PROJEKT GALILEI. Stefan Bouxsein

PROJEKT GALILEI - Stefan Bouxsein


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sie aus dem Aufzug trat. Sie wirkte nervös. Sie sah sich um, bevor sie in Richtung des Hotelzimmers ging. Das Zimmer lag weit außerhalb der Reichweite der Videokamera. Das nächste Mal öffneten sich die Aufzugtüren um 12:44. Eine Frau um die fünfzig trat mit zwei großen Einkaufstüten aus dem Fahrstuhl. Sie ging in den entgegengesetzten Hotelflur. Um 12:49 verließen zwei Männer den Aufzug. Sie gingen zielstrebig in die gleiche Richtung, wie zuvor Nayla. Lena machte einen Ausdruck von einem Standbild, auf dem die Gesichter der Männer einigermaßen erkennbar waren. Dann tat sich lange Zeit nichts. Die Aufzugtüren blieben verschlossen. Erst um 14:27 Uhr stieg wieder jemand in der neunten Etage aus. Ein Mann mittleren Alters im Anzug und einer Aktentasche in der Hand. Um diese Zeit hatte Till Krüger schon die Polizei gerufen. Aber er erschien nicht in der Videoaufzeichnung. Lena spulte zurück auf 10:00 Uhr.

      4

      Till überlegte fieberhaft, wie er die Observierung von Haferstein noch retten konnte. Er saß in der luxuriösen Hotelsuite vor dem Monitor und beobachtete, wie Gerold Haferstein mit gepacktem Koffer seine Unterkunft verließ. Till hatte noch zwei Leute vor Ort. Jürgen Becker saß in einem Sessel in der Lobby und beobachtete den Empfangstresen. Sonja Lesch saß im Wagen im Parkhaus MyZeil und wartete auf Instruktionen. Das Parkhaus war direkt mit dem Hotel verbunden und hatte einen Abstellplatz für die Autos der Hotelgäste. Haferstein war aber ohne eigenes Auto angereist. Er war mit dem Flieger aus Wien gekommen und in Frankfurt nur mit dem Taxi unterwegs. Till verließ seinen Posten, kurz nachdem Haferstein die Suite verlassen hatte. Er nahm den Weg über die Treppen nach unten. Mit einem Knopf im Ohr wartete er auf Informationen von Jürgen Becker aus der Lobby.

      »Er kommt gerade aus dem Aufzug und geht zum Empfang«, vernahm er die Stimme seines Kollegen. Till gab Sonja Anweisung, mit dem Wagen vor den Hoteleingang zu kommen. »Der Hoteldirektor kommt zu Haferstein«, berichtete Jürgen Becker. »Ich versuche mal, ein bisschen näher ranzugehen.«

      »Ich bin gleich unten«, gab Till seinem Kollegen Bescheid.

      »Haferstein scheißt den Direktor zusammen. Er checkt aus.«

      »Ich stehe vor dem Hotel«, meldete sich Sonja Lesch.

      »Ich bin in der Lobby, ich bin gleich bei dir Sonja«, sagte Till, nahm sich den Knopf aus dem Ohr und begab sich unverzüglich zum Ausgang. Aus den Augenwinkeln sah er am Empfang Haferstein stehen, in dessen unmittelbarer Nähe Jürgen Becker anscheinend mit seinem Handy beschäftigt war. Till verließ das Hotel und stieg direkt in den davor wartenden Wagen. »Fahr um die Ecke, hier können wir nicht stehenbleiben«, entschied Till.

      »Ich glaube, wir sind nicht die Einzigen, die sich an Hafersteins Fersen heften«, gab Jürgen Becker durch. Sonja und Till hörten ihm über die Freisprechanlage im Auto zu.

      »Wer denn noch?«, fragte Till verwundert.

      »Mindestens zwei Männer. Beide schwarzhaarig. Einer etwa Mitte dreißig, 1,75 m groß, durchtrainiert, braunes Hemd, schwarzes Sakko. Der andere etwa Ende vierzig, 1,80 m groß, schlank, grauer Anzug, blaues Hemd. Haferstein verlässt jetzt das Hotel, die beiden Männer scheinen auf Instruktionen zu warten.«

      »Vielleicht gehören die zu Hassani Aziz?«, überlegte Sonja.

      »Möglich. Vielleicht haben die aber auch für Haferstein die Leiche in seinem Bett hinterlassen. Dann gehören sie eher nicht zu Hassani Aziz.«

      »Haferstein verlässt das Hotel durch den Haupteingang«, gab Jürgen Becker flüsternd durch. »Seine Schatten bleiben aber zurück.«

      Till und Sonja nickten sich zu, als ein Taxi Richtung Hoteleingang vorfuhr. »Er nimmt ein Taxi. Wir hängen uns dran. Jürgen, du bleibst erst mal im Hotel und behältst die beiden Typen im Auge. Du musst unsere Ausrüstung im Hotelzimmer auch noch abbauen. Ich melde mich wieder, wenn wir wissen, wo es Haferstein nun hinzieht.«

      Sonja startete den Wagen und fuhr dem Taxi hinterher, das mit Haferstein auf dem Rücksitz von der Hotelzufahrt abfuhr. »Hast du eine Ahnung, was es mit der toten Frau auf sich hat?«, fragte sie nachdenklich.

