Wyatt Earp Staffel 4 – Western. William Mark D.
auf der linken Seite mußte außergewöhnlich groß sein, denn das Halfter erstreckte sich fast bis zur Kniekehle.
Der Fremde stand mit gespreizten Beinen da und hatte die Arme lässig über der Brust verschränkt.
Ich muß schießen! hämmerte es im Hirn des Verbrechers. Es ist ein Wolf, der da steht, ein ganz harter, gefährlicher Mann.
Halbot dachte an die Augen von Doc Holliday. Er war dem großen Gambler und Gunman unten in Garden City begegnet. Allerdings hatte der Gambler am Spieltisch gesessen und Halbot unter den Männern gestanden, die den Tisch bevölkerten. Irgend etwas in den Augen dieses Mannes, der ihm da gegenüberstand, erinnerte den Texaner an den Blick Doc Hollidays.
Ich muß sofort schießen! Er darf keine Chance haben! Verdammt, wenn nur diese Lähmung in den Armen nicht gewesen wäre.
Die Hand des Banditen zuckte zum Colt – und blieb erstarrt an dem Hirschhornknauf hängen.
Der Fremde hatte einen Revolver in seiner Linken. Einen Colt, wie Halbot ihn noch nicht gesehen hatte, mehrkantig und überlang. Die große schwarze Mündung der Waffe war auf die Brust des Texaners gerichtet.
Die Augen des Fremden waren immer noch eiskalt. »Man sollte nicht mit einem Colt herumlaufen, Mister, wenn man nicht damit umgehen kann.«
Und dann flog der große Revolver mit einem gedankenschnellen Handsalto ins Halfter zurück.
Der Mann kam auf Halbot zu. »Suchen Sie hier jemanden?«
»Ich – suche niemanden«, gab er heiser zurück.
»All right, dann würde ich Ihnen raten, den Colt im Halfter zu lassen. Ich habe es nicht gern, wenn andere Leute mir zeigen wollen, wie man so ein Ding zieht.«
Halbot zwang ein krampfhaftes Lachen auf sein Gesicht. »Well, Sie scheinen jedenfalls verdammt gut mit dem Eisen umgehen zu können.«
»Sure«, entgegnete der Fremde, »das scheint manchen Leuten gegenüber sehr nützlich zu sein.«
Halbot machte einen Schritt zurück. »Einen prächtigen Gaul haben Sie da.«
»Yeah«, antwortete der Fremde. »Ihr Wallach ist aber auch kein schlechtes Tier.«
Halbot erschrak.
Zounds! Wie hatte der Mann sein Pferd sehen können? Es stand doch ein ganzes Stück von hier entfernt in den Büschen. Er mußte ihn kommen gesehen und schon beobachtet haben.
Da ging der Fremde an ihm vorbei auf das Haus zu.
Halbot sah seinen breiten Rücken vor sich, beobachtete den federnden, wiegenden Gang, der einen durchtrainierten Körper und große Kraft verriet.
Seine Rechte kroch zum Colt.
Schon in der Tür wandte sich der Fremde plötzlich um. Sein eiskalter Blick haftete an der Revolverhand Halbots.
»Ich würde es an Ihrer Stelle nicht noch einmal versuchen, Mister. Diesmal könnte es ins Auge gehen.«
Der Texaner erblaßte.
Langsam ging der Fremde ins Haus.
Halbot hörte ihn drinnen herumhantieren. Steif stand er vier Yards vor der Tür und starrte auf das Haus.
Die Hände des Tramps krampften sich zusammen.
»Ich hätte schießen müssen!« kam es tonlos von seinen Lippen. Dann setzte er sich in Bewegung und schlich an das offene Fenster heran. Als er den Kopf vorbeugte, schrak er zusammen. Der Fremde stand wieder hinter ihm an der Tür.
»Hören Sie, Mister, Sie haben ein verdammt komisches Benehmen. Ich habe da drinnen einen Berghahn am Spieß über dem Kaminfeuer. Wenn Sie das Indianerspielen aufgegeben haben, können Sie ein Stück von dem Braten abbekommen.«
Halbot schluckte. Er begriff diesen Mann nicht. Dann aber kam er mit ins Haus, sah sich im zerfallenen Inneren der Hütte um und richtete den Blick auf die Feuerstelle.
Heavens! Was für ein Dummkopf war er doch gewesen.
