PROJEKT GALILEI. Stefan Bouxsein

PROJEKT GALILEI - Stefan Bouxsein


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sie Sex hatten.«

      »Klingt so, als hätte er das nicht zum ersten Mal gemacht. Vielleicht sollte sich Lena Leisig mal in der Szene umhören, ob es dort in letzter Zeit Auffälligkeiten gab.«

      »Sie wird meinen Bericht bekommen und kann dann sicherlich selbst entscheiden, wie sie vorzugehen hat.«

      »Ja, sie macht eigentlich einen ganz taffen Eindruck. Ich muss Schluss machen und mich um meine Leute kümmern. Bis bald.«

      Till saß im Wagen und dachte über das weitere Vorgehen nach. Während er mit Anna gesprochen hatte, war er ohne ersichtlichen Grund unruhig geworden. Irgendeine Information hatte die Alarmglocke in ihm ausgelöst. Aber er konnte nicht ausmachen, was es war. Die Tote war über einen längeren Zeitraum gewürgt worden. Dieser Umstand weckte keinerlei Assoziationen in ihm. Er ließ seinen Blick aus dem Fenster schweifen. Vor dem Hoteleingang hatte ein Wagen angehalten. Niemand stieg aus. Dann kam es Till schlagartig in den Sinn. Nicht das Gespräch mit Anna hatte ihn stutzig gemacht. Es war der Wagen, der an ihm vorbeigefahren war, vor dem Hotel anhielt und sich nun langsam wieder in Bewegung setzte. Till konnte das Nummernschild gerade noch identifizieren, bevor der Wagen den Abstand vergrößerte. Jürgen Becker hatte ihm erst vor wenigen Minuten Modell, Farbe und Kennzeichen von genau diesem Wagen durchgegeben. Die zwei Typen waren nun auch hier. Sie waren Haferstein nicht gefolgt, hatten ihn aber trotzdem schnell wieder gefunden.

      Sonja trat aus dem Hotel auf die Straße und gab Till unauffällig ein Zeichen. Er sollte zu ihr kommen. Vorher musste er den Wagen im Parkhaus abstellen.

      5

      Lena Leisig hatte in der letzten Nacht nicht viel Schlaf gefunden. Aber sie fühlte sich schon früh am Morgen putzmunter. Nach dem ersten starken Kaffee sogar leicht aufgedreht. Es gab viel zu tun, sie hatte einen Mord aufzuklären, und sie musste dem Kommissar beim LKA auf die Finger schauen. Dem besten Kumpel von ihrem zukünftigen Partner. Till Krüger war auf den Hotelaufzeichnungen nicht auszumachen gewesen. Seit wann hatte er sich tatsächlich in der Suite aufgehalten? Hatte er mehr beobachtet, als er zugegeben hatte? War das LKA in den Mord verwickelt? Versuchten die jetzt, sie ganz gezielt mit ihren Ermittlungen ins Leere laufen zu lassen? Oder hatte Till Krüger sich einfach eine schöne Zeit in der luxuriösen Suite auf Kosten des Steuerzahlers gemacht und gab ihr deshalb falsche Informationen? Bevor sie sich aber näher mit der Rolle des LKA bei dem Fall befasste, wollte sie zunächst mit den anderen Frauen des Escort-Services sprechen. Samira stand ganz oben auf ihrer Liste. Die bewohnte eine Eigentumswohnung im Europaviertel. Beim Kaffeetrinken hatte Lena die Adresse gegoogelt. Das Haus, in dem Samira wohnte, hatte einen Namen. Praedium. Dort ließ es sich wohnen, zentral in der Stadt, mit dem nötigen Kleingeld. Damit schien Samira Mousa kein Problem zu haben. Die Frau, die in Jordanien in einem palästinensischen Flüchtlingslager das Licht der Welt erblickt hatte. Lena war gespannt auf diese Frau.

      *

      Steffen Siebels fühlte sich zufrieden und bedrückt zugleich. Er saß mit Frau und Sohn am Frühstückstisch. Sabine hatte nicht lange gefackelt und noch einen Last-minute-Flug für sich und Denis nach Stockholm gebucht. Ausgedehnte Sommerferien in Schweden.

      »Je schneller du deinen Auftrag erledigt hast, desto eher kannst du ja nachkommen«, munterte Sabine ihren Mann auf.

      »Vielleicht ist es ja gar kein Fall. Ich rufe Till gleich mal an.«

      »Wenn du mit Till redest, ist es ein Fall. Und wenn es noch kein Fall ist, wird es ein Fall. Wenn ich eines gelernt habe, dann das.«

      »Wann fliegen wir los?«, quengelte Denis.

      »Hast du denn deinen Koffer schon gepackt?«, wollte Siebels von seinem Sohn wissen.

