Bettina Fahrenbach Staffel 6 – Liebesroman. Michaela Dornberg
Preise die Schamröte ins Gesicht treiben. Preise, die durch nichts gerechtfertigt sind. Ein Filetsteak ohne Beilagen kostet sechsund-fünfzig Euro …«, Bettina machte eine kurze Pause, »entschuldige, Doris, ich wollte dir nicht den Abend verderben.«
Doris lachte.
»Hast du nicht, du hast mir nur bewusst gemacht, dass es eine blöde Idee war, herzukommen, und mein Geld ist wirklich in der Stiftung besser aufgehoben. Also, wenn ihr mich fragt, dann können wir gehen, was zu sagen war, habe ich gesagt, und jetzt kann der gesellige Teil kommen. Und mal ganz ehrlich, gesellig kann es hier nicht werden, weil diese ganzen Kunstgebilde ringsum vor lauter geliftet sein überhaupt nicht mehr lachen können.«
»Ach, mein Schatz«, sagte Jörg ganz überwältigt, »dafür, dass du so bist wie du bist, liebe ich dich.«
Er winkte den livrierten Ober herbei, der vor lauter Vornehmheit so steif an den Tisch kam, als habe er einen Ladestock verschluckt.
»Zahlen bitte«, sagte er, dann, an Doris gewandt: »Die Rechnung geht auf mich, schließlich haben wir doch eine gemeinsame Kasse.«
Der Ober schnappte nach Luft.
»Aber … Sie haben noch nichts gegessen … Nicht einmal etwas ausgesucht … dass Sie diesen Tisch bekommen haben, war ein Glücksfall für Sie … Wir sind normalerweise auf Wochen ausgebucht.«
»Bestimmt haben Sie eine Warteliste«, sagte Jörg, »und können andere Gäste, die das alles hier mehr zu schätzen wissen, glücklich machen.«
Der Ober war puterrot angelaufen, ihm war anzusehen, dass er so etwas in seiner Karriere noch nicht erlebt hatte, nämlich, dass Gäste einen Tisch aufgeben, um den andere sich schlagen würden.
»Wir sind … das erste Haus am Platz«, ächzte er schließlich.
»Für uns nicht«, lachte Jörg, »wir gehen dann doch lieber anderswohin, wo es gemütlicher ist. Ist schon eine kalte Pracht hier, und das Publikum … nicht unsere Welt. Wir haben unser Vermögen, statt es in Form von Klunkern und protzigem Schmuck zu tragen lieber in Grundbesitz angelegt … aber das nur ganz nebenbei. Darf ich dann bitte die Rechnung haben?«
Der Ober drehte sich um, er begriff die Welt nicht mehr, aber so ganz tief, tief in seinem Herzen, konnte er diese Gäste schon begreifen. Aber davon durfte er natürlich nichts an die Oberfläche dringen lassen. Er arbeitete hier, verdiente sein Geld, bekam Trinkgelder, die allerdings, gemessen an dem zur Schau getragenem Reichtum, nicht so üppig waren.
Das war allerdings bei diesen Herrschaften, die vorzeitig gehen wollten, anders. Jörg legte ein dickes Trinkgeld drauf. Er war sich zwar sicher, dass der Tisch rasch wieder besetzt sein würde, aber ihre Rechnung war nicht wie erwartet gewesen, und der Ober sollte darunter nicht leiden.
Sie atmeten alle auf, als sie draußen waren und verlegten den Rest des Abends in das kleine russische Restaurant, das es zum Glück noch immer gab. Und dort hatten sie Spaß ohne Ende.
*
Doris und Jörg waren nach Frankreich abgereist, glücklich, verliebt und bestens gelaunt, doch Bettina war nachdenklich zurückgeblieben, weil Doris’ Entscheidung, vorerst nicht heiraten zu wollen, doch noch stark in ihr nachhing.
Und so war es auch kein Wunder, dass sie darauf zu sprechen kam, als sie und Thomas in Liegestühlen vor dem Bootshaus lagen, um diesen wunderschönen warmen Sommertag zu genießen. Dem ersten nach einer Reihe kühler, windiger, zum Teil sogar regnerischer Tage.
Sie waren mit dem Ruderboot draußen gewesen, in den See hinausgeschwommen, und während Tom las, blickte Bettina in den Himmel, dessen unvergleichliches Blau durch keine Wolke getrübt wurde.
»Tom, heiraten wir, weil ich es will?«, erkundigte sie sich schließlich.
