Dr. Daniel Paket 1 – Arztroman. Marie Francoise
bei unserem Nesthäkchen wurde immer ein Auge zugedrückt.«
»Du altes Ekel!« konterte Karina. »Warte nur, wenn wir erst wieder zu Hause sind. In der kommenden Woche kannst du dir selbst etwas kochen.«
»Das sind ja harte Drohungen«, meinte Dr. Daniel schmunzelnd, und dabei merkte man ihm an, wie stolz er auf seine beiden Kinder im Grunde war. Auch wenn sie sich gelegentlich in den Haaren lagen, so wußte er doch, daß sie felsenfest zueinanderstanden, wenn wirklich Probleme drohten. Und auch die Selbständigkeit, mit der sie ihr Leben meisterten, rang Dr. Daniel Respekt ab, wenn er auch gelegentlich sehr darunter litt, Karina und Stefan nicht mehr in seiner Nähe zu haben.
*
Der Zug aus Köln kam mit einer halben Stunde Verspätung in München an, und unwillkürlich atmete Susanne Hartwig auf. Die Warterei war ihr allmählich beschwerlich geworden. Immerhin war sie ja schon fast im achten Monat schwanger.
Dann entdeckte sie unter den Reisenden, die jetzt den Zug verließen, ihre ältere Schwester und winkte lebhaft.
»Marion! Huhu!« rief sie dabei.
Die schlanke Frau mit dem wallenden kupferroten Haar stellte einen Koffer ab und wedelte ihr beigefarbenes Halstuch zum Zeichen, daß sie ihre Schwester gesehen hatte, dann nahm sie den Koffer wieder auf und ging, so rasch es ihre schwere Last erlaubte, auf Susanne zu.
»Meine Güte, ich dachte schon, wir erreichen München überhaupt nicht mehr!« stöhnte sie, als sie herangekommen war, dann musterte sie ihre Schwester mit einem langen prüfenden Blick, bevor sie lächelnd erklärte: »Gut schaust du aus. Das Bäuchlein steht dir.«
Susanne lachte, während sie ihr langes blondes Haar zurückstrich. »Bäuchlein ist gut. Mein liebes Schwesterherz, das ist schon ein waschechter Bauch, und allmählich sehne ich die Geburt förmlich herbei.«
»Wann ist es dann soweit?« wollte Marion wissen.
Susanne errötete ein wenig.
»Ich bin nicht ganz sicher«, wich sie aus. »In fünf Wochen etwa.«
Erstaunt runzelte Marion die Stirn. »Ja, sag mal, bei welchem Arzt bist du denn? Ist der nicht mal fähig, den ungefähren Geburtstermin auszurechnen?«
»Ich glaube, wir sollten fahren«, lenkte Susanne ab. »Allmählich wird es mir hier zu heiß. Die Luft zwischen all den Zügen ist ein bißchen stickig.«
Marion war über dieses Ablenkungsmanöver ein bißchen erstaunt, verkniff sich aber eine Bemerkung. Zu gegebener Zeit würde sie noch mal darauf zu sprechen kommen. Und vielleicht machte die Hitze der schwangeren Susanne wirklich zu schaffen.
Schon im Auto hatte Marion Gelegenheit, erneut auf das Thema Frauenarzt zu kommen.
»Sag mal, Susi, hat dein Arzt eigentlich keine Bedenken, wenn du jetzt noch Auto fährst?« fragte sie, während Susanne den Wagen auf die belebte Straße lenkte.
Wieder bemerkte Marion das leichte Erröten ihrer Schwester, konnte es aber nicht deuten.
