IRONCUTTER - Die Geheimnisse der Toten. David Achord

IRONCUTTER - Die Geheimnisse der Toten - David Achord


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Spaghettifresser.« Erwartungsfroh hielt er mir seine Tasse hin. Ich goss ihm einen reichlichen Schuss ein. »So ist’s recht. Hey, Kim ist gerade losgegangen, um etwas zum Mittagessen zu holen. Soll ich sie anrufen und ihr sagen, dass sie dir auch etwas mitbringen soll?«

      »Sie holt aber doch nicht etwa Sushi, oder?« Ich aß nur selten Sushi. Kim, seine koreanische Frau, konnte das aber offenbar den ganzen Tag lang essen.

      »Ach was«, spottete Mick. »Heute gibt es ein gutes Südstaaten-Barbecue, mit Krautsalat und Maisbrot.«

      Okay, immer noch besser als Sushi, aber Sodbrennen würde ich davon trotzdem bekommen. Ich nickte und er griff nach seinem Telefon.

      Mick war irischer Abstammung in vierter Generation und ich war in vierter Generation Amerikaner mit italienischen Wurzeln. Er liebte es, sich zu streiten, was den Iren meiner Ansicht nach in den Genen lag, war aber der Ansicht, dass die Iren den Italienern weitaus überlegen waren und allen anderen eigentlich auch. Nach dreißig Jahren als Feuerwehrmann hatte er seinen Job an den Nagel gehängt und einen Zigarrenladen eröffnet. Ich war damals sein erster Kunde gewesen.

      Ich genoss meine Zigarre und machte mich dann widerwillig daran, meine Sprachnachrichten abzuhören. Das meiste war Mist, aber eine stammte von einem alten Freund von mir, Harvey Wilson. Wilson war Sheriff im Ruhestand und er hatte mir über die Jahre hinweg schon öfter unter die Arme gegriffen. Nach dem zweiten Klingeln nahm er bereits ab.

      »Ich versuche jetzt schon seit zwei Tagen, dich zu erreichen. Wo zur Hölle hast du denn bloß gesteckt?«

      »Was für eine nette Begrüßung, du Saftsack«, antwortete ich.

      »Okay, genug mit dem Gesülze. Du musst mir einen Gefallen tun.«

      »Hallo, bist du noch dran? Ich verstehe dich kaum.« Ergänzend machte ich ein paar zischende Geräusche.

      »Was? Ach, hör mit dem Scheiß auf. Das ist echt wichtig. Also, nicht wirklich wichtig, aber mir hängt meine Frau unentwegt damit in den Ohren, also ist es wichtig genug.«

      Ich grunzte. »Okay, schieß los.«

      »Der Pfarrer meiner Frau hat eine Cousine zweiten oder dritten Grades. Ihr Ehemann ist kürzlich gestorben. Als Todesursache hat man Selbstmord angegeben, aber die verrückte Frau ist absolut überzeugt davon, dass es ein Mord gewesen ist.«

      »Oh Scheiße, Mann, Harvey, nicht einer von diesen Fällen«, stöhnte ich laut auf. »Hast du eine Ahnung, wie oft ich mit so etwas zu tun hatte, als ich noch bei der Mordkommission gewesen bin? Ich verrate es dir … nahezu immer! Und in jedem dieser Fälle gab es einen Freund oder einen Verwandten, der behauptet hat, dass es Mord gewesen wäre. Die gingen einem so was von auf die Nerven. Ich kann gar nicht zählen, wie viele Stunden ich damit verplempert habe, idiotischen Hinweisen nachzugehen, nur damit sich am Ende genau das herausstellte, was wir ohnehin schon die ganze Zeit über gewusst hatten.«

      Harvey brummte zustimmend. »Nichtsdestotrotz schuldest du mir noch so viele Gefallen, dass ich kaum noch hinterherkomme. Also verrate ich dir, wie du einen oder zwei davon zurückzahlen kannst: Rede mit der Frau.«

      Wir stritten uns noch eine ganze Weile, aber dann stimmte ich widerwillig zu. Harvey war all die Jahre ein guter Freund gewesen und hatte mich sogar mit einigen Klienten bekannt gemacht, als ich anfing, als Privatschnüffler zu arbeiten.

      »Ich schätze mal, ich kann ihr einen Besuch abstatten«, versprach ich ihm schließlich, hörte mich dabei aber alles andere als enthusiastisch an.

      »Ausgezeichnet. Ich habe ihr bereits gesagt, dass du heute Nachmittag gegen fünf vorbeikommst.«

      Na großartig, dachte ich. Dann muss ich mich heute nicht nur mit einer, sondern gleich mit zwei verrückten Weibern herumärgern. Ich kramte daraufhin meinen Flachmann hervor und reicherte meinen Kaffee noch ein weiteres Mal an. »Schick mir bitte eine Nachricht mit ihrem Namen und ihrer Adresse.«

      Harvey ließ mich wissen, dass er das tun würde, und legte dann auf. Die Nachricht kam bereits eine Minute später herein. Nachdem ich die Adresse studiert hatte, lehnte ich mich auf meiner Couch zurück und starrte Mick an, während ich meine Zigarre rauchte. Er schien zu bemerken, dass ich ihn anstarrte, und sah deshalb auf.

