IRONCUTTER - Die Geheimnisse der Toten. David Achord

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nichts an.

      Sherman wechselte nun das Thema, indem er auf seine bezaubernde Assistentin zeigte. »Miss Carson hat alle nötigen Unterlagen für dich zusammengestellt.«

      Ich sah zu Simone hinüber, nicht ohne zu bemerken, dass er sie ›Miss‹ und nicht ›Missus‹ genannt hatte. Ich gab mir Mühe, möglichst unauffällig nach ihrem linken Ringfinger zu schielen. Kein Ring! Ein gutes Zeichen, zumindest für mich.

      »Ich bin immer noch nicht ganz sicher, wie ich dir dabei helfen kann«, sagte ich.

      »Ich denke, deine unkonventionelle Herangehensweise ist für diesen Fall wie geschaffen.« Ich sah zu Simone hinüber. Sie blickte mich mit ihren wunderschönen grünen Augen an, jedoch ohne irgendeine erkennbare Gefühlsregung. Ich hatte keine Vorstellung, wie gut sie über mich Bescheid wusste oder was sie in diesem Moment dachte.

      »Du willst, dass ich das Geld finde?«

      Sherman nickte kaum merklich. »Und alle anderen etwaigen Vermögenswerte.«

      »Ich schätze mal, den Vertrag dazu hast du bereits vorbereitet?« Die Frage erübrigte sich. Sherman war die Korrektheit in Person und Verträge gehörten zu seinem Leben. Simone beugte sich zu mir hinüber, angelte sich die Akte aus meinem Schoß und öffnete sie. Direkt auf der ersten Seite befand sich der Vertrag.

      »Ja, das dachte ich mir schon«, murmelte ich. Es war ein Standardvertrag, zusammen mit einer umfangreichen Verschwiegenheitserklärung. Simone reichte mir einen Kugelschreiber und ich unterschrieb.

      »Ich mache Ihnen eine Kopie davon«, sagte sie und verließ danach das Büro. Wieder ertappte ich mich dabei, wie ich ihr hinterher starrte, und zwang mich dazu, schnell wegzuschauen, bevor Sherman mich dabei erwischte.

      »In der Akte findest du Informationen über William und Leona Spieth, der Vorsitzende der Firma und die Vize-Präsidentin, die zufälligerweise auch noch Eheleute sind«, erklärte er. Ich sah in der Akte nach und fand die beiden. Schnell überflog ich ihre Daten, bevor ich Sherman wieder ansah.

      »Du glaubst also, die beiden schaffen Vermögen beiseite?«

      »Es scheint ganz so, und das ist der Punkt, bei dem ich denke, dass sich deine unkonventionellen Ermittlungsmethoden auszahlen könnten.«

      Ich grinste ihn an. Seine Andeutung bezog sich auf einen Freund von mir, Roland. Einem introvertierten jungen Mann, der immer ein wenig so aussah, als würde er an beginnender Magersucht leiden und außerdem, wie es der Zufall so wollte, ein absolutes Computergenie war. Sherman ließ mich damit stillschweigend wissen, dass er sich Resultate erhoffte … aber falls man meinen Aktivitäten auf die Schliche kommen und diese strafrechtlich verfolgen würde, wäre er natürlich komplett unschuldig und hätte keinerlei Kenntnisse über derlei schändliches Vorgehen gehabt.

      »Okay«, sagte ich. »Dann habe ich ja einiges zu tun. Doch reden wir jetzt noch mal über deinen Enkelsohn.«

      Sherman hob den Zeigefinger und griff nach seinem Telefon. »Schicken Sie ihn rein.«

      Eine Minute später schlenderte William Goldman in das Büro. Der gut aussehende, fünfundzwanzigjährige Mann stolzierte herein, als hätte er diese Kanzlei ganz allein zu der Bastion gemacht, die sie heute war. Als er mich sah, blieb er kurz stehen, dann setzte er ein Lächeln auf und streckte mir die Hand entgegen.

      »Hey, Thomas, alter Junge, schön dich zu sehen! Ich hoffe, du bist wegen ein paar Jobs hier. Ich habe noch einige Vorladungen, die zugestellt werden müssten«, meinte er. William war das absolute Abbild des jüngeren Sherman. Der junge Mann und Absolvent der juristischen Fakultät Vanderbilt trug einen teuren, maßgeschneiderten Anzug und an seinem linken Handgelenk eine diamantene Rolex. Sein braunes Haar wurde von Unmengen an Haarfestiger und Gel in Form gebracht und er gehörte zu den Stammgästen in den angesagten Nachtklubs in der Gulch und der Music Row.