»Ach weißt du, ich fühle mich gut«, erklärte sie nur. »Die Schwangerschaft macht mir keinerlei Probleme.«
»Trotzdem«, beharrte Marion. »Die Strecke von München nach Steinhausen ist schließlich ja kein Katzensprung. Und gerade auf der Autobahn…«
»Komm, Marion, hör schon auf«, fiel Susanne ihr ins Wort. »Ich wollte jemanden bei mir haben, der mir ein bißchen unter die Arme greift und mir bei der Geburt beisteht. Wenn ich eine Erzieherin gebraucht hätte, dann hätte ich Mutti alarmiert.«
Marion mußte lachen. »So war das nicht gemeint, Susi. Ich denke da nur an meine beiden Schwangerschaften. Ich bin ab dem siebten Monat nicht mehr gefahren.« Sie schwieg einen Moment. »Allerdings liegt das auch schon zehn beziehungsweise zwölf Jahre zurück. Vielleicht war man damals noch übervorsichtig.«
Susanne nickte. »Das scheint mir auch so. Und außerdem… wie soll ich irgendwohin kommen, wenn ich nicht Auto fahre? Leider habe ich keinen Mann, der mich so verwöhnt wie dein Joachim.«
Marion kämpfte einen Moment mit sich, dann stellte sie die Frage, die ihr am Herzen lag, doch. »Und der Vater deines Kindes? Ich weiß schon, es geht mich nichts an, und du hast ihn ja auch nie erwähnt, aber…«
»Aus gutem Grund«, meinte Susanne. »Zwischen uns bestand von Anfang an eine Abmachung. Ich wollte nur ein Kind. Nach den vielen Enttäuschungen, die ich erlebt habe, habe ich von Männern die Nase nämlich gestrichen voll.«
»Heißt das… du willst ledig bleiben?«
Susanne nickte voller Überzeugung. »Und ob ich das will! Das Kleine und ich… wir werden sehr glücklich zusammen sein.«
»Ja, bis dein Kind erwachsen wird und seine eigenen Wege geht«, entgegnete Marion ernst. »Dann bist du ganz allein.«
»Bis dahin werden noch etliche Jahre vergehen«, meinte Susanne.
»Sei dir da nur nicht so sicher«, wandte Marion ein. »Ina und Kai sind jetzt schon die wenigste Zeit zu Hause, und ohne Joachim würde ich mich wohl oft sehr einsam fühlen.«
Susanne preßte die Lippen aufeinander. Sie wollte das nicht hören. Immerhin hatte sie eine Entscheidung getroffen, und davon wollte sie sich nicht mehr abbringen lassen. Kein Mann sollte je wieder über sie und ihr Leben bestimmen können.
»Jetzt freue ich mich erst mal auf mein Kind«, erklärte sie und bemühte sich dabei um einen besonders festen Ton. »Alles andere wird sich schon irgendwie ergeben.«
Marion warf ihr einen prüfenden Blick zu. Sie spürte, daß für Susanne das Thema damit beendet war.
»Mußt du zu den Vorsorgeuntersuchungen eigentlich immer nach München fahren, oder gibt es bei euch draußen auch einen guten Gynäkologen?« wollte sie nun wissen.
Susanne atmete tief durch. »Ich war noch nie beim Arzt.«
Völlig entgeistert starrte Marion ihre Schwester an. »Du warst noch nie… ja, bist du denn verrückt, Susi?«
Susanne zuckte die Schultern. »Warum sollte ich zum Arzt gehen? Meine Schwangerschaft verläuft doch völlig normal.«
»So? Und woher willst du das wissen?«
Susanne bog in die Einfahrt des Hauses, in dem sie eine kleine Dachwohnung gemietet hatte, und stellte den Motor ab.
»Hier sind wir«, verkündete sie mit einem fröhlichen Strahlen. »Da oben ist mein kleines Reich. Du wirst begeistert sein, Marion. Jetzt im Sommer ist es zwar ein bißchen warm da unter dem Dach, aber es ist urgemütlich.«
Marion begriff nicht, wie ihre Schwester so sorglos sein konnte. Sie war immerhin schon einunddreißig, also kein junges, unerfahrenes Ding mehr.
Mit einem tiefen Seufzer stieg Marion aus und holte ihr Gepäck aus dem Kofferraum, dann folgte sie ihrer Schwester nach oben.
Die Dachwohnung war wirklich sehr gemütlich eingerichtet, und Marion fühlte sich sofort wohl hier. Trotzdem ließ ihr die Sorge um Susanne keine rechte Ruhe.
»Darf ich kurz telefonieren?« fragte sie. »Joachim und die Kinder sollen wissen, daß ich gut angekommen bin.«
»Ist doch klar«, stimmte Susanne sofort zu, dann grinste sie. »Die Ärmsten müssen ja jetzt ein paar Wochen lang auf dich verzichten.«
»Ja, aber ich habe das Gefühl, daß ich hier sehr dringend gebraucht werde«, meinte Marion ein wenig zweideutig, dann trat sie zum Telefon und wählte die Nummer ihres Einfamilienhauses in Köln. Es wurde ein kurzes, aber sehr herzliches Gespräch, und Susanne bemerkte zu ihrem eigenen Erstaunen, daß sie ihre Schwester um das Familienglück ein wenig beneidete.
Unsinn, dachte sie. Seit ich allein lebe, bin ich viel glücklicher als früher.
Doch die leise Wehmut blieb. Wie schön wäre es gewesen, wenn sie sich zusammen mit einem geliebten Mann auf das Baby freuen könnte. Rasch schüttelte sie