      Denis schaute seinen Vater mit großen Augen an. »Ich habe gar keinen Koffer.«

      »Tja, dann kannst du auch nicht in den Urlaub fliegen.« Siebels bekam von Sabine umgehend einen Tritt gegen das Schienbein.

      »Ich nehme deinen Koffer, Papa. Du fliegst ja nicht mit.«

      »Ich komme aber bald nach. Und dann brauche ich meinen Koffer.«

      »Dann kannst du dir ja vorher einen neuen kaufen. Ich habe dafür keine Zeit mehr. Mein Flug geht nämlich bald.« Denis grinste seinen Vater an, Sabine lachte laut und Siebels fragte sich, seit wann sein Kindergarten-Sheriff so altklug war. Irgendwas hatte er verpasst in den letzten Wochen.

      »Ich packe noch schnell unsere Sachen im Bad zusammen und dann geht’s los«, gab Sabine das Kommando zum Aufbruch.

      Siebels schnappte sich das Telefon und rief Till an. Vielleicht hatte sich die ganze Geschichte ja über Nacht schon aufgeklärt. Dann blieben ihm noch fünf Minuten zum Packen. Sofern er noch einen Koffer hätte. Till nahm das Gespräch umgehend an.

      »Guten Morgen, Till. Ich wollt nur mal fragen, ob sich das mit der toten Frau im Jumeirah vielleicht schon aufgeklärt hat.«

      »Tut mir leid, Siebels. Da bin ich der falsche Ansprechpartner. Das bearbeitet Frau Leisig von der Frankfurter Mordkommission. Und soweit ich weiß, bist du da auch bald wieder zuhause. Also musst du den Fall vielleicht aufklären, wenn Lena Leisig das bis dahin nicht geschafft hat.«

      »Da bist du falsch informiert. Ich kläre den Fall als Privatdetektiv auf, fliege dann in den Urlaub nach Schweden, und erst danach kehre ich zur Mordkommission zurück.«

      »Was hast du mit der Frau im Jumeirah zu tun, Siebels?« Till wurde wieder ernst.

      »Was hast du mit ihr zu tun, Till? Warum bist du in dem Hotel?«

      »Bin ich nicht mehr. Letzte Nacht bin ich umgesiedelt, zum Hilton am Flughafen.«

      »Am Flughafen? Das passt.«

      »Was passt?«

      »Flughafen passt. Ich bin gleich auf dem Weg dorthin. Sabine und Denis fliegen nach Schweden. Wo treffen wir uns?«

      »Warum fliegst du nicht einfach mit nach Schweden und genießt deinen Urlaub mit deiner Familie?«

      »Wegen dir, mein Guter. Nur wegen dir.«

      »Wegen mir?«

      »Deine Tote im Jumeirah. Jemand vom LKA hat sie bedrängt, Informationen preiszugeben. Informationen über einen ihrer Kunden.«

      »Sie stand in Kontakt mit dem LKA?«

      »Das wusstest du nicht?«

      »Nein. Das wusste ich nicht. Das glaube ich jetzt auch nicht.«

      »Sie hieß Nayla und hat als Escort-Dame gearbeitet. Und da hat sie in der Champions League gespielt.«

      »Ruf mich an, wenn du am Flughafen bist. Wir müssen reden.«

      »Sag ich doch. Bis später.«

      *

      Lena betrat pünktlich um neun Uhr das Praedium. Das Wohnhochhaus war von einem Architekturbüro entworfen und prämiert worden. Es handelte sich um ein 19-geschossiges Gebäude mit zurückgestaffelten Fassaden, ausgestattet mit Terrassen, Balkonen, Loggien und einer begrünten Dachgestaltung. Im Eingangsbereich lag eine großzügig gestaltete Lobby, in der ein Concierge seinen Dienst verrichtete. Bodentiefe Fenster sorgten für lichtdurchflutete Wohnbereiche.

      Lena hatte die Adresse zuvor gegoogelt und sich einen Eindruck verschafft. Jetzt stand sie in dem Haus und sagte dem Concierge, zu wem sie wollte. Der Mann tat einen geschäftlichen Blick in eine Mappe und nickte dann zufrieden. »Frau Mousa erwartet Sie. Nehmen Sie den Aufzug, Sie müssen in die 7. Etage.«

      Lena hatte Samira gestern Abend noch angerufen. Die Frau war auf den Anruf bereits vorbereitet. Justine van Bergen hatte natürlich keine Zeit verloren, ihre Damen zu instruieren. Lena war sicher, dass Samira keine nützlichen Informationen preisgeben würde. Jedenfalls nicht so ohne weiteres. Als Lena aus dem Aufzug trat, wurde sie an der Wohnungstür erwartet. Samira trug einen schwarzen Hausanzug aus Samt, der mit goldenen Stickereien verziert war. Lange, schwarze Haare, füllig und leicht gewellt,


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