      Sherman reckte den Zeigefinger in die Luft und gab William damit zu verstehen, dass er den Mund halten und zuhören sollte. »Er ist hier, um überfällige Rechnungen einzufordern, William. Gibt es ein Problem, von dem ich wissen sollte?« Sherman blieb gelassen, doch der Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören.

      William nestelte nervös an seiner Krawatte herum. »Nein Sir, überhaupt nicht.« Er sah mich an. »Es tut mir wirklich furchtbar leid, Thomas, es gab da eine Verwechslung, was die Rechnungen angeht. Ich werde mich aber jetzt persönlich darum kümmern, dass man dir deinen Scheck ausstellt.«

      »Kümmere dich bitte sofort darum, William. Ich erwarte, dass Thomas bezahlt wird, bevor er das Büro verlässt.«

      »Aber die Buchhaltung gibt erst in zwei Wochen wieder Schecks aus«, antwortete er verärgert.

      »Ist es etwas Thomas schuld, dass du die Überweisungen nicht rechtzeitig eingeleitet hast?«, hakte Sherman nach. William schwieg. »Dann musst du ihn eben aus deiner eigenen Tasche bezahlen.«

      William lief rot an. »Natürlich, Sir«, murmelte er und eilte hinaus.

      Shermans Lächeln kehrte nun in sein Gesicht zurück. »Dann ist die einzige Sache, über die wir noch nicht gesprochen haben, wohl die Frage, wann wir uns wieder einmal zum Golfspielen treffen.«

      Ich war neugierig, was William und Leona Spieth anbetraf, und deshalb suchte ich ihre Wohnadresse aus der Akte heraus und diktierte sie in mein iPhone. Das Anwesen der Spieths war eine einstöckige Villa im Stil einer Ranch und befand sich in West Meade, einer bekannten Wohngegend in Nashville. Die Häuser waren nicht allzu riesig, hatten zumeist einen großen Vorgarten und waren gut in Schuss. Ich fuhr ein paar Mal um den Block, bemerkte hinter dem Haus noch einen Garten mit Pool, drumherum einen schmiedeeisernen Zaun, aber ansonsten nichts Auffälliges. In der Einfahrt standen auch keine Autos.

      »Robard Trucking Company«, sprach ich in mein iPhone und schlug nun die Route ein, die mir die körperlose Stimme ansagte. Zwischendurch musste ich fünf Mal anhalten, um mir die Namen und Adressen der Banken entlang der Fahrt zu notieren.

      »Könnte ja vielleicht später wichtig sein«, murmelte ich.

      Eine Stunde später fand ich mich an meinem Lieblingsort wieder, einem Zigarrenladen am südlichen Ende der Stadt, ganz in der Nähe der I-65. Als ich den Wagen einparkte, vibrierte mein Handy. Eine Textnachricht, mit derselben Vorwahl wie die Nummer dieser verrückten alten Schachtel von heute Vormittag. Die restlichen vier Ziffern hatte ich bereits wieder vergessen, aber die SMS stammte definitiv von ihr. Ich schaltete den Motor aus und las die Nachricht.

       Wir müssen uns unterhalten!

      Ich stöhnte, kramte meinen Flachmann hervor und nahm einen großen Schluck. Diese Frau trieb mich so langsam in den Wahnsinn, aber vielleicht besaß sie ja doch genügend Geld, denn immerhin musste ich irgendwie meine Rechnungen bezahlen. Also antwortete ich ihr, dieses Mal ebenfalls als geschriebene Nachricht.

      Wenn Sie sich wirklich mit mir unterhalten wollen, schlage ich vor, dass wir uns persönlich treffen und Ihre Situation besprechen. In der nächsten Stunde finden Sie mich in einem Laden namens Mick’s Place.

      Ich schrieb ihr die Adresse, tippte auf Senden und betrat den Laden.

      Mick O’Hara, der Eigentümer, saß auf einer dick gepolsterten Ledercouch – einer weitaus bequemeren Version als der im Empfangsbereich von Shermans Kanzlei – und las in der Tageszeitung. Er machte sich nicht einmal die Mühe, von seiner Lektüre aufzusehen.

      »Gehst du in den Humidor?«

      »Zufälligerweise ja.«

      »Dann sei ein braver Kerl und bringe mir eine Padron mit. Du weißt schon welche«, sagte er und blätterte seine Zeitung um. So spielte sich das bei ihm immer ab, für gewöhnlich wartete er jedoch, bis ich mich gesetzt hatte, um mir dann zu sagen, dass ich ihm bei der Gelegenheit auch gleich einen neuen Kaffee hätte bringen können. Dieses Mal kam ich ihm allerdings zuvor und füllte gleich beide Tassen, bevor ich mich auf der angrenzenden Couch neben ihm niederließ. Erst dann schien er mich überhaupt richtig wahrzunehmen. Wir holten unsere Zigarren hervor und zündeten sie uns gegenseitig


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