IRONCUTTER - Die Geheimnisse der Toten. David Achord

IRONCUTTER - Die Geheimnisse der Toten - David Achord


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Alle drei trugen die typischen Biker-Klamotten, schmutzige Jeanswesten mit ihrem Klubnamen und eine Reihe weiterer Aufnäher mit kryptischen Symbolen. Diese Typen zählten sich zu den stolzen Onepercentern. Sie verachteten traditionelle Gesellschaftsformen und besaßen einen ausgeprägten Hass auf Gesetzeshüter.

      Die Sorte kannte ich gut.

      Die drei brachten ihre Maschinen nur wenige Zentimeter vor mir zum Stehen und drehten provokativ noch ein paar Mal die Motoren auf. Ich vermutete, der Lärm sollte mich einschüchtern. Ich blieb aber trotzdem ruhig sitzen und wartete. Nach ein paar Sekunden hörten sie mit dem Unsinn auf. Der Älteste von ihnen würgte seinen Motor ab und gab den anderen beiden ein Zeichen, seinem Beispiel zu folgen.

      Einer von ihnen war dünn, drahtig, hatte einen langen schmierigen Kinnbart und die dunklen Augen eines Wiesels. Die anderen beiden waren etwas stämmiger. Der Ältere war vielleicht noch ein paar Zentimeter größer und ungefähr so alt wie ich, wog aber um einiges mehr. Etwas davon waren Muskeln, der Rest aber Fett. Wie die meisten älteren Biker schmückte ihn der standardmäßige Bierbauch. Spinnenweben-Tätowierungen zierten beide Ellenbogen, die in dicken, fleischigen Oberarmen mündeten. Auf einem davon zeichnete sich eine lange Narbe quer über dem Bizeps ab. Er trug einen breiten walross-artigen Schnurrbart, wie dieser Typ aus dem Fernsehen, der immer seine Söhne anschreit. Seine krumme Nase kündete von einigen Schlägereien, in die er in der Vergangenheit involviert gewesen war. Zumindest war das der Grund, warum meine schief war. Er schien derjenige zu sein, der hier das Sagen hatte, aber er war nicht der Grund, wieso ich hier war. Zumindest nicht der Hauptgrund.

      Der, nach dem ich suchte, Bull, war der Größte von den Dreien. Knapp zwei Meter groß, gute hundertsechzig Kilo schwer und gebaut wie ein Football-Spieler. Irgendwie hatte ich so eine Vermutung, dass seine Persönlichkeit ihn davon abhielt, einen Mannschaftssport zu betreiben. Seine Arme waren mit Tätowierungen übersät und ausgehend von deren Umfang mussten dafür bestimmt vier Liter Tinte draufgegangen sein. Seine Beine erinnerten an Baumstämme und seine Biker-Stiefel mussten Übergröße haben. Ich warf einen schnellen Blick über den Parkplatz zu meinem Auto, um sicherzugehen, dass meine Verstärkung auch zusah.

      Bull ließ sein Vorderrad gegen die blank gewienerte Spitze meines schwarzen Lackschuhes rollen. »Was zur Hölle hast du auf meinem Parkplatz verloren?«, knurrte er mich an.

      Ich ergriff die Aktenmappe, setzte meinen besten entschuldigenden Gesichtsausdruck auf und erhob mich mit gespielter Nervosität von meinem Stuhl. »Ach du meine Güte, bitte entschuldigen Sie, aber ich war der Meinung, dass dieser Parkplatz für einen gewissen Robert Turnbull reserviert sei.« Der Älteste der drei Biker kniff misstrauisch die Augen zusammen. Wahrscheinlich hatte ihn meine Verwendung von Bulls bürgerlichen Namen alarmiert, aber bevor er etwas entgegnen konnte, meldete sich Bull schon wieder zu Wort.

      »Das bin ich, du Arschloch«, krähte er. »Also beweg sofort deinen Arsch zur Seite.«

      Ich nickte einsichtig. »Sofort, Sir«, antwortete ich und machte mich daran, nach meinem Klappstuhl zu greifen, dann aber zeigte ich ihnen den Aktenordner, wegen dessen ich nicht beide Hände benutzen konnte. Ich tat so, als wäre ich selbst davon genervt, wie ungeschickt ich auf andere wirken musste, und warf ihm beiläufig die Aktenmappe zu.

      »Wenn Sie die bitte kurz halten könnten, Sir.« Er fing die Mappe ohne nachzudenken auf. Ich klappte den Stuhl zusammen, hob ihn auf und lief los.

      »Hey, du Blödmann, du hast deine Mappe vergessen.« Er warf sie mir hinterher und die Dokumente wirbelten durch die Luft. Das Wiesel begann daraufhin zu lachen. Ich spähte zu dem Älteren hinüber. Dieser starrte mich durchdringend an. Er wusste genau, dass ich irgendetwas im Schilde führte. Ich ließ den Blick wieder zu Turnbull zurückwandern.

      »Oh, die werde ich jetzt nicht mehr brauchen, Bull. Die ist für dich. Ordnungsgemäß zugestellt.« Ich beobachtete die anderen beiden. Genauer gesagt achtete ich auf ihre Körpersprache, um sicherzugehen, dass keiner von ihnen nach einer verborgenen Waffe griff.

