Bettina Fahrenbach Staffel 6 – Liebesroman. Michaela Dornberg
Yvonne überlegte einen Augenblick.
»Markus, kannst du nicht Veronika alles zeigen? Ich möchte so gern hier bleiben und miterleben dürfen, wenn die Kleine wach wird. Und ich möchte ihr gern eine neue Windel geben und das Fläschchen oder Döschen.«
Markus lächelte seine Frau an, ging auf sie zu, zog sie zu sich empor, strich ihr behutsam über das Haar und sagte sanft: »Bleib hier, mein Liebes, ich mach das schon.«
Interessiert hatte Veronika diese kleine Szene beobachtet. Sie stand auf und sagte entschlossen: »Sie bekommen das Kind. Sie gehen sehr nett miteinander um, ich weiß jetzt, dass Sie auch nett zur kleinen Bettina sein werden.«
Sie griff nach ihrer Tasche und blickte Markus an.
»Gehen wir?«, wollte sie wissen. »Umso eher sind wir wieder zurück. Ich muss nämlich heute noch weg.«
»Und die Kleine?«, erkundigte Yvonne sich mit angstvoll klingender Stimme.
Veronika lächelte.
»Die bleibt hier«, antwortete sie, ehe sie mit Markus die Küche verließ.
*
Als Markus und Veronika gegangen waren, war es still zwischen den beiden zurückgebliebenen Frauen. Es war eine unbeschreibliche Stimmung, die so emotional war, dass sie beide anfingen zu weinen.
Yvonne weinte vor lauter Glück und Ergriffenheit und Bettina, weil sie wusste, dass alles richtig war, so wie es gekommen war.
Yvonne und Markus würden die kleine Bettina lieben wie ihr eigenes Kind, und sie selbst konnte unbelastet in ihre Ehe mit Thomas hineingehen. Schließlich waren sie noch nicht vorbereitet auf ein Kind.
Yvonne war es, die anfing zu sprechen.
»Bettina, kneif mich jetzt mal ganz ordentlich, damit ich glauben kann, was sich jetzt gerade ereignet hat … Es ist doch wahr, oder?«
»Es ist wahr«, bestätigte Bettina.
»Und sie wird keinen Rückzieher machen?«
Bettina schüttelte den Kopf.
»Wird sie nicht, sie ist fest entschlossen, das Kind wegzugeben, und ich bin fest davon überzeugt, dass es euch vorbestimmt ist, dir und Markus, und ich weiß, dass ihr wunderbare Eltern sein werdet.«
Yvonne musste noch eine Runde weinen, aber Bettina ließ sie gewähren, es waren ja Freudentränen, die Yvonne da weinte.
Als die Tür aufging, stand Bettina auf, um nachzusehen. Markus und Veronika konnten es nicht sein, die waren schließlich gerade erst losgefahren. Es sei denn, sie hatten etwas vergessen.
Es war Leni.
»War das gerade Veronika, die mit Markus zum Parkplatz gegangen ist? Und liegt in diesem … Kinderwagen …, liegt darin etwa unser kleiner Sonnenschein?«
Bettina nickte, zog Leni aber rasch mit sich in die Küche.
»Ja, es war Veronika, und ja, im Kinderwagen schläft die kleine Bettina.«
Mit einem Blick hatte Leni gesehen, dass Yvonne weinte, und das war geradezu unerträglich für sie. Schließlich war Yvonne ihre Tochter, die sie erst als erwachsene Frau in ihre Arme hatte schließen können. War es da ein Wunder, dass sie, was Yvonne anbelangte, in jeder Hinsicht übertrieb?
»Yvonne, was ist los?«, rief sie alarmiert und war mit wenigen Schritten bei ihrer Tochter, was zur Folge hatte, dass Yvonne noch mehr weinte.
»Kann mir mal jemand sagen, was hier los ist?«, erkundigte sie sich. »Hier ist doch was im Busch.«
»Und ob«, lachte Bettina, »es hat den Anschein, dass du Großmutter werden sollst. Ach, was rede ich da von Anschein, es ist sicher.«
»Du bist schwanger?«, schrie Leni aufgeregt.
Yvonne hatte diese Frage vermutlich überhaupt nicht verstanden, deswegen übernahm Bettina die Antwort. »Nö, ist sie nicht.«
»Aber …«
»Mein Gott, Leni, du bist doch sonst so helle … Veronika, das kleine Mädchen …, deine Tochter Yvonne und Markus …«
Leni war durch den Wind.
