Dr. Norden Bestseller Staffel 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Staffel 3 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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alles plötzlich irrsinnig interessant.

      »Ich werde auch mal Polizist«, sagte er.

      Der junge Mann drehte sich um. »Überlege es dir gut, Junge, das ist kein Zuckerlecken«, sagte er.

      »Das merke ich schon«, sagte Frank.

      »Und Reichtümer kann man dabei auch nicht sammeln«, sagte der andere.

      »Mutti sagt immer, daß es wichtig ist, wenn man anständig über die Runden kommt und keine Schulden macht. Reich kann nicht jeder sein.«

      »Was hast du für eine gescheite Mutter.«

      »Ja, das weiß ich, und ich habe schreckliche Sehnsucht nach ihr«, sagte Frank.

      Es war nur gut, daß der junge Polizist zufällig über die Hintergründe unterrichtet war und keine Fragen stellte.

      »Bist ein prima Kerl, Frank«, sagte er nur. »Du würdest es bei der Polizei bestimmt auch weit bringen.«

      Frank richtete sich auf. »Da bringen sie Robert und Alfred«, stieß er hervor.

      »Dann sei mal schön brav, damit sie dich nicht sehen«, sagte er. »Duck dich, wir müssen doch erst wissen, ob sie allein sind.«

      Sie waren allein, zwei hungrige, frierende und heulende Burschen, von ihrem Gewissen geplagt. Sie konnten eine Stunde später ihren ebenfalls in Angst aufgelösten Eltern übergeben werden. Aber fast gleichzeitig konnten die anderen Burschen, die weit mehr auf dem Kerbholz hatten, dingfest gemacht werden. In einem abbruchreifen Haus, in einer verlassenen Kneipe, und sie erfuhren nie, daß Frank dem Kommissar diesen Tip gegeben hatte. Frank wußte es selber nicht mehr, weil er so aufgeregt war und nun schon ganz darauf eingestellt, daß er auch einmal Polizist werden wollte.

      Ursel war glücklich, als sie ihren Bruder umarmen konnte. Daniel Norden war glücklich, daß er ihnen sagen konnte, daß sie ihre Mutter am nächsten Tag besuchen durften. Fee war überglücklich, daß wenigstens für sie dieser Tag einen beruhigenden Abschluß fand.

      Für Kommissar Röck wäre er auch zu Ende gewesen. Er hätte seiner wohlverdienten Ruhe frönen können, wenn da nicht noch ein Anruf aus der Frauenklinik gekommen wäre, der ihn alle Müdigkeit vergessen ließ.

      »Warum fährst du noch mal weg, Papi?« fragte seine Tochter Annette traurig, denn sie hatte doch so lange auf ihn gewartet.

      »Es ist ganz dringend, Annettchen«, erwiderte er. »Morgen habe ich einen freien Tag. Da gehen wir lange spazieren und in einem ganz feinen Lokal zum Essen, und dann werde ich dir etwas erzählen, was dich freuen wird.«

      »Schließ aber gut ab, Papi«, sagte Annette.

      »Darauf kannst du dich verlassen, mein Liebling.« Er küßte sie auf ihr seidiges Blondhaar, und dann fuhr er zur Klinik.

      Dort hatte eine Frau nach ihm verlangt, die er sehr mochte, eine Frau, die vor ein paar Stunden ein Kind zur Welt gebracht hatte, das aber in Lebensgefahr schwebte. Einen kleinen Jungen, der nun im Inkubator lag, und um dessen kleines Leben man kämpfte.

      Aber Helmut Röck dachte nur an Leslie, daran, daß sie in der Narkose seinen Namen genannt hatte und daß sie unbedingt leben mußte! Er wollte ihr helfen, wenn das Kind nicht überlebte und ihr in ihrem Kummer beistehen. Er dachte nicht daran, daß er zwischen gestern und heute gerade drei Stunden geschlafen hatte.

      *

      Leslie war schnell aus der Narkose erwacht, die man so kurz wie nur möglich hatte halten dürfen, um ihr Leben nicht zu gefährden.

      »Helmut Röck«, hatte sie geflüstert, und für Dr. Leitner war das wie ein Signal gewesen.

      Einmal hatte es in seinem Leben eine Frau gegeben, die in ihrer Sterbestunde nach ihm gerufen hatte. Eine Frau, die er sehr geliebt hatte. Er war zu spät gekommen.

