Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada


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sind wie­der da. Wie viel darf es denn sein, mei­ne Dame?«

      Eine hal­be Stun­de vor La­den­schluss kommt Enno. Es ist für ih­ren Ge­fühls­zu­stand be­zeich­nend, dass sie erst jetzt dar­an denkt, dass er sich ja gar nicht auf der Stra­ße se­hen las­sen soll, in sol­cher Ge­fahr, wie er durch die Ge­sta­po war! Bis­her hat sie dar­an gar nicht den­ken kön­nen, so sehr war sie mit dem Ver­rat be­schäf­tigt, den er an ihr be­gan­gen. Aber was hel­fen denn alle Vor­sichts­maß­re­geln, wenn er in ih­rer Ab­we­sen­heit ein­fach los­läuft? Und viel­leicht ist all das mit der Ge­sta­po auch Lug und Trug? Bei die­sem Man­ne ist al­les mög­lich!

      Er hat na­tür­lich schon an dem hoch­ge­zo­ge­nen Roll­la­den ge­merkt, dass sie wie­der im La­den ist. Er kommt von der Stra­ße her­ein, vor­sich­tig und be­hut­sam schlän­gelt er sich durch die Kun­den, lä­chelt ihr zu, als sei nicht das Ge­rings­te vor­ge­fal­len, und sagt, in der Stu­be ver­schwin­dend: »Ich kom­me gleich und hel­fe, Che­fin!«

      Und er kommt wirk­lich sehr schnell zu­rück, und not­ge­drun­gen, um vor der Kund­schaft das An­se­hen zu be­wah­ren, muss sie mit ihm spre­chen, ihm An­wei­sun­gen ge­ben, tun, als sei nichts ge­sche­hen – und doch ist ihre Welt ein­ge­stürzt! Aber sie lässt sich nichts mer­ken, sie geht so­gar auf sei­ne schwa­chen Witz­chen ein, die er heu­te be­son­ders reich­lich be­reithält, und nur, als er an die La­den­kas­se will, sagt sie scharf: »Bit­te, die Kas­se be­sor­ge ich!«

      Er ist et­was zu­sam­men­ge­fah­ren, mit ei­nem scheu­en Blick sieht er sie von der Sei­te an – wie ein Hund, der ge­schla­gen wird, ja, ge­nau wie ein ver­prü­gel­ter Hund, denkt sie. Dann hat sich sei­ne Hand in die Ta­sche ge­tas­tet, ein Lä­cheln ist auf sein Ge­sicht ge­tre­ten, ja­wohl, er hat den Schlag schon wie­der ver­wun­den.

      »Zu Be­fehl, Che­fin!«, schnarrt er und knallt die Ab­sät­ze zu­sam­men.

      Die Kun­den la­chen über den klei­nen, ko­mi­schen Mann, der da Sol­dat spie­len will, aber ihr ist nicht zum La­chen zu­mu­te.

      Dann ist der La­den ge­schlos­sen. Fünf vier­tel Stun­den ar­bei­ten sie noch eif­rig mit­ein­an­der, ganz mit Füt­tern und Trän­ken und Säu­bern be­schäf­tigt, bei­de schließ­lich fast wort­los, nach­dem sie auf sei­ne Scher­ze, die er im­mer wie­der ver­such­te, nicht ein­ge­gan­gen war.

      Frau Hete steht in der Kü­che, sie macht das Abendes­sen zu­recht. Sie hat Brat­kar­tof­feln in der Pfan­ne, rich­ti­ge, schö­ne Brat­kar­tof­feln, mit Speck an­ge­bra­ten. Den Speck hat sie von ei­ner Kun­din im Aus­tausch ge­gen einen Har­zer Rol­ler be­kom­men. Sie hat sich dar­auf ge­freut, ihn mit ei­nem so schö­nen Abendes­sen über­ra­schen zu kön­nen, denn er isst ger­ne was Gu­tes. Die Kar­tof­feln wer­den schön gold­gelb.

      Aber plötz­lich löscht sie die Gas­flam­me un­ter der Pfan­ne. Plötz­lich kann sie auf die­se Auss­pra­che nicht mehr war­ten. Sie geht in die Stu­be, lehnt sich mit dem Rücken, dun­kel und mas­sig, ge­gen den Ofen und fragt in ei­nem fast dro­hen­den Tone: »Nun?«

      Er hat am Tisch ge­ses­sen, dem Abend­brot­tisch, den er für sie bei­de ge­deckt hat­te, vor sich hin flö­tend, nach sei­ner Ge­wohn­heit.

      Bei die­sem dro­hen­den »Nun?« fährt er zu­sam­men, er steht auf und sieht zu der dunklen Ge­stalt hin­über.

      »Ja, Hete?«, sagt er. »Gib­t’s bald Abendes­sen? Ich hab mäch­ti­gen Kohldampf.«

      Sie möch­te ihn vor Wut schla­gen, die­sen Mann, der glaubt, sie ist be­reit, einen sol­chen Ver­rat tot­zu­schwei­gen! Der fühlt sich ja schon sehr si­cher, die­ser Herr, weil er mit ihr in ei­nem Bett ge­schla­fen hat! Sie ist von ei­nem ganz un­ge­wohn­ten Zorn er­fasst, am liebs­ten wür­de sie den Kerl schüt­teln und schla­gen, noch ein­mal und noch ein­mal.

