Dr. Norden Bestseller Staffel 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg
hast du ja sehr wenig Zeit«, fuhr sie fort, »aber vielleicht kann Omi dann mal hingehen. Ich kann ja mal Denise besuchen. Sie haben mich eingeladen. Sie darf auch nicht zu Leslie, obwohl sie schon größer ist als ich.«
Das war ihr doch eine Genugtuung, und als sie dann wieder daheim waren und die Omi auch bald kam, hatte sie genug der Neuigkeiten zu verkünden.
Es war natürlich eine große Freude, daß die Omi gar kein Gesicht machte, sondern schmunzelte. Und selbstverständlich war sie auch bereit, Leslie zu besuchen.
»Leslie ist ein sehr, sehr hübscher Name«, sagte Annette. »Wenn wir mal noch ein Mädchen bekommen, nennen wir es auch so, gell, Papi?«
»Nun hast du es gehört«, raunte Frau Röck ihrem Sohn zu. Und sie freute sich, daß er rot wurde.
*
Am nächsten Vormittag konnte auch Fee das kleine Sorgenkind der Frauenklinik betrachten. Selbst Ärztin, konnte sie sich schon ein eigenes Urteil erlauben. Das lautete durchaus positiv.
»Der macht sich«, sagte sie. »Es wird nicht mehr lange dauern, bis er alles aufgeholt hat.«
Über ihren eigenen Zustand konnte Dr. Leitner seinen Freund Daniel beruhigen.
»Fee ist in Bestform«, sagte er. »Du bist ein beneidenswerter Bursche, Dan.«
»Jetzt wird es langsam Zeit, daß du dich auch mal an die Kette legen läßt«, scherzte Daniel, dem es immer leid tat, wenn er den melancholischen Blick des Freundes sah. Bei ihm brauchte er nicht zu rätseln, wo der Hase im Pfeffer lag. Schorsch vermißte das Familienleben. Er war sehr sensibel. Bei ihm ging alles unter die Haut, auch wenn es nicht die große Liebe war. Die Frauen, die seinen Weg gekreuzt hatten, waren am Ende doch nicht die richtigen gewesen, und es war gut, daß es nie zur Heirat gekommen war.
Das jedenfalls war Daniels Meinung.
Schorsch brauchte eine Frau, die lebensbejahend, lustig, sogar ein bißchen forsch war, die ihn aufmunterte, ohne ihn zu treiben.
Er war ein guter Mensch und der beste Freund, den man sich vorstellen konnte. Er hatte lange mit seiner Mutter zusammengelebt, und die hätte auch gern eine Schwiegertochter und Enkel gehabt, aber sie hatte einen anderen Geschmack als ihr Sohn.
Zeit für einen Frühschoppen nahm er sich schon, aber dann wollte er gleich wieder an die Arbeit gehen.
»Du bist nicht zu retten«, sagte Fee.
»Das kannst du deinem Mann aber manchmal auch sagen«, erwiderte er.
»Das tue ich auch, Schorsch.« Sie blickte auf und sah eine junge Dame kommen, die freundlich grüßend vorbeiging.
»Wer ist denn das?« fragte Fee interessiert.
»Schwester Claudia«, erwiderte Schorsch. »Sie hat vorige Woche angefangen. Sie ist sehr tüchtig.«
»Und sehr hübsch«, sagte Fee lächelnd.
»Tatsächlich?« fragte Schorsch irritiert. »Mir kommt es darauf an, daß sie etwas leistet.«
»Aber genauer anschauen könntest du sie auch mal«, sagte Fee neckend.
»Was bringt das schon ein? Soll sie denken, ich gehöre zu denen, die gleich ein Gspusi anfangen? Sie hat ihre letzte Stellung aufgegeben, weil sie diesbezüglich nicht mit dem Chefarzt ausgekommen ist.«
»Woher weißt du das?«
»Weil sie es mir gesagt hat, um keine Unklarheiten aufkommen zu lassen.«
»Eine resolute junge Dame«, stellte Daniel fest.
»Ja, sie ist eine Dame«, sagte Schorsch und lächelte nun doch flüchtig. »Und deshalb nehme ich lieber ihre beruflichen Qualitäten zur Kenntnis als ihre Erscheinung.«
»Über sie hinwegsehen kann man aber nicht«, meinte Fee neckend, und als sie dann mit Daniel vor der Tür stand, raunte sie ihm zu: »Anscheinend ist er wirklich nicht zu retten.«
»Warten wir es ab.«
Fee warf ihm einen schrägen Blick zu. »Diesmal hörst du aber die Flöhe husten, Schatz«, sagte sie.
