Griechische Mythologie. Ludwig Preller
59.
180 Vgl. Nitzsch z. Od. 2, 135–37, Nägelsbach Hom. Theol. 68 ff., Nachhom. Th. 111 ff., Lehrs popul. Aufs. 123 ff. Etymologisch wird ϑεὸς jetzt gewöhnlich für gleiches Stammes mit divus gehalten, so daß ϑεοὶ eigentlich die Himmlischen, die Leuchtenden wären, doch widerspricht G. Curtius Grundz. 1, 220. δαίμων hängt zusammen mit δάω, δαίω in der Bedeutung wissen, vgl. δαήμων, δαΐφρων.
181 Doch ist die Nahrung der Götter eine andre als die der Menschen, so auch ihr Blut, sonst würden sie nicht unsterblich sein, Il. 5, 341 οὐ γὰρ σῖτον ἔδουσ', οὐ πίνουσ' αἴϑοπα οἶνον, τοὔνεκ' ἀναίμονές εἰσι καὶ ἀϑάνατοι καλέονται. Vielmehr ist ihre Nahrung Ambrosia d. i. die Speise der Unsterblichkeit (ἄμβροτος) und Nektar, welches Wort eine ähnliche Bedeutung zu haben scheint, s. Buttmann Lexil. 1,131 ff., Nägelsbach Hom. Th. 41, vgl. den indischen Göttertrank amrita und Grimm D. M. 294 ff., Kuhn Herabk. d. Feuers 175. Die Sprache der Götter scheint dagegen eine Fiction der Dichter zu sein, s. Grimm 307 ff., Lobeck Agl. 858 ff., Nägelsbach a. a. O. 177.
182 Vgl. Herod. 1, 60, den ähnlichen Vorfall b. Plut. Arat. 32 und die Verehrung der Apostel Paulus und Barnabas als Zeus und Hermes Apostelgesch. 14, 11. Gewöhnlicher sind die Epiphanien der Götter freilich geisterartig, wie der Ruf des Pan vor der Schlacht bei Marathon Her. 6, 105, die Erscheinung des Jacchoszuges vor der bei Salamis Her. 8, 65, die vielen Erscheinungen der Götter im Traume u. dgl. m., s. Nitzsch in den Kieler Studien 410 ff., Nägelsbach Nachhom. Th. 3.
A. Der Himmel.
Die himmlischen Götter heißen im Allgemeinen οἱ οὐράνιοι, auch οἱ Ὀλύμπιοι im engeren Sinne des Worts, wie besonders Zeus der Olympier schlechthin ist, weil der Olymp der himmlische Thron und insofern mit dem Himmel gleichbedeutend ist (S. 50). Mit blos räumlicher Andeutung ihres Aufenthalts heißen sie οἱ ἄνω, οἱ ὕπατοι d. h. die Oberen im Gegensatze zu den Unteren welche in der Tiefe der Erde wohnen, wie Poseidon in der Tiefe des Meeres. Der Cultus ließ diese Götter in verschiedenen Verbindungen erscheinen, je nachdem diese oder jene Beziehung des Lebens oder der Oertlichkeit hervorgehoben werden sollte; die Mythologie stellt sie in verschiedenen Verhältnissen der Verwandtschaft dar, wodurch zugleich die nähere oder entferntere Verwandtschaft ihres Wesens für den religiösen Gedanken, hin und wieder auch wohl eine Einheit des Ursprungs im Cultus angedeutet wird. So scheinen Zeus Hera Athena Hephaestos Ares und Hermes einem und demselben althellenischen Gottesdienste anzugehören, da sie auch dem Begriffe nach sehr nahe unter einander verwandt sind: Zeus als der oberste Himmelsgott und der gemeinschaftliche Vater oder Gatte, dessen Wesen das ihrige eigentlich mit umfaßt, Hera und Athena als die beiden weiblichen Mächte des Himmels, die eine mit dem vorherrschenden Ausdruck der mütterlichen, die andre mit dem der jungfräulichen Weiblichkeit, Hephaestos als der Feuergott himmlischen Ursprungs, Ares der Sturmgott, endlich Hermes als der der meteorologischen Veränderungen von Licht und Dunkel. Andrerseits gehörten Zeus und Dione speciell nach Dodona, wo auch Dionysos neben ihnen verehrt wurde, Dione als eine Erd- und Liebesgöttin welche in der Ilias noch die Mutter der