PROJEKT GALILEI. Stefan Bouxsein

PROJEKT GALILEI - Stefan Bouxsein


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      »Hast du schon einen Verdacht, wer dafür verantwortlich sein könnte?«

      »Ja, vielleicht die Jungs hinter dir. Die sind mit einem Wagen unterwegs, der auf die Firma Millenium Logistik International zugelassen ist. Wir sind noch dabei herauszufinden, was das für ein Laden ist.«

      »Habt ihr rausgefunden, von wo die Herren stammen?«

      »Laut den Unterlagen aus dem Jumeirah sind es Geschäftsleute aus Südafrika.«

      »Und was denkst du, wo sie wirklich herkommen?«

      »Weiß ich noch nicht. Aber wenn Gerold Haferstein ein Geschäft mit Hintermännern aus dem Nahen Osten abwickeln will, passt Südafrika nicht ins Bild.«

      »Nayla Aldahabi stammte aus Jordanien. Sie ist seit ihrer Kindheit Vollwaise und bei einer Tante aufgewachsen. Sie hat in Jordanien eine höhere Schule besucht, hat Deutsch gelernt und ist dann für ein Studium an der School of Finance and Management nach Frankfurt gekommen.«

      »Dann wurde sie von ihrem Heimatland wahrscheinlich protegiert. War ihr Job als Escort-Girl in den gehobenen Kreisen vielleicht eine Gegenleistung? War sie Agentin? Verdammt, das macht die Sache richtig kompliziert.«

      »Du sagst es. Seit wann beschäftigen wir uns auch mit einfachen Fällen?«

      »Wie kam deine Auftraggeberin eigentlich auf dich? So schnell nach dem Auffinden der Leiche? Das ist doch auch kein Zufall.«

      »Nein, darüber habe ich lange nachgedacht. Sie sagt, man hätte mich ihr empfohlen. Das muss aber direkt nach dem Tod von Nayla passiert sein. Ich glaube, die Wahl ist auf mich gefallen, weil ich mit dir immer so gut zusammenarbeite.«

      »Wegen dem mysteriösen Richard, der angeblich für das LKA tätig ist. Aber wer soll dich da empfohlen haben?«

      »Ich habe keine Ahnung. Aber ich bin mir sicher, dass sie zu mir kam, weil ich einen direkten Draht zum LKA habe. Also zu dir. Woher sie das wissen konnte, ist mir aber noch absolut schleierhaft.«

      »Moment mal, Siebels. Wenn ich dich richtig verstanden habe, hast du den Auftrag angenommen, weil du meinen Arsch retten willst. Denkst du etwa, dass das LKA für den Mord an dieser Nayla verantwortlich ist?«

      »Das kann ich jedenfalls nicht ausschließen«, seufzte Siebels.

      »Ich leite diese Operation, verdammt nochmal. Langsam kommt es mir aber so vor, als wäre ich nur als Sündenbock vorgesehen gewesen.«

      »Deswegen bin ich ja jetzt da. Zusammen sind wir unschlagbar. Also lass uns loslegen.«

      *

      Lena saß in ihrem Wagen und versuchte das eben geführte Gespräch einzuordnen. Warum redete Samira nicht einfach Klartext? Weil sie der Polizei nicht vertraute, glaubte Lena aus Samiras Verhalten herausinterpretiert zu haben. Manchmal ist es schwer zu unterscheiden, wer Freund und wer Feind ist. Wer ist mein Freund?, überlegte Lena. Till Krüger hatte sich als eine Art Freund hervorgetan. Ansonsten war sie momentan allein auf sich gestellt. Till Krüger, der LKA-Kommissar, der die Leiche entdeckt und die Polizei informiert hatte. Till Krüger, der den Tatort aus dem Zimmer nebenan beobachtet hatte, aber nicht auf den Aufzeichnungen der Kameras im Hotel auftauchte. Till Krüger, der Ex-Partner von ihrem zukünftigen Kollegen Steffen Siebels.

      »Scheiße«, rief Lena aus und schlug mit der flachen Hand auf das Lenkrad. Wie sollte sie sich nur verhalten? Kooperativ mit Till Krüger und dem LKA zusammenarbeiten, so wie sie es mit ihm abgesprochen hatte? Oder sollte sie erst mal ihr eigenes Ding durchziehen? Ein Blick auf die Uhr ließ sie zusammenzucken. Sie hatte Gerold Haferstein für zehn Uhr ins Präsidium bestellt. Sie musste sich beeilen.

      Haferstein stand bereits in der Eingangshalle des Präsidiums. Als er Lena durch den Haupteingang kommen sah, warf er einen empörten Blick auf die Uhr. Lena war zehn Minuten zu spät.

