Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman. Toni Waidacher
bin ich aber froh«, seufzte der Polizist auch prompt erleichtert.
*
Constanze und Petra waren am Morgen losgefahren.
»Willst du es dir nicht noch mal überlegen?« hatte die Freundin beim Frühstück gefragt. »Ist Ulli es wirklich wert, daß du ihm hinterherläufst?«
Die Tochter des Großbäckers schüttelte den Kopf.
»Nein«, antwortete sie. »Ich will wissen, was das für eine Frau ist, für die Ulli alles aufs Spiel setzt. Unsere Beziehung und die Firma seines Vaters.«
Petra sagte nichts darauf. Aber sie machte sich ihre Gedanken während der Fahrt. Als Constanze ihr das erste Mal von den Fusionsplänen erzählte, war sie im Grunde entsetzt gewesen. Eine lebenslange Gemeinschaft auf solch einem Fundament aufzubauen, schien ihr das Dümmste, was man tun konnte. Für sie kam nur eine Heirat aus Liebe in Frage, nicht aus wirtschaftlichen Überlegungen. Außerdem hatte sie seit längerem beobachtet, daß es in der Beziehung ihrer Freundin kriselte. Es herrschte nicht immer eitel Sonnenschein, wenn Constanze und Ulli zusammen waren. Doch das wollte die junge Frau, die jetzt hinter dem Lenkrad saß, offenbar nicht wahrhaben. Petras Einwand war ein letzter Versuch gewesen, Constanze davon abzuhalten, nach St. Johann zu fahren und vielleicht erleben zu müssen, daß ihre letzte Hoffnung umsonst gewesen war.
Es herrschte viel Verkehr auf der Autobahn, und sie kamen nur langsam voran. Immer wieder gab es Staus, und ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Endlich, nachdem sie vier Stunden länger unterwegs waren, als geplant, verließen sie die Autobahn südlich von München und fuhren auf der Bundesstraße weiter.
»Hoffentlich finden wir ein Hotelzimmer«, bemerkte Petra.
Die Aussicht, die Nacht vielleicht im Auto verbringen zu müssen, behagte ihr gar nicht.
»Keine Angst«, beruhigte Constanze sie. »Wir werden im selben Hotel wohnen wie Ulli.«
Gleich nach dem Aufstehen hatte sie im ›Löwen‹ angerufen und nach Zimmern gefragt. Durch einen glücklichen Umstand war es ihr gelungen, tatsächlich ein Doppelzimmer zu bekommen. Ein Gast hatte gestern, bedingt durch familiäre Umstände, überraschend abreisen müssen.
»Findest du, daß das eine gute Idee ist?« fragte Petra zweifelnd. »Ich meine, stell’ dir mal vor, diese Frau wohnt ebenfalls dort, und du mußt sie ständig sehen.«
»Genau das will ich auch«, gab Constanze zurück. »Ich will ihr gegenüberstehen, und sie soll mich sehen.«
Sie gab sich sehr kämpferisch.
Zwar hatte sie einigermaßen schlafen können, doch schon nach ein paar Stunden war sie wieder wach. Noch im Bett liegend, dachte sie über alles nach.
Wußte diese andere Frau überhaupt, daß Ulli ihretwegen das Wohl der Firma verspielte?
Wahrscheinlich nicht. Aber sie, Constanze, würde ihr die Augen öffnen. Ein Urlaubsflirt – gut, damit würde sie sich abfinden können. Sie selbst war auch kein Kind von Traurigkeit und liebte es, auf Partys mit anderen Männern zu flirten und sich von ihnen umschwärmen zu lassen. Aber das war auch schon alles, und vielleicht mußte sie Ulli dasselbe Recht zugestehen.
»Schau doch mal auf der Karte nach, wie weit es noch ist«, bat sie die Freundin.
Inzwischen war es bereits Abend geworden. Wären sie besser durchgekommen, dann hätten sie ihr Ziel am Nachmittag erreichen sollen. Doch nach dem Streß auf der Autobahn hatte sie erst einmal eine längere Rast eingelegt und sich bei Kaffee und einem kleinen Imbiß davon erholt.
Petra sah in den Reiseatlas.
»Weit kann es nicht mehr sein«, meinte sie. »Eine gute Stunde vielleicht.«
Sie brauchten schließlich zwei, weil Constanze sich einmal verfuhr und sie schon ein paar Kilometer in die andere Richtung unterwegs waren, ehe sie den Irrtum bemerkten. Doch dann passierten sie das Ortsschild und sahen kurz darauf die Leuchtreklame des Hotels.