Drüben in dem gemauerten Kamin hing ein Stück Geflügel am Spieß, und der Rauch zog durch die Esse. Man mußte ihn von draußen sehen können. Weshalb war er nicht von der anderen Talseite gekommen? Weshalb hatte er das Haus nicht genauer beobachtet?
Aber irgendwie fühlte er in seinem Innern, daß es ihm auch dann nicht gelungen wäre, den Fremden zu überraschen. Der Mann hatte etwas unbestimmbar Sicheres an sich, etwas Sonderbares, das der Bandit nicht zu ergründen vermochte.
Jetzt beobachtete er die ruhigen Bewegungen, mit denen der andere den Braten vom Spieß nahm, auf ein sauberes Speisebrett legte und mit geschickten Händen zerteilte.
Er schien nicht die mindeste Sorge zu haben, daß der Texaner noch irgend etwas gegen ihn unternehmen könnte.
Jetzt muß ich es tun! zuckte es durch Halbots Schädel.
Da wandte der Fremde den Kopf und sah ihn an.
Ein winziges Lächeln spielte in seinen Augenwinkeln. »Sie plagen sich da mit ziemlich unnützen Gedanken, Mister. Kommen Sie, setzen Sie sich da hin.«
Halbot ging auf einen Hocker zu, dem das vierte Bein zur Hälfte fehlte.
Er setzte sich, beugte sich vornüber und stierte auf seine behaarten, klobigen Fäuste. Weshalb gelang es ihm nicht, den Mann zu überlisten? Weshalb kam der ihm immer genau in dem Augenblick zuvor, da Halbot etwas unternehmen wollte?
Der Mann hatte eine Keule von dem Berghahn getrennt und reichte sie ihm. Mit der ausgestreckten Linken.
Da sah der Verbrecher seine Chance. Er glaubte zu wissen, daß die Linke die Schußhand des Fremden war. Blitzschnell fuhr seine eigene Rechte zum Revolver.
Aber er hatte die Waffe noch nicht halb aus dem Halter, als er in der rechten Hand des Fremden einen großen fünfundvierziger Colt blinken sah.
Der Fremde lächelte spöttisch. »Ich weiß, Mister. Sie gehören zu den Leuten, die um jeden Preis wissen wollen, wie schnell der andere zieht. Ich denke, da Sie es nun wissen, ist alles in Ordnung.« Er schob den Revolver ins Halfter und hielt Halbot die Geflügelkeule wieder hin. »Vorwärts, ich habe schließlich keine Lust, Ihnen das Ding zu verkaufen.«
Der Texaner hatte die Augen sperrangelweit aufgerissen.
Mit einer mechanischen Bewegung nahm er die Keule an sich und begann lustlos an ihr zu nagen.
Der Fremde war ihm unheimlich geworden. Und plötzlich ertappte sich der Mann, der bisher immer nur andere Menschen in Angst und Schrecken versetzt hatte, bei dem Gedanken, daß er sich weit weg von hier wünschte.
Seelenruhig verzehrte der Fremde seine Portion. Dann erhob er sich, ging hinaus – und gleich darauf vernahm Halbot das quietschende Geräusch einer halbverrosteten Wasserpumpe.
Der Fremde wusch sich die Hände.
Als Halbot vor das Haus kam, sah er, wie der Mann sich eine lange schwarze Zigarre anzündete.
Halbot rollte sich eine Zigarette, zündete sie an und lehnte sich an einen Türpfeiler. »Sie wollen in die Stadt?« fragte er.
Der Fremde warf ihm einen schnellen Blick zu. »In die Stadt? Welche Stadt meinen Sie?«
»Ich weiß nicht, wie sie heißt. Ich stamme nicht aus dieser gottverdammten Gegend.«
»Dachte ich mir. Ich habe noch keinen Texaner getroffen, dem es in den Bergen gefallen hätte.«
Heavens! Er wußte also genau, daß er es mit einem Texaner zu tun hatte. Das war höllisch gefährlich. Vielleicht war der Mann ein Sheriff, oder gar ein Staatenreiter.
Jake Halbot ahnte nicht, wie nahe er mit dieser Vermutung der Wahrheit kam. Er konnte ja auch nicht wissen, daß er hier in diesem entlegenen Bergtal ausgerechnet dem gefährlichsten aller ›Wölfe‹ des Westens vor die Fänge gelaufen war.
Der Fremde rauchte eine Weile schweigend vor