Wyatt Earp Staffel 4 – Western. William Mark D.
einen Fußtritt und ging hinaus.
Die Frau hörte seine Schritte in der Halle und dann auf dem Vorbau.
Ihr Gesicht war starr geworden. Plötzlich stürzte sie vorwärts und riß ein großes Winchestergewehr von der Wand.
Sie lud es durch.
Bei dem Geräusch zuckte der Mann draußen auf dem Vorbau zusammen. Mit einem Satz saß er im Sattel und riß seinen Wallach herum.
Susan Cadd stand am Fenster und hatte das Gewehr angehoben.
Der Reiter war jetzt genau in der Schußlinie.
Susans rechter Zeigefinger spannte sich um den Abzugshahn. Dann schloß sie die Augen – und ließ das Gewehr wieder sinken. Sie konnte nicht auf einen Menschen schießen. Auch nicht auf ein Pferd.
Sie wußte, daß der Vater keinen Cent in Shaw auf der Bank hatte. Daß die beiden Bündel, die der Mörder gestohlen hatte, sein ganzes Geld gewesen waren. Vater hatte erst vor drei Wochen den Rest der Landkaufsumme bezahlt und konnte erst im Herbst wieder mit neuen Herdeneinnahmen rechnen.
Inzwischen mußten die Cowboys bezahlt werden und eine Menge Dinge für den Lebensunterhalt gekauft werden.
Die Rinder, die Jonathan Cadd auf seiner Weide stehen hatte, waren alles, was er besaß. Es waren nicht sehr viele – und er hatte jahrelang dafür geschuftet, daß er sie sich kaufen konnte.
Und das Geld in der eisenbeschlagenen Kassette wurde dringend für die Existenz der Ranch gebraucht.
Dennoch hatte sie nicht schießen können.
*
Der Mörder hatte sein Schuldkonto nun aber noch um einen Raub erhöht.
Auf seinem schnellen Wallach floh er wieder auf die Berge zu.
Er entkam.
Die Cowboys von der Cadd-Ranch hatten ihn gesucht, aber es war ihm gelungen, ihnen zu entfliehen.
Die Gegend war nun gefährlich für ihn geworden. Wenngleich der Texaner sich auch auf sein schnelles Pferd verlassen konnte, hatte er doch auf die Dauer keine Chance, sich hier im County zu halten.
Viele Hunde sind des Hasen Tod. Sie würden ihn jagen und irgendwann doch einmal einkesseln. Das mußte er verhindern. Allerdings hatte er nur die eine Möglichkeit, so schnell wie möglich hier zu verschwinden.
Tagelang ritt er durch die Berge.
So weit nach Nordwesten, daß er annehmen konnte, daß zumindest die Männer von der Cadd-Ranch nicht mehr auf seiner Fährte waren.
Es waren neun Tage vergangen, als er viele Meilen westlich von Colorado Springs in die Stadt Florissant einritt.
Es war an einem Abend.
Der Mann war gezwungen, die Stadt aufzusuchen. Sein Proviant war schon seit zwei Tagen aufgebraucht.
Halbot hatte nach einer Farm gesucht, war durch die steilen Täler geritten, hatte eine Sägemühle oder ein Holzfäller-Camp gesucht – ohne Erfolg.
Er hatte nur eine halbverfallene alte Ranch gefunden, die sicherlich seit einem Jahrzehnt keinen Menschen mehr gesehen hatte.
Müde, hungrig, erschöpft und niedergeschlagen trottete der Reiter in die
Mainstreet von Florissant. Trotzdem hatte Jake Halbot immer noch nicht begriffen, daß er den bittersten und schlechtesten Job gewählt hatte, den der Westen zu vergeben hatte: Er war ein Outlaw.
Auch hier in dieser Stadt würde es einen Sheriff geben, der einen Schreibtischkasten hatte, in dem der Steckbrief des Mörders aus Texas lag.
Well, sie wußten, daß er aus Texas war, aber seinen Namen kannten sie nicht. Gab es nicht eine Menge Leute aus Texas, die durch die Staaten ritten?
Und war der weit nach vorn gebeugte, vom grauen Steinstaub gepuderte Reiter, der da in die ansteigende Main-street ritt, noch der gleiche Mann, der unten in der Ebene den Vormann der Wilkins-Ranch erschossen hatte?
