Dr. Daniel Paket 1 – Arztroman. Marie Francoise
hervorruft.«
Kerstin überlegte eine Weile. Was Dr. Daniel da sagte, klang plausibel, trotzdem war ihre Angst noch nicht vollends beseitigt.
»Und dieses eigenartige Ziehen, das ich immer noch verspüre?« hakte sie daher nach.
»Auch das kann ein Zeichen für eine Entzündung sein«, meinte Dr. Daniel. Er seufzte. »Leider hatte ich in München nicht genügend Zeit, um Ihnen das so ausführlich zu erklären. Das war auch der Grund, weshalb ich Sie für heute hierhergebeten habe.« Er schwieg einen Moment, um den verlorenen Faden wiederzufinden. »Wissen Sie, Frau Wenger, gerade Frauen, die eine Spirale tragen, neigen wesentlich häufiger zu Unterleibsentzündungen, denn – wenn ich das so bildlich ausdrücken darf – an dem Kontrollfaden können Bakterien buchstäblich nach oben klettern.«
»Und… was glauben Sie, Herr Doktor?« wollte Kerstin wissen. »Ich meine… denken Sie, daß es Krebs ist?«
»Da kann und darf ich mich nicht festlegen lassen«, entgegnete er. »Warten wir das Ergebnis der Abstrich-Untersuchung ab.«
Kerstin war ein wenig enttäuscht über diese Antwort, verstand Dr. Daniels Standpunkt allerdings sehr gut. Er durfte ihr keine falschen Hoffnungen machen, die sich hinterher vielleicht nicht erfüllen würden.
»Ich schätze, daß ich morgen oder spätestens übermorgen Bescheid bekomme«, fügte Dr. Daniel hinzu. »Und sobald ich das Ergebnis in Händen halte, rufe ich Sie an. Und dann entscheiden wir auch die weitere Behandlungsweise.«
Kerstin stand auf und reichte Dr. Daniel die Hand.
»Danke, Herr Doktor«, erklärte sie. »Das Gespräch mit Ihnen hat mir sehr geholfen. Ich habe zwar immer noch ein bißchen Angst vor dem Ergebnis, aber ich steigere mich in keine Panik mehr hinein.«
»Das ist gut so«, meinte Dr. Daniel. »Und ich verspreche Ihnen, daß Sie noch diese Woche von mir hören werden.«
*
Gleich bei Beginn der großen Pause hatte Darinka Stöber das Schulhaus verlassen und war zu der nahegelegenen Telefonzelle gelaufen. Mit zitternden Fingern warf sie Kleingeld ein und erfragte bei der Auskunft erst mal Dr. Daniels Telefonnummer, dann wählte sie erneut und wartete atemlos darauf, daß jemand abheben würde.
»Praxis Dr. Daniel«, meldete sich auch gleich eine sympathische Frauenstimme.
»Guten Tag.« Darinka räusperte sich, doch ihre Stimme wurde deswegen kaum klarer. »Ich… mein Name ist Stöber, und ich bräuchte einen Termin bei Dr. Daniel. Möglichst am Nachmittag.«
»Ich hätte für heute noch einige Termine frei«, erklärte die Dame am Telefon. »Wenn es bei Ihnen so kurzfristig paßt?«
Darinka nickte, als könnte ihre Gesprächspartnerin das sehen. »Ja, natürlich paßt das.«
Die Dame nannte eine Uhrzeit am späten Nachmittag und Darinka willigte ein, dann legte sie auf. Heute noch. So rasch hatte sie gar nicht mit einem Termin gerechnet, und plötzlich war die Angst wieder da. Wenn die Untersuchung wirklich so weh tat, wie Stella erzählt hatte. Oder wenn sich herausstellte, daß ihre Schmerzen und das viele Blut nichts mit diesen seltsamen Tagen zu tun hatten, von denen Katrin gesprochen hatte.
»Aber ich muß mit irgend jemandem darüber sprechen«, murmelte Darinka vor sich hin, dann verließ sie die Telefonzelle und kehrte eiligst zur Schule zurück. Sie kam gerade rechtzeitig zum Beginn des Unterrichts, doch so recht konzentrieren konnte sie sich nicht.
»Sag mal, was war denn heute mit dir los?« wollte Katrin wissen, als sie sich gemeinsam auf den Heimweg machten.
