PROJEKT GALILEI. Stefan Bouxsein

PROJEKT GALILEI - Stefan Bouxsein


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      »Nach Beirut. Ich habe dort wichtige geschäftliche Angelegenheiten zu klären.«

      »Morgen Vormittag will ich Sie um zehn Uhr im Präsidium sprechen.« Lena Leisig gab ihm ihre Karte. Die erste, die sie als Hauptkommissarin bei der Mordkommission vergab. »Ihre Suite ist ein Tatort, Sie werden umziehen müssen. Die Spurensicherung ist zwar abgeschlossen, aber ich werde die Räumlichkeiten vorsichtshalber versiegeln lassen.«

      »Ich werde das Hotel wechseln. Hier bleibe ich bestimmt nicht.«

      »Das können Sie gerne tun. Aber ich muss wissen, wo ich Sie finden kann.«

      Haferstein warf einen Blick auf die ausgehändigte Karte. »Ich rufe Sie an, wenn ich in einem anderen Hotel eingecheckt bin. In Ordnung?«

      »Nicht nötig, das können Sie mir mitteilen, wenn Sie morgen pünktlich im Präsidium erscheinen.«

      *

      Steffen Siebels hatte von seiner Frau Sabine schon einiges über die Neue gehört. Sabine und Lena Leisig hatten sich auch privat miteinander angefreundet, und Sabine war es letztendlich gewesen, die Lena dazu überredet hatte, zur Mordkommission zu wechseln. Das war aber erst passiert, nachdem die Entscheidung gefallen war, dass Siebels zu seiner alten Wirkungsstätte zurückkehren würde. Dass er dort eine neue, junge Kollegin bekommen würde, die mit seiner Frau gut befreundet war, weckte zwiespältige Gefühle in ihm. Sabine hatte ihm zwar versichert, dass sie nicht daran dachte, mit Lena über den beruflichen Alltag ihres Mannes zu sprechen, aber wenn die Mädels erst mal in Plauderlaune waren, blieb davon bestimmt nichts unerwähnt. Jedenfalls nicht das, was Siebels lieber nicht vor seiner Herzallerliebsten ausgeplaudert wissen wollte. Andererseits hatte das Ganze auch schon wieder etwas Familiäres. Das gefiel ihm eigentlich ganz gut. Die Türklingel unterbrach seine Gedankengänge. Er ging nach unten und öffnete die Haustür. Vor ihm stand eine junge Frau mit langen, schwarzen Haaren und kaffeebrauner Haut.

      »Sind Sie Herr Siebels? Der Privatdetektiv?«

      »Ja, der bin ich. Aber nicht mehr lange. Wenn Sie einen Detektiv engagieren möchten, muss ich Sie leider enttäuschen. Ich nehme keine Aufträge mehr an.«

      Die junge Frau schaute ihn nachdenklich an. »Das ist schade. Sie wurden mir empfohlen. Ich zahle sehr gut. Vielleicht überlegen Sie es sich noch einmal?«

      »Wer hat mich denn empfohlen?« Siebels wurde nun doch neugierig.

      »Ein guter Bekannter von uns beiden. Ich musste ihm versprechen, seinen Namen nicht zu nennen.«

      »Na ja, wie auch immer, ich kann Ihnen leider nicht weiterhelfen.«

      »Jeder hat seinen Preis«, antwortete die Frau unbeeindruckt. »Wie hoch ist Ihrer?«

      »Darum geht es nicht. Ich kehre in wenigen Wochen zum Polizeidienst zurück und bis dahin will ich mich um meine Familie kümmern.«

      »In wenigen Wochen kann viel passieren. Sie könnten meinen Auftrag bis dahin erledigt haben. Ich zahle Ihnen 20.000 Euro im Voraus.«

      Siebels wurde hellhörig. Er hatte Sabine zwar hoch und heilig versprochen, dass er sich in keine Abenteuer mehr stürzen würde, aber das klang nach einem lukrativen Job. »Kommen Sie rein und erzählen mir, worum es geht. Vielleicht kann ich Ihnen jemand anderen empfehlen«, versuchte Siebels sich erst mal alle Optionen offen zu halten. Er führte seine Besucherin in sein Büro und war gespannt, was für einen Auftrag sie zu vergeben hatte.

      »Mein Name ist Samira. Ich war heute mit meiner Freundin Nayla verabredet. Wir wollten uns in der Lobby im Hotel Jumeirah in der Innenstadt treffen. Aber Nayla kam nicht. Sie ging auch nicht an ihr Handy. Ich wartete noch eine Weile, und als sie immer noch nicht kam, bin ich im Hotel herumgelaufen und habe nach ihr Ausschau gehalten. Zufälligerweise habe ich gesehen, wie ein Sarg durch einen der Hinterausgänge getragen wurde. Ich ahnte Schlimmes. Ich bin den Sargträgern hinterhergelaufen und habe sie gefragt, ob eine junge Frau in dem Sarg liegen würde. Sie ließen mich einen Blick auf sie werfen. Es war tatsächlich meine Freundin Nayla.« Bei den letzten Worten versagte Samira die Stimme. Sie räusperte sich. Siebels besorgte ihr ein Glas Wasser.

