AUF MESSERS SCHNEIDE (The End 6). G. Michael Hopf

AUF MESSERS SCHNEIDE (The End 6) - G. Michael  Hopf


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zurückgehen und sofort umkehren, bevor es zu spät ist«, drängte John.

      »Nein.«

      »Gordon, bitte.«

      »Nein.«

      In einiger Entfernung kam ein einzelner Humvee um eine Ecke und näherte sich mit laut brummendem Motor.

      »Er kommt.« Van Zandt schaute John wieder ins Gesicht. »Es ist an der Zeit, dass du verschwindest … los.«

      »Gordon, bitte denk noch mal darüber nach.«

      Er zog den Reißverschluss seiner Jacke auf, fasste hinein und nahm zwei weiße Briefumschläge heraus. Nachdem er sie Steele gegeben hatte, erklärte er: »Der eine ist für dich. Öffne ihn, wenn du losgefahren bist.«

      »Tu das nicht«, flehte John.

      »Deine Nase sieht gut aus – nach all den Querelen, die du damit hattest, meine ich«, bemerkte Gordon mit Bezug auf den Bruch, den sich Steele beim Kampf gegen Charles und dessen Männer zugezogen hatte. »Und was deine Lippe angeht, bin ich der Ansicht, dass man auf dieser Welt nicht umhinkommt, sich Narben einzuhandeln.« Damit meinte er eine wulstige Wunde an Johns Unterlippe, eine weitere Verletzung, zu der es im Gemenge gekommen war. Der Kommentar erinnerte Steele an die Narbe und deren Ursprung.

      »Hörst du mir überhaupt zu? Du laberst dummes Zeug. Was da auf uns zugerollt kommt, könnte dein Ende, deinen Untergang bedeuten.«

      Gordon schaute ihm in die Augen. »Ich habe keine Angst davor, zu sterben, wirklich nicht. Allerdings möchte ich es nicht in dem Wissen tun, dass meine Familie ohne mich in dieser Welt zurückbleibt. Wir gehen täglich Wagnisse ein, und heute ist das nicht anders. Wenn ich mir nichts einfallen lasse, haben wir alle das Nachsehen, und ich lande in irgendeinem Gefängnis oder werde als Verräter hingerichtet.«

      »Und was genau willst du damit sagen?«

      Gordon hatte genug von dieser Diskussion. »Hau ab. Ich halte mich an meine Abmachung mit ihm.« Da John nicht gehorchte, wurde er wütend. »Sofort!«

      »Du Dummkopf«, schoss John zurück, riss ihm die Umschläge aus der Hand und stapfte zu seinem Wagen.

      Van Zandt konnte nicht absehen, wie alles ausgehen würde, doch so war es abgesprochen, und dieser eine Augenblick mochte das Schicksal seines jungen Staates besiegeln.

      Steele raste davon und verschwand am Horizont.

      Von Norden her frischte der Wind auf, sodass Gordon schauderte. Er verdrängte die Kälte und rückte die Wollmütze auf seinem Kopf zurecht. Wäre er gebeten worden, die Temperatur zu schätzen, hätte er auf einen zweistelligen Minuswert getippt. Das war für Idaho nicht unüblich, dass es kaum geschneit hatte, hingegen schon. Abgesehen von mehreren Stürmen herrschte mehr oder weniger Trockenheit. Vielen Bewohnern von McCall und der Mittelregion Idahos machte es nichts aus, weniger Schnee zu haben, weil das Räumen gelinde gesagt schwierig war.

      Gordon wurde auf ein Funkeln in der Ferne aufmerksam. Er kniff die Augen zusammen, um etwas zu erkennen, doch es gelang ihm nicht, obgleich er sich ziemlich genau denken konnte, woher oder von wem es rührte.

      Der Geländewagen kam langsam näher.

      Die Windschutzscheibe reflektierte das Licht und verhinderte, dass Gordon die Insassen sah. Auf einmal wurde er nervös. Selbstzweifel kamen in ihm hoch. War es tatsächlich eine schlechte Idee?

      Der Fahrer bremste abrupt. Dann öffnete er seine Tür, stieg aber nicht aus.

      Gordon stellte jetzt das ganze Unterfangen infrage. Er hatte sein Versprechen gehalten, sich unbewaffnet zu dem Treffen einzufinden; mittlerweile wünschte er sich, etwas zu haben, womit er sich wehren konnte. Er schaute sich um. Das alte Postamt stand zwanzig Yards links von ihm. Er könnte hinüberlaufen, falls er musste.

      Endlich erschien ein Bein an der Tür des Fahrers. Er stellte einen Fuß auf den Boden.

      Die aufgehende Sonne im Osten wurde Gordon zusehends zum Ärgernis. Er neigte seinen Kopf zur Seite und blinzelte, während er gespannt wartete, wer aussteigen würde.