Darinka zuckte die Schultern. »Es war so heiß im Klassenzimmer und… ach, ich weiß auch nicht. Ich fühle mich nicht besonders gut.«
Katrin verzog das Gesicht. »Ich habe auch schon bessere Tage gesehen.« Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »In einer Stunde muß ich bei Dr. Daniel sein. Mann, ich hab vielleicht Angst. Mutti sagt zwar immer, diese Untersuchungen seien nicht so schlimm, aber nach den Schauermärchen, die Stella von sich gegeben hat… na, danke.«
Darinka fühlte, wie sich bei diesen Worten ihr Magen schmerzhaft zusammenzog. Ja, sie hatte auch Angst, aber im Gegensatz zu Katrin konnte sie nicht darüber sprechen. Und sie konnte ihre Freundin nicht einmal bitten, ihr später zu sagen, wie die Untersuchung verlaufen war, denn Katrin würde sich über ihr plötzliches Interesse nur wundern.
Außerdem werde ich es selbst bald wissen, dachte sie.
Die Stunden bis zum Termin zogen sich schleppend hin, aber endlich war es dann doch soweit. Schon gestern nachmittag, als sich ihre Großeltern ein wenig hingelegt hatten, hatte Darinka ihre Versicherungkarte an sich genommen.
»Ich gehe ein bißchen ins Freibad«, behauptete sie ihrer Großmutter gegenüber und schämte sich für diese Lüge ganz entsetzlich, aber sie konnte ja unmöglich sagen, daß sie zum Frauenarzt gehen wollte.
Darinka bestieg ihr Fahrrad und schlug erst mal den Weg zum Freibad ein, bis sie vom Haus ihrer Großeltern nicht mehr gesehen werden konnte, dann bog sie links ab und kam so auf Umwegen zur Praxis von Dr. Daniel.
Mit zitternden Fingern drückte sie auf den Klingelknopf neben dem Schildchen Praxis, und gleich darauf sprang die schwere Eichentür mit einem dezenten Summen auf. Darinka gelangte in ein sehr modern eingerichtetes Vorzimmer.
»Guten Tag«, grüßte sie ein wenig schüchtern. »Ich habe heute früh angerufen. Mein Name ist Stöber.«
Die junge Empfangsdame war sichtlich erstaunt. Offenbar hatte sie mit keinem zwölfjährigen Mädchen gerechnet. Sie nahm die Versicherungskarte entgegen, warf einen prüfenden Blick auf die Unterschrift und gab sie Darinka wieder zurück, nachdem sie die Daten im Computer gespeichert hatte.
»Kommst du ganz allein?« fragte Gabi Meindl schließlich, denn normalerweise kamen so junge Mädchen grundsätzlich in Begleitung der Mutter zum Frauenarzt.
Darinka nickte ein wenig zögernd. Sie war nicht sicher, wie sie die Frage auffassen sollte. Durfte sie in ihrem Alter denn nicht allein zum Arzt gehen?
»Na schön«, meinte Gabi, »dann nimm einstweilen noch im Wartezimmer Platz.« Und weil sie für das Mädchen, das offensichtlich ein wenig Angst hatte, plötzlich Mitleid empfand, stand sie kurzerhand auf, um Darinka ins Wartezimmer zu begleiten.
»Es wird nicht lange dauern«, fügte sie mit einem freundlichen Lächeln hinzu.
Wieder konnte Darinka nur nicken, dann nahm sie auf einem Sessel in der hintersten Ecke Platz. Sie war schrecklich nervös, und am liebsten wäre sie wieder davongelaufen, doch jetzt, nachdem sie hier saß, wußte sie, daß es kein Zurück mehr für sie gab.
Und da wurde die Tür auch schon geöffnet und eine vollschlanke Frau um die Fünfzig mit sympathischem Gesicht kam herein. Dem weißen Kittel nach zu urteilen, mußte das die Sprechstundenhilfe sein.
»Darinka Stöber?« fragte sie, wartete ihr Nicken ab und fügte dann hinzu: »Der Herr Doktor hat jetzt Zeit für dich.«
Sie begleitete Darinka zum Sprechzimmer und ließ sie dann vorangehen.
Dr. Daniel war von Gabi Meindl schon informiert worden, daß ein zwölfjähriges Mädchen ohne irgendwelche Begleitung gekommen war. Jetzt ging er mit einem freundlichen Lächeln auf Darinka zu und gab ihr die Hand.
»Grüß dich, Darinka.« Seine tiefe, warme Stimme zeigte genau die erwünschte Wirkung. Das Mädchen wurde merklich ruhiger. »Setz dich bitte.« Er sah sie prüfend an. »Möchtest du, daß Frau Kaufmann hierbleibt?«
Darinka warf der Sprechstundenhilfe einen kurzen Blick zu, dann schüttelte sie den Kopf.
»Das ist nicht nötig«, entgegnete sie leise. »Ich habe keine Angst vor Ihnen, Herr Doktor.«
»Das ist fein«, meinte Dr. Daniel, während Lena nahezu lautlos das Sprechzimmer wieder verließ. »Wir kennen uns ja auch schon eine ganze Weile, nicht wahr?«
Darinka