Er ließ sein Buch sinken, wandte sich zu ihr.
»Tini, was soll denn diese Frage? Wir heiraten, weil wir es beide wollen, was sonst?«
Eigentlich hätte seine Antwort sie zufriedenstellen müssen, das war aber nicht der Fall.
Solange sie zurückdenken konnte, hatte sie sich gewünscht zu heiraten, Kinder zu bekommen. Das war immer ihr vordringlicher Wunsch gewesen, dem schließlich auch Jan van Dahlen, der Heiratsmuffel, nachgegeben hatte. Wie war es bei Tom und ihr? War der Wunsch von ihr ausgegangen?
Das musste sie jetzt wissen!
»Aber ich … Tom, beantworte mir bitte diese Frage ganz ehrlich, habe ich davon angefangen?«
Er blickte sie irritiert an. Was bezweckte Bettina damit? Er konnte sich keinen Reim darauf machen.
»Bitte, Tom …«, drängte sie, weil von ihm nicht sofort eine Antwort bekam.
»Ich weiß wirklich nicht, was das soll, aber wenn es derart wichtig für dich ist …, ich war der Erste, der damit angefangen hat, und das schon, als wir noch Teenies waren, zufrieden?«
Sie strahlte ihn an.
»Ja.«
»So, mein Herz, und nun erzähl mir mal, was du mit dieser Frage beabsichtigt hast.«
»Es ist einfach so, dass es mir wichtig ist, verheiratet zu sein. Ich mein, wenn man beschließt, sein Leben miteinander zu verbringen, dann spricht doch überhaupt nichts dagegen, es so richtig zu machen, halt mit Standesamt und Kirche. Doris hat mich jetzt verunsichert, weil es für sie eigentlich auch immer wichtig war, und nun hat sie es auf einmal weggeschoben, als sei es bedeutungslos.«
»Liebes, es ist nicht bedeutungslos, und Doris …, nun, ich habe sie wirklich sehr gern, aber die ist manchmal wie ein Blatt im Wind, das seine Richtung immer wieder ändert. Im Übrigen, du bist Bettina und nicht Doris, und ich kann es kaum erwarten, mit dir verheiratet zu sein … Bist du jetzt zufrieden?«
Sie strahlte ihn wieder an, denn was anderes konnte sie gar nicht tun und sagte wiederum: »Ja.«
Er langte zu ihr hinüber, ergriff ihre linke Hand, umschloss sie sanft und zärtlich.
»Tini, ich liebe dich.«
Mehr musste er nicht sagen, und mehr wollte sie auch nicht hören.
Sie wandte sich ihm zu, ihre Gesichter näherten einander, und dann küssten sie sich, und jetzt bedurfte es überhaupt keiner Worte mehr.
Sie hörten nicht die Möwen, die laut kreischend über sie hinwegflogen, bekamen nichts vom lauten Lachen Jugendlicher mit, die draußen auf dem Weg mit ihren Fahrrädern vorüberfuhren. Es gab nur noch sie und die unendliche Weite des Himmels und die Wellen, die sanft gegen die Pfosten des Bootssteges schwappten.
*
Bettina hatte eine ganze Weile nichts von Veronika gehört, was eigentlich ein gutes Zeichen war. Umso erstaunter war sie, als Veronika anrief, vollkommen aufgelöst.
»Ich muss mit Ihnen sprechen, Frau Fahrenbach«, sagte sie aufgeregt.
»Klar, was gibt es, hast du Probleme in der Schule?«
»Nein, da läuft es bestens.«
»Hast du dich wieder über Florian geärgert oder seine neue Freundin?«
»Quatsch, das ist mir so was von egal.«
Jetzt wusste Bettina nicht weiter, denn Florian war eigentlich immer der Stein des Anstoßes gewesen. Florian, der sich verliebt hatte und für Veronika nicht mehr der anbetungswürdige junge Mann sein konnte, von dem sie gehofft hatte, ihn einmal für sich gewinnen zu können.«
»Ist etwas mit der … kleinen Bettina?«, erkundigte Bettina sich, weil ihr nichts anderes einfiel. Eigentlich glaubte sie nicht, dass es mit der Kleinen Probleme geben könnte. Veronika hatte sich, seit sie die Kleine zu sich genommen hatte, als gute Mutter erwiesen.
Es kam keine Antwort.
»Veronika …«
»Ja, es hat mit der Kleinen zu tun, aber das kann ich wirklich nicht am Telefon besprechen.«
»Soll