      Zwei Hände wurden ausgestreckt, dann sprach der Mann. »Ich bin wie abgesprochen nicht bewaffnet.«

      »Ich auch nicht«, antwortete Gordon und hob seine Hände mit den Innenflächen nach vorn. »Steigen Sie schon aus, Mr. President, außer Ihnen und mir ist niemand hier.«

      Cruz zeigte sich zögerlich neben dem Humvee. Er behielt seine Arme ebenfalls oben.

      Gordon erkannte an der verkrampften Haltung, dass der Mann nervös war. Er musterte ihn noch einmal, bevor er sich wieder nach allen Richtungen umsah. Er war nicht so töricht, wie von Steele behauptet. Mit äußerster Vorsicht hatte er diese Begegnung organisiert, den Treffpunkt ausgesucht und darauf geachtet, das überschaubare, gemeindefreie Areal zwei Wochen auskundschaften zu können. Seine Beobachter hatten Cruz' Männer kommen und gehen sehen, doch diese waren wie sie darauf aus gewesen, die Sicherheit vor Ort zu überprüfen, und zwar mit angemessener Sorgfalt. Freilich wusste Van Zandt, dass es wie auch vor John dargelegt keine Garantien gab und er womöglich in eine Falle tappte – ging sein Plan jedoch auf, war es das Risiko wert.

      Cruz trat vor die offene Tür und kam mit ausgestreckter rechter Hand auf ihn zu. »Mr. President, Sie wiederzusehen, freut mich. Ich wünschte bloß, wir könnten uns unter anderen Umständen treffen«, begann er.

      »Mr. President, sie sprechen mir aus der Seele«, gab Gordon zurück. Den Präsidententitel auf ihn selbst bezogen zu hören war ein merkwürdiges Gefühl. Er hielt dieses Amt nicht offiziell im Sinne eines Staatsoberhaupts inne; vielmehr fungierte er als Vorsitzender des Rates, bei dem es sich um die Regierungsinstanz des jungen Landes handelte. Man sah vor, freie Wahlen abzuhalten, sobald die Republik in der Lage dazu sei, und Gordon hatte sich noch nicht festgelegt, ob er für den Posten kandidieren würde, dessen Titel ihm bereits zufiel.

      »Ich muss schon sagen, als Sie mich vor vierzehn Tagen angerufen und dieses außergewöhnliche Treffen vorgeschlagen haben, tat ich es als Unfug ab. Doch je länger ich darüber nachgedacht habe, desto mehr wurde mir bewusst, dass es nicht das Dümmste ist. Wir sind die Anführer zweier gegensätzlicher Parteien, also spricht nichts dagegen, sich zusammenzusetzen und zu verhandeln. Lassen Sie uns versuchen, unsere Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen.«

      »Noch mal: Sie sprechen mir aus der Seele«, wiederholte Van Zandt. Er zeigte auf das Postgebäude. »Wie wäre es, wenn wir aus der Kälte verschwinden, uns irgendwo zusammensetzen und reden?«

      Cruz warf einen Blick hinüber an die Ziegelsteinfassade, die durch die direkte Sonneneinstrahlung über Jahre hinweg ausgebleicht war. Dann richtete er sich wieder an Gordon und fragte: »Kann ich Ihnen trauen?«

      »Ich schätze, die Frage könnte ich auch Ihnen stellen, Mr. President.«

      »Nennen Sie mich einfach Andrew«, bot Cruz in freundlichem Tonfall an.

      »Sich mit dem Vornamen ansprechen, das gefällt mir.« Gordon lächelte. Er streckte einen Arm aus. »Dort entlang … Andrew.«

      Die beiden Männer gingen nebeneinander her, doch Gordon betrat das Postamt zuerst.

      Cruz zierte sich zunächst, den Schritt über die Schwelle in das nur schwach erhellte Gebäude zu machen.

      »Ich verspreche, dass Sie nichts zu befürchten haben. Ich möchte nur reden. Sie werden sogar mögen, was ich Ihnen zu sagen habe.«

      Cruz grinste betreten und folgte ihm schließlich.

      »Meine Männer haben diesen Ort vor Wochen gründlich unter die Lupe genommen, und ich weiß, dass Ihre das auch getan haben. Ich habe diesen Tisch von den Jungs aufstellen lassen.« Gordon zeigte darauf, ein kleines, quadratisches Klappmöbel wie zum Kartenspielen.

      Cruz ging an ihm vorbei und nahm auf einem von zwei Stühlen Platz.

      »Ich hätte sie auch um einen Heizstrahler gebeten, doch mir war klar, dass es dann Stunk mit Ihren Männern gegeben hätte, die uns ja jetzt bewachen.« Gordon wusste also von der Soldateneinheit,


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