»Tut mir leid, dieses Rätsel kann ich nicht lösen, also bitte, sprich Klartext, Bettina, ich merke nämlich, wie vor lauter Aufregung meine Galle wieder zu hüpfen beginnt.«
Bettina wollte die Gute nicht länger auf die Folter spannen.
»Veronika will ihr Kind endgültig zur Adoption freigeben, sie hat es sich gründlich überlegt und wird keinen Rückzieher mehr machen, und es sieht ganz so aus, dass Yvonne und Markus die Auserwählten sind, sie hat es praktisch schon zugesagt, will sich nur noch das neue Zuhause der Kleinen ansehen.«
Das war für die gute Leni zu viel, sie hatte schließlich das ganze Kinderdrama ihrer Tochter hautnah miterlebt, wusste auch, dass Markus die kleine Bettina adoptieren würde, sonst aber kein Kind.
Und nun sollte das alles wahr werden?
Leni ließ sich auf den nächsten Stuhl fallen, und dann fing auch sie an zu schluchzen, was Yvonnes Tränenfluss noch verstärkte.
Mutter und Tochter weinten im Duett.
Bettina bemühte sich, nicht auch noch anzufangen. Na bravo, dachte sie, aber jetzt wusste sie wenigstens, von wem Yvonne das hatte, so nahe am Wasser gebaut zu sein.
Sie hatte es von ihrer Mutter!
Sie wollte sich gerade wieder hinsetzen, als aus der Diele ein Geräusch kam. Es war kein Weinen, nur ein leiser Ton, vermutlich sogar noch im Schlaf entstanden, doch wie auf Kommando hörten bei beiden Frauen die Tränen auf. Sie standen von ihren Stühlen auf, rannten, wie von der Tarantel gebissen, in die Diele, und dann hörte Bettina nur noch: »Mein Liebeleinchen, du bist ja wach und hast gar nicht geweint.«
»Hallo, mein Herzblättchen, kennst du mich noch?«
Leni und Yvonne überschlugen sich, eine sagte eine größere Nettigkeit als die andere, und Bettina fragte sich insgeheim, wer wohl den Sieg davontragen und die Kleine auf ihren Arm nehmen würde.
Sie brauchte nicht lange zu warten!
Yvonne kam mit der Kleinen in die Küche, und sie trug sie so behutsam, so vorsichtig, aber auch mit einer ungeheuren Zärtlichkeit, als sei sie aus zerbrechlichem Glas.
Bettina glaubte nicht, dass die Kleine Yvonne noch erkannte, dazu war sie zu lange weg gewesen, und in diesem Alter erinnerten Kinder sich noch nicht. Aber es war ein gutes, nein, es war ein unglaubliches Zeichen … Die kleine Bettina patschte fröhlich in Yvonnes Gesicht herum und brabbelte vergnügt vor sich hin.
Yvonne strahlte, Leni weinte, und Bettina konnte vor lauter Ergriffenheit nichts sagen.
Es war ein so anrührendes Bild, vor allem, es sah so aus, als sei Yvonne die leibliche Mutter der Kleinen. Schade, dass Veronika das nicht sehen konnte.
Bettina merkte, wie sie sich entspannte. Man konnte nichts erzwingen, auch keine Mutterliebe. Vielleicht hatte alles so kommen müssen. Eines war gewiss, Yvonne würde in ihrer Rolle als Mutter aufgehen, und sie würde die Kleine niemals spüren lassen, dass sie »nur« adoptiert war, schließlich war sie selbst bei Adoptiveltern aufgewachsen, weil Leni gezwungen war, sie wegzugeben.
»Bettina, können wir zum Wickeln deinen Küchentisch benutzen?«, riss Yvonnes Stimme sie aus ihren Betrachtungen.
»Klar, kein Problem.«
»Und du, Mama«, wandte sie sich an Leni, »kannst du mir bitte die blaue Tasche bringen? Da sollen die Sachen für die Kleine drinnen sein.«
Bettina hatte von nebenan eine Decke geholt, die zusammengefaltet, aus dem unteren Badezimmerschrank ein großes Handtuch.
Yvonne begann andächtig die Kleine auszuziehen.
»Mein Gott, ist sie süß.