      »Wann war das?«, wollte Siebels dann wissen.

      »Vor ungefähr zwei Stunden.« Samira schaute Siebels aus großen, dunkelbraunen Augen an.

      »Vor zwei Stunden? Dann sind Sie aber ziemlich schnell bei mir gelandet.« Siebels kam die ganze Geschichte schon jetzt etwas merkwürdig vor.

      Samira nickte bedächtig. »Nayla befand sich bereits seit einiger Zeit in Gefahr. Deswegen habe ich auch ein Auge auf sie geworfen und mich regelmäßig mit ihr verabredet. Wenn es auch nur für ein paar Minuten auf einen Kaffee war. Aber es hat leider nichts genutzt.«

      »Was wollen Sie nun von mir? Warum gehen Sie nicht zur Polizei und machen dort eine Aussage?« Siebels hatte sich schon dazu entschlossen, den Fall nicht anzunehmen. Aber er wollte die junge Frau jetzt auch nicht gleich wieder vor die Tür setzen. »Sie und Ihre Freundin Nayla, Sie treffen sich in Hotels mit Männern, nehme ich an.«

      »Nicht mit irgendwelchen Männern. Mit reichen Männern. Und mit mächtigen Männern.« Samira blickte Siebels entschlossen in die Augen. »Nayla hatte Kontakt zu einem Mann, dessen richtigen Namen sie nie erfahren hat. Er nannte sich nur Richard und war angeblich für das LKA in Wiesbaden tätig. Er wollte von Nayla Informationen über deren Kunden haben. Er hat ihr gedroht, dass man sie umbringen würde, wenn sie nicht kooperativ wäre. Sie sollen herausfinden, wer dieser Richard wirklich ist. Das ist alles. Ich werde nicht zur Polizei gehen und auf keinen Fall eine Aussage machen. Wenn Sie den Fall annehmen, erwarte ich absolute Diskretion von Ihnen.«

      Jetzt benötigte Siebels ein Glas Wasser. »Deswegen sind Sie also zu mir gekommen. Weil Sie wissen, dass ich gute Kontakte zum LKA nach Wiesbaden habe.« Das musste Siebels erst mal verdauen.

      »Ja. Und weil Sie ein sehr guter Ermittler sind. Und weil Sie unbestechlich sind. So sagte man mir jedenfalls.«

      »Jetzt würde ich aber zu gerne wissen, wer mich Ihnen empfohlen hat«, grübelte Siebels laut vor sich hin.

      »Wie gesagt, in meinem Metier ist Diskretion das oberste Gebot. Von mir werden Sie es nicht erfahren. Nehmen Sie meinen Auftrag nun an?«

      3

      Till fluchte leise vor sich hin, als er am Monitor mit ansah, wie Gerold Haferstein im Zimmer nebenan seine Koffer packte. Während er überlegte, wie er die Überwachung von Haferstein nun fortsetzen sollte, bekam er einen Anruf auf seinem Handy. Das Display zeigte die Nummer von Siebels.

      »Schlechter Zeitpunkt für ein kleines Schwätzchen«, sagte Till sofort und wollte seinen Freund gleich wieder abwimmeln.

      »Warum? Hast du vielleicht gerade Stress im Hotel Jumeirah?«

      Till traute seinen Ohren nicht. Sein Auftrag hier unterlag strengsten Geheimhaltungsvorschriften. »Hat Anna etwa was ausgeplaudert?«

      »Nein, mein Anruf hat nichts mit Anna zu tun. Ich interessiere mich für die junge Frau, deren Leiche heute aus dem Hotel getragen wurde.«

      »Die wurde zu Anna in die Gerichtsmedizin gebracht. Was willst du, Siebels?«

      Siebels atmete schwer aus. »Sag mir nur eins. Aber sag mir bitte die Wahrheit. Habt ihr sie beim LKA als Informantin missbraucht und verbrannt?«

      Till musste sich das Gehörte zwei Mal durch den Kopf gehen lassen, um sicher zu sein, dass er sich nicht verhört hatte. »Sag mal, spinnst du oder was? Ich habe sie gefunden, aber noch nie zuvor gesehen. Wie mischst du denn da wieder mit drin rum?«

      »Möglicherweise spielt einer von euren Leuten mit falschen Karten«, sagte Siebels nachdenklich.

      »Ich glaube das jetzt alles nicht. Siebels, wir sollten uns bald mal treffen.«

      »Ja, das sehe ich auch so. Ich melde mich später nochmal bei dir. Bis dann.«

      *


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