IRONCUTTER - Die Geheimnisse der Toten. David Achord

IRONCUTTER - Die Geheimnisse der Toten - David Achord


Скачать книгу
war in letzter Zeit ein wenig nachlässig geworden, aber die Begegnung mit den Bikern hatte mich dazu gebracht, meine Faulheit noch einmal zu überdenken.

      Als ich damit fertig war, auf den Sandsack einzudreschen, taten mir die Fäuste weh und ich keuchte wie ein alter Staubsauger. Ich zog die Boxhandschuhe aus und verzog schmerzhaft das Gesicht, als ich danach versuchte, meine Finger zu bewegen. Der Muskelkater schien stärker zu sein, als ich ihn aus jüngeren Tagen in Erinnerung hatte.

      Nachdem ich wieder normal atmen konnte, setzte ich mich hin und zündete mir eine Zigarre an. Meiner Ansicht nach hatte ich sie mir nach diesem Training redlich verdient. Ich genoss ihr Aroma und sah mich in dem metallenen Fertigbauhaus um. Es diente mir sowohl als Fitnessraum als auch als Garage und als Aufbewahrungsort für all die Dinge, die die meisten anderen Menschen als Ramsch angesehen hätten. Neben meinem ganzen Stolz, dem schwarzen Cabrio, parkten dort auch noch zwei weitere Fahrzeuge in unterschiedlichen Stadien der Verwahrlosung.

      Mein einziger anderer fahrbarer Untersatz war ein Ford F150 Pick-up Truck, Baujahr 2010. Den hatte ich gebraucht gekauft, doch außer einem Satz neuer Reifen, Bremsen und einer neuen Batterie hatte mir der Wagen seither nie irgendwelche Probleme gemacht. Die anderen beiden Autos waren zwei Muscle-Cars aus den Sechzigern, ein 1968er Dodge Challenger und ein 1971er Chevy Camaro SS. Ich hatte beide zu einem fairen Preis erstehen können und hatte eigentlich vorgehabt, sie aufzuarbeiten und dann teuer weiterzuverkaufen, aber mein chronischer Geldmangel hatte mich bislang von diesem Unterfangen abgehalten. Ich hatte mich stattdessen dafür entschieden, die beiden Wagen bei Craigslist einzustellen, und machte mir in Gedanken eine Notiz, es endlich zu tun. Es tat mir zwar in der Seele weh, aber derzeit war ich wirklich knapp bei Kasse. Wenn sich das nicht schleunigst änderte, würde ich womöglich sogar auf meine teuren Zigarren verzichten müssen.

      Mein Hund schaute mich nun an. Er war ein hässlicher gescheckter Köter um die siebzig Pfund, der die meiste Zeit über ein ziemlich unbeherrschtes Wesen an den Tag legte. »Was meinst du, Henry?«, fragte ich ihn. Er schien jedoch keine Meinung zu diesem Thema zu haben und trottete kommentarlos davon.

      Bis ich meine Zigarre aufgeraucht hatte, vertrödelte ich meine Zeit in der Garage. Danach füllte ich Henrys Futterschale mit etwas von dem überteuerten Hundefutter, zu dem mir mein Tierarzt geraten hatte, und nahm anschließend eine lange heiße Dusche, bevor ich mich meinem Tagwerk widmete. Ich zog mich an, schnappte mir mein Telefon und starrte es für vielleicht zehn Sekunden an. Ein schickes iPhone, die neueste Version.

      Ich hasste das Teil.

      Die Leute waren inzwischen von den Dingern abhängig geworden, mich eingeschlossen. Schon oft hatte ich einfach mit einem Hammer darauf eindreschen oder es aus dem Fenster werfen wollen, wenn ich auf der Interstate fuhr, aber ohne das Ding hätte ich mein Geschäft auch gleich dichtmachen können.

      »Dann wollen wir mal«, murmelte ich und schaltete das Telefon ein. Ich hatte vier Sprachnachrichten und eine SMS bekommen.

      Die Sprachnachrichten stammten von Anrufern, die mich dafür einstellen wollten, Beweise zu finden, dass sie von ihren Ehepartnern betrogen wurden. Obwohl ich das Geld gut hätte gebrauchen konnte, löschte ich diese Nachrichten sofort. Hinter untreuen Eheleuten hinterherzujagen ging mir ungeheuer auf den Sack und außerdem war es schwer, hinterher an sein Geld zu kommen.

      Die Textnachricht stammte von William, jenem Anwalt, für den ich die Papiere an Turnbull übergeben hatte sollen. Stirnrunzelnd überflog ich die Nachricht. Er antwortete damit auf meine Nachricht vom Abend zuvor und meinte, dass er noch vier weitere Vorladungen herumliegen hätte und sich fragte, ob ich mich nicht ASAP darum kümmern könnte.

      »Du elender kleiner Scheißer hast es nicht für nötig gehalten, mir zu verraten, dass der Typ zu einer Motorradgang gehörte.« Ja, ich rede oft mit mir selbst. Ich denke, das ist normal für jemanden um die vierzig, der allein lebt. Ich stand also in meiner Küche, dachte kurz darüber nach, tippte dann auf das entsprechende Symbol und sagte: »Du schuldest mir noch das Geld für die letzten vier. Also bezahle mich – oder leck mich am Arsch – Ausrufungszeichen.« Zu meiner Verärgerung schrieb die App das Wort »Ausrufungszeichen« aus, anstatt das Satzzeichen einzufügen.

