag in Embryonalhaltung zusammengerollt da, ihr Hintern zeigte in meine Richtung, und ich muss zugeben, dass ich ihn länger anstarrte, als es sich gehörte. Henry lag neben der Couch auf dem Boden. Hin und wieder zuckten seine Pfoten, so als würde davon träumen, hinter jemandem herzujagen und ihn zu beißen.

      Ich war ebenfalls ziemlich müde. Ich sah auf die Uhr und erschrak, als ich feststellte, dass es bereits drei Uhr morgens war. Vorsichtig legte ich eine Decke über Anna, schaltete das Licht aus und ging ins Bett.

      Ich erinnere mich nicht daran, eingeschlafen zu sein, dafür aber, wie ich aufwachte. Jemand benutzte nämlich gerade meine Dusche. Dank meiner kombinatorischen Fähigkeiten schlussfolgerte ich, dass es Anna sein musste. Dummerweise musste ich aber ziemlich dringend pinkeln. Henry lag neben der halb geöffneten Badezimmertür und bewachte sie. Also würde ich wohl warten müssen. Zum Glück ging das Wasser wenig später aus und kurz darauf erschien Anna. Sie war in ein Handtuch gewickelt und bürstete gerade ihr Haar.

      Lächelnd sah sie mich an. »Ich hoffe, ich habe Sie nicht aufgeweckt.«

      »Oh, nein«, log ich und warf einen Blick auf die Uhr auf dem Nachttisch. Es war bereits nach neun. »Zeit, aufzustehen.« Ich unterdrückte ein Gähnen. Ich hätte noch eine ganze weitere Stunde Schlaf brauchen können. »Wissen Sie, ob mein Onkel noch da ist?«

      Sie schüttelte den Kopf, wobei ihr beinahe das Handtuch hinuntergerutscht wäre. »Nein. Er ist vor ein paar Minuten gegangen. Als ich aufgewacht bin, habe ich gesehen, wie er Ihre Notizen gelesen hat. Als er mich bemerkt hat, ist er gegangen.«

      Ich nickte. »Sind Sie fertig im Bad?«

      Sie grinste. »Mehr oder weniger. Gehen Sie nur.«

      »Es gibt noch ein Badezimmer in dem anderen Schlafzimmer, wissen Sie?«

      »Ja, aber dort steht weder Shampoo noch Zahnpasta.« Sie ging hinaus, hielt dann aber noch einmal inne. »Haben Sie vielleicht etwas Tee im Haus? Ich trinke nämlich eigentlich keinen Kaffee.« Ich schüttelte bedauernd den Kopf.

      »Okay. Ah, und bevor ich es vergesse – Ihr Telefon hat ununterbrochen geklingelt. Ich bin aber nicht rangegangen.«

      »Normalerweise schalte ich es vor dem Schlafengehen immer aus und stelle es meistens auch erst mittags wieder an. Muss ich wohl vergessen haben.« Ich wartete, bis sie das Zimmer verließ, dann eilte ich zur Toilette. Anschließend stellte ich mich unter die Dusche und hielt gerade meinen Kopf unter das heiße Wasser, als Anna die Tür der Duschkabine öffnete und den Kopf hindurchsteckte.

      »Wow, sieh mal einer an. Man sollte sie nur noch den Italian Stallion nennen.« Ich zuckte zusammen und drehte mich hastig von ihr weg. Anna kicherte und sah in den angelaufenen Spiegel. »Was machen wir denn heute?«

      »Müssen Sie denn nicht nach Hause oder zur Arbeit?«, fragte ich.

      »Ich lebe mit zwei Tänzerinnen zusammen und da geht mir derzeit zu viel Talkshow-Drama ab. Ich brauche dringend mal ein wenig Abstand. Also, was machen wir heute?«

      »Na ja, zuerst einmal gehen Sie zurück ins Wohnzimmer und gönnen mir ein wenig Privatsphäre«, sagte ich, was Anna mit einem Kichern quittierte, aber sie verschwand trotzdem.

      Ein paar Minuten später kam ich hinterher. Ich hatte mir Cargo-Shorts angezogen, die einige Zentimeter länger waren als Annas kurze Hose und eines von meinen alten Golfshirts.

      Anna trug eine frische kurze Hose, die jedoch genauso knapp war wie die vorherige, und ein schwarzes Tank-Top. Als ich ins Wohnzimmer kam, sah sie von meinen Notizen auf. »Kein Mantel und keine Krawatte heute?«, fragte sie. Ich setzte mich zu ihr.