      »Zuerst dachte ich, dass Haferstein ein Mord angehängt werden sollte, um ihn aus dem Verkehr zu ziehen.«

      »Ja, das dachte ich auch. Aber er hat ein astreines Alibi und das LKA kann das bezeugen. Blöde Situation. Jetzt denkst du aber anders darüber?«

      »Ich habe das komische Gefühl, das die Aktion in erster Linie uns galt. Jemand wollte unsere Überwachung von Haferstein sabotieren. Und das hat ja auch gut geklappt.«

      »Deswegen musste eine unschuldige junge Frau sterben?«

      Till dachte an den Anruf von Siebels. Irgendjemand musste ihn engagiert haben. Und zwar kurz nachdem die Polizei im Hotel erschienen war. »Ich denke, die Frau hängt da irgendwie mit drin. Da hat jemand zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Ich hoffe, die Kommissarin von der Mordkommission kann mir bald mehr über sie sagen.«

      Sonja folgte dem Taxi aus der Stadt heraus auf die Autobahn. Sie ließ den Abstand größer werden. »Was hast du ihr erzählt?«

      »Die Wahrheit. Dass Haferstein ein wasserdichtes Alibi hat, dass er beim illegalen Waffenhandel im großen Stil beteiligt ist und dass wir vor allem an seiner Beziehung zu Hassani Aziz interessiert sind und uns Informationen über dessen Hintermänner versprechen.«

      »Hoffentlich kommt sie uns nicht in die Quere. Hättest ihr vielleicht besser gar nichts sagen sollen. Die Dinge sind schon kompliziert genug.«

      »Vielleicht. Er biegt ab Richtung Flughafen. Scheiße.«

      »Sollen wir ihn festnehmen, wenn er abhauen will?«

      »Auf keinen Fall. Ich will wissen, was er mit Hassani Aziz zu besprechen hat. Wir haben bisher noch keine Ahnung, um was es bei der Sache hier tatsächlich geht. Zur Not steige ich ins selbe Flugzeug. Den lassen wir jetzt nicht mehr aus den Augen.«

      *

      Siebels stand etwas unbeholfen im Wohnzimmer. Er hatte vor seiner Frau gerade die Beichte abgelegt. Ein neuer Auftrag. Der letzte, den er als Privatdetektiv noch ausführen wolle. Sabine schaute ihn einfach nur sprachlos an.

      »Ich habe schon 20.000 Euro bekommen. Als Anzahlung.«

      »Du hast es mir versprochen«, sagte Sabine. »Die Familie geht vor, ich dachte, da wären wir uns endlich einig gewesen.«

      »Ich weiß. Ich hatte den Auftrag auch erst abgelehnt. Aber dann habe ich erfahren, dass Till mit dem LKA mit drinhängt.«

      »Na, dann ist doch alles bestens. Till schafft das auch ohne dich. Oder zweifelst du daran?«

      »Ich glaube, er steckt in Schwierigkeiten. Könnte sein, dass beim LKA jemand ein doppeltes Spiel spielt.«

      »Könnte sein? Dann sag das Till doch einfach. Der kann sich schon selbst helfen.«

      »Und wenn nicht? Eine junge Frau wurde umgebracht. In einem Hotelzimmer. Till war zur selben Zeit im selben Hotel. Ich werde mich morgen mit ihm treffen. Vielleicht klärt sich dann schon alles auf. Dann gebe ich das Geld und den Auftrag wieder zurück. Aber wenn ich das Gefühl habe, dass er in der Scheiße steckt, dann muss ich versuchen, ihn da wieder rauszuziehen. Verstehst du das?«

      Sabine nickte. »Ich hätte es wissen müssen. Du kannst die Füße einfach nicht stillhalten.«

      »Ich habe eben sogar schon ein wenig im Netz recherchiert. Kann sein, dass in diesen Fall sogar ein saudischer Prinz involviert ist.« Siebels wartete gespannt auf die Reaktion von Sabine.

      »Aha.« Das war zunächst alles, was Sabine dazu einfiel.

      »Diese Prinzen sind stinkreich. Die können auch Leute vom LKA kaufen. Irgendwie glaube ich wirklich, dass Till gerade in Schwierigkeiten steckt. Ausgerechnet jetzt, wo er und Anna endlich den Hochzeitstermin festgemacht haben, kann ich nicht so tun, als ginge mich das nichts mehr an. Ich habe den Auftrag auf Empfehlung bekommen. Ich weiß nicht, wer mich empfohlen hat, aber irgendjemand scheint der Meinung zu sein, dass ich mich um die Sache kümmern


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