      »Dieser beschissene Elektronikkram«, murmelte ich, schickte die Nachricht aber trotzdem ab. Weniger als dreißig Sekunden später klingelte mein Telefon. Anwaltskanzlei Goldman.

      »Na, das ging ja flott«, murmelte ich, bevor ich ranging.

      »Hallo Thomas, hier ist Sherman. Wie geht es dir?«

      Er hätte sich nicht extra vorstellen brauchen, denn ich erkannte ihn sofort an seiner Stimme. Sherman Goldman war ein alter Freund von mir. Er arbeitete als Senior-Partner in einer der angeseheneren Anwaltsfirmen der Stadt. Wir hatten uns vor ein paar Jahren kennengelernt, als ich gerade als Officer angefangen hatte. Eines Tages, nach einem Gerichtstermin, hatte er sich mir vorgestellt und mich zu meiner Haltung im Zeugenstand beglückwünscht.

      »Hallo Sherman«, antwortete ich. »Alles bestens. Noch besser wäre es allerdings, wenn dein Enkelsohn mich mal bezahlen würde. Wie geht’s dir?« Sein Enkel hielt sich selbst für einen Spitzenanwalt. Keine drei Monate nach Beendigung seines Jurastudiums hatte er bereits sieben oder acht Prozesse am Laufen, was sein Wesen finde ich, ganz gut beschreibt. Aus Gefälligkeit für seinen Großvater griff ich ihm ein wenig unter die Arme, aber der kleine Scheißer hatte mir noch keinen einzigen Scheck ausgestellt.

      »Oh wirklich? Über wie viel Geld reden wir denn?«

      »So um die zweitausend«, antwortete ich. Ich wusste natürlich, dass das für Sherman Kleingeld war, aber wie gesagt, um mein Einkommen war es in diesen Tagen nicht sonderlich gut bestellt. Sherman musste meinen … sagen wir mal … stockenden Geldfluss wohl gerochen haben.

      »Nun, dann sollten wir sehen, wie wir das schnell in Ordnung bringen können. Wieso kommst du nicht einfach in meinem Büro vorbei? Ich lasse dir einen Scheck ausstellen und dann reden wir noch über einen anderen Job.«

      »Das wäre großartig.«

      »Okay, dann sehen wir uns in einer Stunde.« Er legte auf, noch bevor ich eine andere Zeit vorschlagen konnte. So ist Sherman eben. Sofort klingelte mein Telefon wieder. Die Nummer sagte mir nichts, aber das war nicht ungewöhnlich. Ich meldete mich mit meinem Standardspruch: »Ironcutter Investigations?«

      »Hallo, sind Sie der … äh … Privatdetektiv?« Das hörte sich nach einer verknöcherten alten Schachtel an.

      »Das bin ich. Mein Name ist Thomas Ironcutter. Was kann ich für Sie tun?«

      »Ah, sehr gut. Ich möchte Sie für einen Nachforschungsauftrag engagieren«, sagte sie.

      »Sehr gern, Ma’am. Meine Preise sind Ihnen bekannt? Ich veranschlage tausend Dollar pro Woche, für mindestens eine Woche, plus Spesen. Die Bezahlung für die erste Woche muss im Voraus geleistet werden.«

      »Eintausend Dollar pro Woche? Das ist ja ungeheuerlich«, rief sie entrüstet.

      Ich seufzte. Diese Reaktion bekam ich leider öfter zu hören. Ich habe keine Ahnung, warum die Leute sich stets genötigt sahen, sich darüber zu beklagen. Wenn ihnen mein Gehalt nicht passte, konnten sie doch einfach auflegen, aber nein, so lief das nicht. Ich schätzte, die Leute glaubten, dass sie, wenn sie nur lange genug herumnörgelten und sich beschwerten, das Ganze so ausgehen würde: »Oh mein Gott, es tut mir ja unendlich leid, Ma’am. Bitte erlauben Sie mir, meinen abscheulichen Fehltritt wiedergutzumachen. Ich werde Ihren Fall selbstverständlich umsonst bearbeiten. Oh, nein, noch viel besser, ich bezahle Ihnen Geld dafür!«

      Oder so etwas in der Art. In der Vergangenheit habe ich stets versucht, mich professionell zu verhalten, zu erklären, wie sich der Betrag zusammensetzte, aber das hatte nie funktioniert. Also hatte ich eine geniale und absolut sichere Methode für Leute wie diese Dame entwickelt: Ich legte einfach auf. Für gewöhnlich funktionierte das … für gewöhnlich. … dieses Mal jedoch nicht.

      Sie rief sofort zurück. »Mister Ironcutter, haben Sie etwa gerade aufgelegt?«, wollte sie scheinbar ernsthaft entrüstet von mir wissen.

      »Ja, natürlich. Wieso


Скачать книгу