      »Nope, heute bin ich eher lässig. Ich habe Hunger. Was halten Sie davon, wenn ich Sie zurück zu Ihrem Auto bringe und wir dann irgendwo frühstücken gehen?« Anna willigte erfreut ein, und wenig später waren wir auch schon unterwegs. Ich entschied mich für den Truck. Draußen war es zwar schwül, aber es sah nach Regen aus. Als wir vor Mick’s Shop parkten, schnappte Anna nach Luft.

      »Oh nein«, jammerte sie. Dann sah ich es auch. Jemand hatte ihren Wagen demoliert.

      Kapitel 8

      »Wer würde denn so etwas tun?«, fragte ich, allerdings eher rhetorisch. Jemand hatte mit einem spitzen Gegenstand und in Großbuchstaben das Wort »Hure« einmal quer über die Fahrertür eingeritzt. Ich stieg aus und sah mir den Schaden genauer an. In Gedanken überlegte ich bereits, dass ich das richtige Werkzeug dafür besaß, um die Kratzer abzuschleifen und die Tür ohne größere Probleme neu lackieren zu können. Der Wagen war noch so neu, dass sich die weitere Schicht Farbe beinahe ohne Spuren mit der bereits existierenden Lackschicht verbinden würde. Die Frage war nur: Sollte ich das tun?

      »Das kann nur Doug gewesen sein«, sagte sie und kämpfte mit den Tränen.

      »Wer ist Doug?«

      »Mein Ex-Freund. Was soll ich denn jetzt machen?«

      »Zuerst einmal sollten Sie bei der Polizei Anzeige erstatten«, riet ich ihr. »Danach sehen wir, wie sich die Sache entwickelt.« Während wir herumstanden und den Schaden begutachteten, fuhr auch Mick vor. Er stieg aus und kam zu uns hinüber.

      »Was zur Hölle ist denn hier passiert?«, fragte er.

      »Na ja, es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten«, antwortete ich. »Entweder hat Anna einen sehr wütenden Ex-Freund oder Kim Lee ist eifersüchtig.«

      Mick machte ein gequältes Gesicht. »Fängst du schon wieder damit an?«

      Ich nickte langsam. »Nein, du hast recht. Kim würde so etwas nicht tun. Sie hat bestimmt kein Problem damit, mich mit jemand anderem zu teilen.«

      Mick warf angewidert die Hände in die Höhe. »Komm schon, du dämlicher Itaker, lass uns einen Blick auf das Überwachungsvideo werfen. Ich habe gleich dort eine Kamera hängen.« Er deutete nach oben, als wir in den Laden gingen. An der Außenseite des Hauses waren vier Kameras befestigt. Eine von ihnen zeigte genau zu der Stelle, an der Annas Wagen stand.

      Ein paar Minuten später hatte er die Aufnahmen gefunden. Die Kameras nahmen bei Tag farbig auf, nachts jedoch schalteten sie auf Schwarzweiß um. Trotzdem waren die Aufnahmen deutlich genug, um erkennen zu können, dass der Verdächtige ein Polizeiauto fuhr. Die Aufnahmen zeigten, dass der Officer binnen einer Stunde mehrfach über den Parkplatz gekurvt war.

      Schließlich hatte er angehalten, war ausgestiegen und hatte sich vor Annas Wagentür gekauert. Er hatte zu seinem Gürtel gegriffen und kurz darauf ein nicht näher zu erkennendes Objekt in der Hand gehalten. Als er fertig gewesen war, war er zurück zu seinem Wagen geeilt und davongerast. Sein Kunstwerk war klar und deutlich zu erkennen.

      Anna betrachtete die Aufnahmen zusammen mit uns und bestätigte, dass es sich bei der Person in dem Video um ihren Ex-Freund handelte. Ich erinnerte sie noch einmal vorsichtig daran, die Polizei zu informieren. Das tat sie dann schließlich auch. Nach ein paar Minuten legte sie wieder auf.

      »Die Dispatcherin sagte, es könne durchaus eine Stunde dauern, bis jemand vorbeikommt«, erklärte sie. »Sie fragte mich, ob ich eine Ahnung hätte, wer es getan haben könnte.«

      »Und, haben Sie es ihr verraten?«, fragte ich. Sie nickte. »Gut, denn wir haben unwiderlegbare Beweise gegen diesen Idioten.«

      Ich vermied es, ihr etwas über die Regeln der Polizei bei häuslicher Gewalt zu erzählen. Der junge Mann konnte froh sein, wenn er überhaupt noch irgendeinen Job im Department ausüben durfte, wenn die Untersuchung erst einmal beendet war. Ich befürchtete, dass Anna den Vorfall nicht gemeldet hätte, wenn sie davon gewusst hätte.

      »Was soll eigentlich dieses ganze Wir-Geschwafel?«, fragte Mick. »Ich bin hier der derjenige mit den Beweisen und ich brenne dir auch gern noch ein paar CDs


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