      »Was ist los?«, fragte er.

      »Ich musste gerade über deinen Nachnamen nachdenken. O’Hara. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das irisch für potthässlich ist.«

      Micks Blick schien mich nun durchbohren zu wollen. »Nur, weil du keinen mehr weggesteckt bekommst, musst du das noch lange nicht an mir auslassen.« Er deutete mit seiner Zigarre auf mich. »Dein Name ist noch nicht mal italienisch.« Gespannt wartete er auf eine klugscheißerische Antwort von mir.

      »Ich habe es dir doch schon einmal erklärt«, erwiderte ich.

      »Daran kann ich mich mehr erinnern. Da musst du wohl betrunken gewesen sein.«

      Seinem Gedächtnisschwund nach zu urteilen, war vielmehr er derjenige, der betrunken gewesen sein musste. Aber ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er nicht eher lockerlassen würde, mich zu triezen, bis ich ihm die Geschichte noch einmal erzählt hatte.

      »Als mein Ur-Urgroßvater damals nach Amerika kam, sprach er kein Wort Englisch und musste sich daher auf andere Immigranten als Übersetzer verlassen. Einer von ihnen sagte zu ihm: »Sie wollen wissen, wie du mit Nachnamen heißt.« Er antwortete: »Taliferro«, was übersetzt so viel bedeutet wie Eisenschneider, also Ironcutter. Der Beamte bei der Einwanderungsbehörde schrieb das auf, und seitdem ist das unser Name.«

      Mick nickte, als wäre das die Riesengeschichte schlechthin. Während er seinen Kaffee austrank, fuhr draußen ein Wagen vor. »Wo wir gerade beim Thema wegstecken waren … du bist doch nur neidisch, dass du nicht jeden Tag neben einer Frau wie meiner aufwachen kannst.« Er sah zum Fenster hinaus. »Da ist meine großbusige Schönheit ja schon.«

      Ich sah ebenfalls hinaus. Micks Frau hatte den Wagen abgestellt und stieg gerade mit einer großen Tüte in der Hand aus. »Eigentlich träumt sie von mir, weißt du?«, sagte ich. »Das hat sie mir erzählt.« Ich stand schnell auf, damit Mick nicht mit irgendetwas nach mir werfen konnte, eilte zur Tür und hielt sie für sie auf.

      Kim und Mick hatten sich während seiner Zeit beim Militär kennengelernt, als er in Korea stationiert gewesen war. Sie hatten nach einer stürmischen Romanze geheiratet, und seitdem waren die beiden zusammen. Nachdem Mick genug Geld gespart hatte, hatte er sie dazu überredet, sich Brustimplantate einsetzen zu lassen. Er hatte die größten gewollt, die ein Arzt in sie hineinquetschen konnte. Sie war kaum anderthalb Meter groß, was die beiden Doppel-D-Körbchen nur noch mehr herausstechen ließ. Sie lächelte, als sie den Laden betrat, und gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange.

      »Alles Gute zum Geburtstag, mein Hübscher«, sagte sie, dann lief sie zum Couchtisch hinüber und begann, das Essen darauf zu verteilen.

      Mick starrte mich an. »Du hast heute Geburtstag?«, fragte er. Ich nickte unverbindlich. »Wieso sagst du denn nichts?«

      »Weißt du, warum man Geburtstag hat? Das ist Gottes Art, dich daran zu erinnern, dass du dem Tod nun ein Jahr nähergekommen bist.«

      Mick runzelte verwirrt die Stirn. »Für diese Art von Einstellung gibt es ein Wort. Das nennt man … äh …«

      »Fatalistisch«, sagte ich.

      Er schnippte mit den Fingern. »Genau, das ist es. Du bist fatalistisch.« Wahrscheinlich hätte er gern noch weiter mit mir darüber gestritten, aber das Essen lenkte ihn davon ab. Mir war das ganz recht, denn ich hatte keine Lust, über mein Alter zu reden. Vierundvierzig war ich übrigens geworden, falls es jemanden interessieren sollte.

      Nach dem Essen, als ich mir gerade eine Zigarre anzünden wollte, kam Anna, die Stripperin, durch die Tür. Nun wurde mir klar, dass sie es gewesen war, die mir die Nachricht geschrieben hatte, und nicht die alte Dame. Sie trug eine abgetragene weite Jeans, die aussah, als würde sie jeden Moment von ihr herunterrutschen, und ein weißes T-Shirt. Aber irgendwie schaffte sie es, selbst dieses Outfit


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