      Er wußte auch jetzt nicht, ob Leslie überleben würde. Sie war genauso gefährdet wie ihr Kind. Er hatte alles getan, was er konnte. Er war ausgepumpt, völlig fertig, aber zu diesem Anruf hatte seine Kraft noch gereicht, weil er nun alle Hoffnung in diesen ihm fremden Mann setzte.

      Ihn selbst zu empfangen, war er nicht mehr fähig. Schwester Irmingard tat es, die, in ihrem Beruf in Ehren ergraut, ihm jetzt treu zur Seite stand.

      »Kommen Sie, Helmut Röck«, sagte sie, »aber ich muß Ihnen sagen, daß Frau Holden in sehr schlechter Verfassung ist.«

      Sein müdes Gesicht fiel noch mehr ein. »In sehr schlechter Verfassung?« fragte er stockend, »und das Baby?«

      »Es liegt im Brutkasten. Es waren schlimme Stunden.«

      Schlimme Stunden waren es auch für ihn gewesen, aber daran dachte er nicht mehr, als er sich an Leslies Bett setzte.

      Bleich, verklärt, so schön, wie die junge Schwester gesagt hatte, als man sie in den OP fuhr, aber mit weit offenen Augen, lag sie in ihrem Bett.

      Helmut Röck nahm ihre Hand, die federleicht war, und hob sie an seine Lippen.

      »Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Sohn, «, sagte er leise und mit aller Selbstbeherrschung.

      »Mein Sohn«, wiederholte sie. »Ich möchte ihn Helmut nennen, darf ich?«

      »Das ist eine große Ehre für mich«, sagte er heiser.

      »Vielleicht werde ich morgen nicht mehr leben, Helmut«, flüsterte sie, »dann wäre es nur eine Verpflichtung. Darf ich sie Ihnen aufladen? Würden Sie sein Pate sein und über ihn wachen? Meine Freunde werden für ihn sorgen, das weiß ich, aber ein Kind braucht ein Vorbild.«

      Er neigte sich tief über ihre Hand. »Sie werden leben, Leslie. Du wirst ganz bestimmt leben«, flüsterte er. »Du wirst dich an deinem Kind freuen.«

      »Ich weiß ja nicht einmal, ob es lebt«, sagte sie.

      »Ja, es lebt. Es liegt im Brutkasten. Annette hat auch im Brutkasten gelegen, und du wirst sehen, daß sie ein hübsches und gesundes Mädchen geworden ist. Du wirst Annette bestimmt mögen und sie dich auch«, fuhr er stockend fort. »Du mußt an das Leben denken, Leslie, an dein Leben, das mir schon so viel bedeutet. Auch an mich, weil ich nicht noch einmal einen Menschen verlieren will, den ich liebe, ich liebe dich nämlich.« Und dann legten sich seine Lippen auf ihre kühle Wange, glitten zu ihrer Stirn und spürten, daß das Blut durch ihre Adern pulsierte. Ihre Hand legte sich an seine Wange. »Du bist so lieb, Helmut«, flüsterte sie. »Wir haben uns viel zu sagen.«

      Aber dazu fehlte ihr dann doch die Kraft. Er hatte sekundenlang Angst und lauschte auf ihren Atem wie ein Ertrinkender, aber dann wurde er ruhiger und drückte auf die Glocke.

      Schwester Irmingard kam. »Es geht ja schon wieder«, sagte sie, als sie nach Leslies Puls gegriffen hatte.

      »Und was mit mit dem Kind?« fragte er.

      »Es macht sich auch«, erwiderte sie.

      »Kann ich es sehen?« fragte Helmut Röck.

      »Aber nur durch die Scheibe.«

      »Ich kenne das. Ich habe das alles schon einmal mitgemacht«, sagte er.

      Und dann stand er vor der Scheibe. Da strampelte das kleine Lebewesen mit ungezielten Bewegungen. Aber es strampelte und verriet, daß es leben wollte.

      »Du wirst dich anstrengen, Helmut«, sagte er vor sich hin. »Du wirst deiner Mutter keinen Kummer machen, und eines Tages will ich dich an die Hand nehmen und deine ersten Schritte miterleben.«

      Und dann merkte er, daß sich die Scheibe beschlug, weil seine Augen feucht wurden.

      »Der kämpft sich schon durch«, sagte Schwester Irmingard gütig.

      »Das will ich auch hoffen«, sagte Helmut Röck. »Es

      ist mein Patenkind, meine Tochter hat sich immer einen Bruder gewünscht. Na, das werden wir doch wohl erleben.«

      »Guter Gott, war der Mann müde«, sagte Schwester Irmingard später zu Dr. Leitner, als


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