»Tja, anscheinend bin ich heute besonders hellhörig«, gab er lächelnd zurück. »Du wirst ja in sechs Wochen Gelegenheit haben, diese junge Dame genau unter die Lupe zu nehmen, und dann wollen wir doch mal sehen, ob der gute Schorsch nur ihre beruflichen Qualitäten schätzt.« Er machte eine kleine Pause, denn sein Blick war abgeschweift. »Ei, wer kommt denn da?« murmelte er. »Kommissar Röck mit Familie. Da hat es wahrhaft schnell gefunkt.«
»Richtig romantisch«, sagte Fee. »So was freut einen doch. So ein nüchterner Kommissar und Liebe auf den ersten Blick.«
»So nüchtern ist er halt nicht, aber er hat uns schon gesehen. Sagen wir Grüß Gott, dann können wir gleich feststellen, in welche Familie Baby Helmut kommt.«
Sie konnten später nur übereinstimmend sagen, daß der Kleine da ganz gewaltiges Glück hatte. Aber auch für Leslie traf das zu, denn Annette sagte ganz zutraulich: »Jetzt macht Papi die Omi mit Leslie und unserem Patenkind bekannt, und da kann ich warten. Dann gehen wir zum Essen, und dann kann Papi noch mal allein hergehen, hat Omi gesagt.«
»Dann wünschen wir noch einen ganz schönen Nachmittag«, sagte Fee herzlich.
Annette hatte noch allerlei zu dieser Bekanntschaft zu sagen, vor allem aber, daß sie den netten Onkel Doktor auch haben wolle, wenn ihr mal wieder was fehle.
»Ist schon beschlossen«, versprach ihr Papi.
*
An diesem Sonntag hatte man wahrhaftig Grund, zufrieden zu sein. Den Nachmittag verbrachten Daniel und Fee mit ihrem Söhnchen und führten ein langes Telefongespräch mit der übrigen Familie, die auf der Insel der Hoffnung auch gemütlich beisammensaß.
Lenni war mit Frank und Ursel in die Klinik gefahren, damit Frau Nowatzki die gute Seele, die ihre Kinder so umsorgte, auch kennenlernte. Eine Schale mit Gebäck, Zeitschriften und einen großen Blumenstrauß hatten sie mitgenommen, aber sie fanden dann schon ein Blumenmeer vor, und die Stationsschwester stöhnte, als nun noch einer dazukam.
Wie bei einem Filmstar ginge es hier zu, meinte sie, aber sie lachte dazu freundlich.
Ja, das hätte sich Frau Nowatzki niemals träumen lassen, daß so viele Menschen ihr Freude machen wollten. Ihr Gesicht hatte schon wieder Farbe bekommen.
Sie wurde so verwöhnt, daß sie es gar nicht fassen konnte. Sogar Robert und Alfred hatten ihr geschrieben und sie um Entschuldigung gebeten. Von beiden Elternpaaren waren Blumengebinde mit einem Umschlag gekommen, in dem sich einige blaue Geldscheine befanden.
Frank und Ursel machten ganz große Augen. »Nun wirst du auch noch reich, Mutti«, sagte er, »aber lieber wäre es uns doch, wenn es nicht passiert wäre.«
Aber was wäre dann? Frau Nowatzki hatte darüber lange nachgedacht. Sie hatte doch nicht einfach zusehen können, daß beide Buben in ihrer Rauflust vor die Trambahn gefallen wären. Dieses Bild wäre sie nie in ihrem Leben losgeworden, sie, die Kinder so gern hatte. Sie hätte nicht zuschauen können, obwohl sie ihre Kinder doch so sehr liebte. Und dann sagte sie sich auch, daß der Herrgott ihr einen Schutzengel gesandt hatte, der das Schlimmste verhütete.
So unsagbar viel Freude war nun in ihr bescheidenes Leben gekommen. Es war gar nicht so einfach, daran zu glauben, daß es nun besser gehen würde als vorher, wenn auch mit einem lahmen Bein. Besser das, als vom Gewissen geplagt zu werden, nichts getan zu haben.
Bei den Attenbergs war großer Familientag. Denise hatte beide Großelternpaare um sich, die sich persönlich überzeugen wollten, daß Raimund nichts Ernsthaftes passiert war.
Von Denises Extratour erfuhren sie nichts. Das brauchte nicht noch Wellen zu schlagen. Man wollte nicht mehr davon sprechen. Jetzt strahlten ja die Kinderaugen wieder, und um ihrem geheimen Wunsch auch sehr ernsthaften Nachdruck zu verleihen, erklärte Denise, daß sie ihren