Constanze zitterten die Knie, als sie ausstieg.
Verwundert blickten die beiden Frauen auf die vielen Menschen, die dem Hotel zustrebten.
»Vielleicht irgendeine Feier«, vermutete Petra.
Sie betraten die Halle und wurden an der Rezeption von einer Haustochter begrüßt.
»Frau von Werenhofen und Frau Reuter, net wahr? Herzlich willkommen in St. Johann«, sagte Anna Wieslinger, die hier heute abend ihren Dienst versah.
Sie nahm den Zimmerschlüssel vom Brett und begleitete die Ankömmlinge nach oben.
»Sie hatten wirklich Glück, daß gestern abend was frei geworden ist«, plauderte sie unterwegs. »Wissen S’, wir haben nämlich Saison und sind eigentlich auf Wochen hinaus ausgebucht.«
»Sagen Sie, mein Verlobter wohnt ebenfalls hier«, sagte Constanze, als sie in dem Zimmer standen. »Ulrich Vogler. Ist er im Haus?«
»Der Herr Vogler? Nein, der ist schon am Nachmittag fort, als ich meinen Dienst angetreten hab’«, berichtete die Haustochter.
Sie lächelte.
»Sie wollten ihn wohl überraschen, was? Sonst wär’ er doch sicher rechtzeitig zurückgekommen. Aber vielleicht finden S’ ihn auf dem Saal. Heut’ ist nämlich Tanzabend.«
»Aha«, nickte Petra, »daher die vielen Leute.«
»Ja, da ist immer mächtig was los«, sagte Anna Wieslinger. »Möchten S’ später vielleicht auch dahin? Ich könnt’ Ihnen noch zwei Plätze reservieren.«
»Warum nicht?« antwortete Constanze.
Bestimmt würde es von Vorteil sein, wenn der Überraschungseffekt auf ihrer Seite war.
»Ja, reservieren Sie zwei Plätze. Aber erst mal müssen wir wohl etwas essen.«
»Das Restaurant ist noch bis zweiundzwanzig Uhr geöffnet«, sagte die Haustochter. »Ich rufe gleich an und regle das mit dem Tisch.«
Das Zimmer war geräumig und hatte ein eigenes Bad. Nachdem die beiden Frauen sich erfrischt hatten, gingen sie hinunter. Während Petra großen Hunger hatte, bemerkte Constanze, daß sie kaum einen Bissen herunterbekam. Sie stocherte in ihrem Salat und stellte sich vor, wie sie gleich Ulli gegenüberstehen würde.
Ihm und dieser anderen Frau…
*
Zum abschließenden Espresso hatte Sophie Tappert am Morgen ›petit fours‹ gebacken: kleine Kuchen mit verschiedenen Cremes gefüllt und mit Zuckerglasur bestrichen.
Sündhaft süß und sündhaft lecker!
Deshalb aß man auch nur eines davon, aber diese Köstlichkeit rundete das Mahl perfekt ab.
Anschließend ging das Quartett in gehobener Stimmung zum Löwen hinüber. Dort herrschte schon reges Gedränge, und Eva und Ulli konnten gar nicht glauben, was sie sahen. Bestimmt waren es an die dreihundert Menschen, die die Tische besetzt hatten. An der Stirnseite hatten die Musiker ihren Platz, am Tresen neben dem Eingang waren sechs Saaltöchter beschäftigt, und weitere acht trugen Tabletts mit Getränken an die Tische.
Während die Madln und Burschen weiter hinten ihre Plätze hatten, waren vorn zwei Tische für die Honoratioren des Dorfes reserviert. Auch Markus Bruckner saß dort. Max stellte fest, daß der Bürgermeister sich ihm gegenüber sehr reserviert verhielt.
Sebastian hatte seinem Bruder von dem Telefonat erzählt, und jetzt dachte sich Max sein Teil. Indes ignorierte er, daß der Bruckner kaum das Wort an ihn gerichtet hatte, und forderte Claudia gleich zum ersten Tanz auf.
Ulli folgte seinem Beispiel, und als er mit Eva auf die Tanzfläche ging, strahlte sie ihn glücklich an.
»Ich freue mich, daß du noch bleibst«, sagte sie, während sie in seinen Armen lag.
Er gab ihr einen Kuß, und dann drehten sie sich zu den Klängen