      Aber sie be­zwingt sich und wie­der­holt nur noch ein­mal ihr »Nun?«, nur noch dro­hen­der.

      »Ach so!«, sagt er. »Du meinst das mit dem Geld, Hete.« Er greift in die Ta­sche und zieht einen Hau­fen Schei­ne her­vor. »Da, Hete, das sind 210 Mark, und ich hat­te 92 Mark aus der Kas­se ge­nom­men.« Er lacht ein biss­chen ver­le­gen. »Da­mit ich doch auch et­was zur Wirt­schaft bei­steue­re!«

      »Und wie kommst du zu dem vie­len Geld?«

      »Heu­te Nach­mit­tag war das große Tra­b­er­ren­nen in Karls­horst. Ich bin gra­de noch recht­zei­tig ge­kom­men, um Ade­bar zu set­zen. Ade­bar, Sieg. Ich wett näm­lich ger­ne auf Pfer­de. Ich ver­ste­he ziem­lich viel von Ren­nen, Hete.« Er sagt das mit ei­nem bei ihm ganz un­ge­wohn­ten Stolz. »Nicht die gan­zen 92, nur 50 Mark habe ich ge­setzt. Die Quo­te war …«

      »Und was hät­test du ge­tan, wenn das Pferd nicht ge­won­nen hät­te?«

      »Aber Ade­bar muss­te ge­win­nen – da gab’s gar nichts an­de­res!«

      »Und wenn er doch nicht ge­won­nen hät­te?«

      Jetzt ist er es ein­mal, der sich der Frau über­le­gen fühlt. Er lä­chelt, als er sagt: »Sieh mal, Hete, du ver­stehst nichts vom Rennsport, ich ver­ste­he aber al­les da­von. Und wenn ich sage: Ade­bar ge­winnt, und ris­kie­re so­gar 50 Mark dar­auf …«

      Sie un­ter­bricht ihn. Sie sagt scharf: »Du hast mein Geld ris­kiert! Das will ich nicht ha­ben! Wenn du Geld brauchst, sagst du es, du sollst bei mir nicht nur für die Kost ar­bei­ten müs­sen. Aber ohne mei­ne Er­laub­nis nimmst du kein Geld aus der Kas­se, ver­stan­den?«

      Bei die­sem un­ge­wohnt schar­fen Ton ist er wie­der völ­lig un­si­cher ge­wor­den. Er sagt kla­gend (und sie weiß, gleich wird er los­wei­nen, und sie fürch­tet sich schon vor die­sen Trä­nen), er sagt also kla­gend: »Aber wie re­dest du denn mit mir, Hete? Als ob ich nur dein Ar­bei­ter wäre! Na­tür­lich neh­me ich nicht wie­der Geld aus der Kas­se. Ich dach­te bloß, ich wür­de dir eine Freu­de ma­chen, wenn ich so schön Geld ver­die­ne. Wo der Sieg doch auch ganz si­cher war!«

      Sie geht gar nicht auf die­ses Ge­schwätz ein. Das Geld war ihr ja im­mer Ne­ben­sa­che, das Wich­ti­ge war das ent­täusch­te Ver­trau­en. Er denkt jetzt, sie ist bloß we­gen des Gel­des är­ger­lich, so ein Schwach­kopf! Sie sagt: »Und we­gen die­ser Pfer­de­wet­te­rei hast du also ein­fach den La­den zu­ge­macht?«

      »Ja«, sagt er. »Du hät­test ihn doch auch zu­ma­chen müs­sen, wenn ich nicht da ge­we­sen wäre!«

      »Und dass du ihn zu­ma­chen woll­test, das hast du schon ge­wusst, als ich fort­ging?«

      »Ja«, sagt er ganz dumm. Und ver­bes­sert sich rasch: »Nein, na­tür­lich nicht, sonst hät­te ich dich um Er­laub­nis ge­be­ten. Es ist mir erst ein­ge­fal­len, als ich bei dem klei­nen La­den von dem Buch­ma­cher vor­bei­kam, in der Neu­en Kö­nigs­tra­ße, weißt du. Da las ich im Vor­bei­ge­hen die Tipps, und als ich da als Au­ßen­sei­ter Ade­bar las, da habe ich mich erst ent­schlos­sen.«

      »So!«, sagt sie. Sie glaubt ihm nicht. Das hat er schon vor­her vor­ge­habt, ehe er sie in die U-Bahn setz­te. Ihr ist ein­ge­fal­len, dass er heu­te früh so lan­ge mit der Zei­tung her­um­ge­knis­tert hat und dass er dann lan­ge auf ei­nem Zet­tel ge­rech­net hat, im­mer noch, als schon die ers­ten Kun­den im La­den wa­ren. »So!«, sagt sie noch ein­mal. »Und du gehst also ein­fach in der Stadt spa­zie­ren, wo wir doch aus­ge­macht ha­ben, du lässt dich we­gen der Ge­sta­po mög­lichst nicht drau­ßen se­hen?«

      »Du hast doch auch er­laubt, dass ich dich bis an die U-Bahn brin­ge!«

      »Da


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