      »Tut mir leid«, entschuldigte sie sich. »Ich war noch bei einer Zeugenbefragung. Kommen Sie mit, wir gehen in mein Büro.«

      Haferstein erklärte Lena auf dem Weg durch die Flure im Präsidium, dass seine Zeit begrenzt sei.

      Im Büro kam Lena auch gleich zur Sache, nachdem sie die Personalien zur Zeugenbefragung aufgenommen hatte.

      »Hatte jemand Zugriff auf Ihre Schlüsselkarte zum Hotelzimmer im Jumeirah?«

      »Nein. Die trug ich den ganzen Tag bei mir, und sie befand sich auch noch in meiner Brieftasche, als ich nachmittags wieder im Hotel eintraf.«

      »Wie viele Leute wissen von Ihrem Aufenthalt in dem Hotelzimmer?«

      »Jedenfalls niemand, der eine tote Frau dort zurücklassen würde.«

      »Wie kam sie dann wohl dorthin?«

      »Das herauszufinden sollte eigentlich Ihre Aufgabe sein.«

      »Ich bin gerade dabei, das herauszufinden, Herr Haferstein. Die tote Frau haben Sie noch nie zuvor gesehen, ist das richtig?«

      »Stimmt. Ich habe sie noch nie gesehen. Wer ist sie?«

      »Haben Sie jemals die Dienste von First Class Escort van Bergen in Anspruch genommen?«

      Haferstein sah Lena konsterniert an. »Von wem?«

      Lena merkte Haferstein an, dass er genau wusste, wovon sie redete. »Die tote Frau hieß Nayla. Sie arbeitete für einen Escort-Service. Klingelt da was bei Ihnen?«

      Haferstein hatte schon tief Luft geholt, um diese Frage vehement zu verneinen. Doch dann besann er sich eines Besseren. Er war interessiert daran, die Zusammenhänge zu begreifen. Und das ging nur, wenn er in dieser Sache nicht blockte. Außerdem glaubte er, dass diese Kommissarin sowieso schon über seinen Kontakt zu dem Service Bescheid wusste. »Na gut, ist ja auch nichts Verwerfliches dabei. Ja, ich habe die Dienste von dem Service in Anspruch genommen. Ich habe dort mehrmals eine Begleitung gebucht. Es war aber immer dieselbe Frau, und das war nicht die Tote.«

      Lena sah Haferstein nachdenklich an. Was hatte es nur mit diesem Escort-Service auf sich? Sie musste unbedingt die richterliche Anordnung zur Herausgabe der Kundendaten bei Justine van Bergen beantragen. »Samira?«, erkundigte Lena sich vorsichtig.

      »Samira?« Haferstein schien nicht zu verstehen.

      »Samira, war das der Name der Frau, die Sie als Begleitung gebucht haben?«

      »Nein, sie heißt nicht Samira. Ihr Name ist Sarah. Es gab nie Probleme. Wir hatten immer eine gute Zeit zusammen. Was soll das alles?«

      »Wie sind Sie auf den Service aufmerksam geworden?«

      »Durch eine Empfehlung von einem Geschäftspartner.«

      »Bei unserer Unterredung gestern Nachmittag im Hotel haben Sie den Verdacht geäußert, dass Ihnen jemand etwas anhängen will. Wie haben Sie das gemeint?«

      »Ich hatte keine andere Erklärung dafür. Deswegen ist mir das so rausgerutscht. Aber mittlerweile denke ich, dass diese Sache mit mir persönlich gar nichts zu tun haben kann. Es ergibt einfach keinen Sinn.«

      »Hat das was mit Ihren geschäftlichen Aktivitäten zu tun, dass Ihnen das so rausgerutscht ist?« Lena lächelte Haferstein provozierend an.

      Haferstein war die Frage sichtlich unangenehm. Über seine Geschäfte wollte er augenscheinlich nicht mit der Kommissarin sprechen. »Nein, mir kam das nur so in den Sinn. Auf geschäftlicher Ebene habe ich natürlich Feinde und Gegner. Aber das bezieht sich ausschließlich auf das Geschäftliche. Da wird zwar mit harten Bandagen gekämpft, aber Vergewaltigung, Mord und Totschlag gehört nicht zum Repertoire.«

      Lena dachte an die unzähligen Opfer, die unschuldig wegen Gerold Hafersteins Geschäften ihr Leben lassen mussten oder verstümmelt worden sind. An Kinder, die in Kriegsgebieten aufwuchsen, an Mütter, die um ihre Kinder trauerten, an Väter, die alles verloren hatten. Am liebsten hätte sie Haferstein wenigstens den Mord an Nayla angehängt. Aber sie beherrschte sich, behielt ihre Emotionen und ihre Abneigung gegen Haferstein im Griff und fuhr professionell mit


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