Wer wollte ihn wiedererkennen?
Und nach der Beschreibung auf dem Steckbrief war der Mann, der hier in Florissant einritt, nicht mehr wiederzuerkennen.
Jake Halbots Bart war gewachsen. Die untere Hälfte seines Gesichtes war mit rotblonden Haaren bedeckt, die den dünnlippigen Mund überwucherten. Das eckige Gesicht war eingefallen und dunkel. Hart stachen die Augen daraus hervor. Nichts war an ihm, das irgendeinen Sheriff bei seinem Anblick an den Steckbrief hätte erinnern können.
Halbot wußte, daß er mit seinem abgerissenen Aussehen nirgends einkehren konnte.
Er hatte ja noch das Geld, das er Susan Cadd geraubt hatte. Genug Geld, um sich in einer weltvergessenen Bergstadt eine schöne Zeit damit zu machen.
Er ritt von der Mainstreet weg und bog in eine der drei Seitenstraßen ein. Was er eigentlich anfangen wollte, wußte er selbst noch nicht. Vielleicht wartete er auch darauf, daß es dunkler wurde.
Neben einer Sattlerei rutschte er vom Pferd und sah plötzlich einen kleinen Jungen vor sich.
»Hallo, Kid!«
Der Kleine zog die schwarzen Brauen hoch. »Woher kennen Sie mich, Mister?« fragte der etwa zehnjährige Junge verblüfft.
Ein müdes Lachen war in den Augen des Mannes. »Ich dachte mir, daß du Kid heißen müßtest.«
Der Kleine hatte einen schwarzen Wuschelkopf und wasserhelle, klare Kinderaugen.
»Wo wohnst du denn?« forschte der Bandit und warf seine Zügelleinen lässig über den Querholm neben der Sattlerei.
»Wir wohnen da unten im letzten Haus, links am Ende der Straße. Da, wo sie schon den Bogen nach Norden macht.«
»Dein Vater hat eine Farm?«
»Mein Vater?« Der Kleine rieb sich seine Stupsnase. »Ich habe keinen Vater mehr. Mama macht mit mir die ganze Arbeit. Manchmal kommt auch Sam. Aber er ist schon alt und hat es in den Knochen. Jedenfalls sagt er das immer.«
»Habt ihr viele Rinder?«
»Es geht.«
»Weshalb sucht deine Mutter dann keine Leute für die Arbeit?«
Kid lachte hellauf. »Sie sucht ja immerzu. Aber hier oben finden sie keine Leute.«
Zehn Minuten später stand Jake Halbot im Halbdunkel des Flurs vor Jenny Winters.
Der Junge hatte ihn durch die Hoftür ins Haus geführt.
Als sich die Küchentür öffnete und Jake gegen das Licht der Kerosinlampe die Silhouette der Frau sah, blieb er stehen.
Es war eine junge Frau.
»Ja –?« fragte sie mit einer dunklen Stimme.
»Ich bringe dir einen Cowboy, einen richtigen Texaner, Ma!« rief der Kleine und zündete eine zweite Kerosinlampe an.
Mit weit offenen Augen verschlang der Tramp die Erscheinung der jungen Frau.
Jenny Winters war damals zweiundzwanzig Jahre alt. Sie hatte brünettes Haar und dunkle Augen. Well, sie war keine ausgesprochene Schönheit, hatte aber doch etwas an sich, das die Männer veranlaßte, ihr nachzuschauen. Jake Halbot sagte, daß er Arbeit suche.
Er bekam Arbeit auf der Farm.
Und fast zwei Wochen ging alles gut.
Da kam eines Morgens Jim Flanagan auf den Hof.
Er war mittelgroß, breit, und hatte ein gutmütiges Hundegesicht. Dreißig Jahre war er alt, hatte struppiges Haar und einen Schnauzbart. Er trug eine schlechtsitzende Hose, ein blaues Kattunhemd und eine braune Weste. Waffen trug er nicht. In einer Zahnlücke klemmte eine zernagte unansehnliche Maiskolbenpfeife.
Jake sah ihn erst, als er fast fünf Yards hinter ihm stand.
»He, Brother, dir gefällt’s