      »Was?«, brüllte Bull, der von seiner Maschine gestiegen war und mir hinterherlief. Ich hob warnend einen Finger und schob dann mein Jackett zur Seite, um ihm mein Baby zu zeigen. Eine umgebaute .45 Springfield Armory Modell XD, Halbautomatik, die in dem Holster an meinem Gürtel steckte.

      »Bull!«, rief der Ältere. Bull blieb unwillkürlich stehen und drehte sich um.

      »Hör dir an, was der Mann zu sagen hat«, riet ihm der Ältere.

      Bull starrte mich an. »Glaubst du etwa, ich hätte Angst vor deinem dürren Arsch?«

      »Vielleicht nicht vor mir, aber du solltest mit Sicherheit vor dem alten Mann da drüben Angst haben.« Ich deutete mit dem Daumen über meine Schulter, wo mein Onkel Mike, ein Polizei-Captain im Ruhestand, in meinem Auto saß. In einem 1961er Eldorado Kabriolett. Ein tiefschwarz glänzender Cadillac mit jeder Menge Chrom, Gangster-Weißwandreifen und einem weißen Verdeck. Hatte mich beinahe ein Jahr gekostet, ihn wieder vollständig zu restaurieren, aber es war jede Minute davon wert gewesen. Mein Onkel hatte eine Schrotflinte aus dem geöffneten Fenster geschoben, die in unsere ungefähre Richtung zeigte. Eine Zigarette hing aus seinem Mundwinkel und er starrte mit dunkelbraunen durchdringenden Augen zu uns hinüber.

      »Bull, geh rein!«, brüllte der Ältere. Bull warf mir noch einen langen bösen Blick zu, als wollte er mich stillschweigend wissen lassen, dass wir beiden noch nicht miteinander fertig waren, bevor er schließlich das Lokal betrat. Der Ältere stieg von seiner Maschine und hob ein paar der Dokumente auf. Er überflog sie flüchtig und sah dann zu mir hinüber.

      »Was soll diese Scheiße?«, blaffte er mich an.

      Ich wollte schon antworten, dass er die verdammten Dokumente einfach lesen sollte, wenn er es wissen wollte, aber dann hielt ich mich zurück. Er hatte mir einen Gefallen getan, als er die Situation entschärft hatte, und außerdem konnte er wahrscheinlich nicht einmal lesen.

      »So, wie es aussieht, hat Ihr Kumpel vor ein paar Monaten die Scheiße aus einem Mann herausgeprügelt, und dieser verklagt Bull und den Laden jetzt.«

      Er starrte für einen Moment auf die Papiere hinunter und warf mir dann einen Blick zu, in dem eine Menge unverhohlener Feindseligkeit zu erkennen war. »Ich erinnere mich an diesen Idioten. Er ging bei einem der Mädchen zu weit. Als man ihn hinausbegleitete, verpasste er Bull einen Schlag. Er hat nur bekommen, was er verdiente.«

      Ich zuckte mit den Schultern und lief zu meinem Auto. Wahrscheinlich hatte er sogar recht damit, dass der Typ es womöglich verdient hatte, aber es war nicht meine Aufgabe, das zu bewerten. Mein Job endete in dem Moment, wenn ich die Unterlagen übergeben hatte. Ich verstaute den Klappstuhl im Kofferraum und mein Onkel rutschte auf den Beifahrersitz hinüber.

      »Du hast es echt drauf, dir Freunde zu machen«, meinte er, als ich einstieg. Ich zündete mir eine neue Zigarre an und er sich eine Zigarette. Das war unsere Art, mit der Nervosität umzugehen. Die Schrotflinte behielt er zur Sicherheit weiterhin auf dem Schoß. Nachdem er sein Feuerzeug eingesteckt hatte, hielt er mir die Hand in stiller Erwartung entgegen. Ich zog den Flachmann aus meinem Jackett, nahm einen langen Schluck und gab ihm die Flasche dann.

      »Wir müssen noch einem Zwischenstopp einlegen. Liegt aber auf dem Nachhauseweg«, sagte ich, während ich den Cadillac auf die Division Street bugsierte, auf grünes Licht wartete und mich dann auf die I-40 einfädelte.

      »Ich glaube, mich daran zu erinnern, dass du hier einmal an einem Mordfall gearbeitet hast«, meinte er. Ich warf ihm einen Blick zu. Das Alter nagte auch an ihm, aber sein Erinnerungsvermögen war immer noch intakt. Im Licht der Nachmittagssonne traten die Falten in seinem Gesicht besonders hervor.

      »Ja, war mein allererster Fall. So ein Kerl war eifersüchtig auf seine Stripper-Freundin. Er tolerierte die Sache mit dem Strippen zwar, aber sie hatte noch ein kleines Nebengewerbe am Laufen. Mit diesen Freizeitaktivitäten schien er offenbar ein Problem gehabt zu haben. Eines Nachts lauerte er ihr nach der Arbeit auf und erschoss sie auf dem Parkplatz.«

      »Was für eine Art von Nebengewerbe war das denn?«, fragte er interessiert.

      »Prostitution.«


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