Aphrodite vom Zeus ist, aber später von der syrischen und phoenikischen Aphrodite, welche zugleich den Himmel, die Erde und das Meer umfaßt, verdrängt worden ist. Wieder eine andre Gruppe sind Leto, die ehrwürdige Gemahlin des Zeus, und ihre beiden lichten Kinder, Apollo und Artemis, in dieser Zusammenstellung vermuthlich ein Gottesdienst kleinasiatischen und kretischen Ursprungs, obwohl eine ältere Verehrung der Sonne und des Mondes, dieser eminentesten Lichterscheinungen des Himmels, in Griechenland von den Alten bestimmt angenommen wird183 und auch sonst an verschiedenen Merkmalen sich nachweisen läßt. Endlich Hestia, die jüngste der Olympischen Gottheiten, da Homer sie noch gar nicht als Göttin kennt, eigentlich das Heerdfeuer als Symbol aller Ansiedlung, aber als solches gleichfalls von himmlischem Ursprunge. Neben diesen vorherrschenden Mächten des Himmels endlich viele andere Götter und Mächte von untergeordneter Bedeutung, welche neben jenen bald die besonderen Beziehungen und Erscheinungen der himmlischen Natur, bald die der himmlischen Weltregierung darstellen, auch sie meistens vom Zeus abstammend oder seine Diener, so sehr ist Zeus vollends in diesem Gebiete der allgemeine Grundgedanke und die allgemeine Ursache.
Fußnote
183 Plat. Crat. 397 C φαίνονταί μοι οἱ πρῶτοι τῶν ανϑρώπων τῶν περὶ τὴν Ἑλλάδα τούτους μόνους τοὺς ϑεοὺς ἡγεῖσϑαι, οὕσπερ νῦν πολλοὶ τῶν βαρβάρων, ἥλιον καὶ σελήνην καὶ γῆν καὶ ἄστρα καὶ οὐρανόν. Vgl. de Leg. 10 p. 886 A. D. und Aristot. Met. Λ, 8, Bonitz Met. p. 513, Krische Forsch. 303.
I. Hauptgötter.
1. Zeus.
Auch dieser Name bezeichnet ihn, wie die vergleichende Mythologie lehrt184, als einen Gott des Himmels und seines strahlenden Glanzes. Es ist dasselbe Wort welches im Sanskrit, bei den alten Persern, bei den nördlichen Stammverwandten, endlich bei den italischen Völkern den leuchtenden Himmel und den höchsten Gott, den Gott über Alles bezeichnet, und gewiß meinte man in allen diesen Zungen ursprünglich dasselbe Wesen, welches erst in der Geschichte dieser Völker und ihrer Religionen für jedes eine andre Gestalt angenommen hat. Selbst bei den Griechen ist dieser höchste Gott in Folge der vielen Dialecte und örtlichen Ueberlieferungen unter verschiedenen Formen des Namens angerufen worden. Neben dem gewöhnlichen Ζεὺ-ς Διϝ-ός Δίϝ-α (skr. dyâú-s diu-ás diu-am) nannte man es Δίς (vgl. Diespiter) Ζήν Ζάν Ζής, auch Δεύς Δάν und Δήν, in diesen letzteren Formen namentlich bei den Boeotern, den Lakonen und auf Kreta185.
Als den höchsten Gott des Himmels, welcher als solcher im Aether thront, haben wir ihn schon aus jenem Bilde der Ilias kennen gelernt (S. 83); er entspricht in dieser Hinsicht genau dem alten römischen und sabinischen Diespiter und Lucetius; von dem die Salier sangen und dem die Fetialen dienten186. Mythologisch ist Zeus eben deshalb der Vater aller Götter und Heroen, deren Wesen demselben Gebiete des lichten Himmels und seiner Erscheinungen angehört, der Athena, des Hephaestos, des Apollon und der Artemis, der Dioskuren, des Perseus und des Herakles. Im Cultus verehrte man ihn aus demselben Grunde fast überall auf den höchsten Bergen187, wo er im Lichte thronend gedacht und gewöhnlich nur durch einfache Symbole vergegenwärtigt wurde. Nicht selten wurde solch ein Gipfel Olympos oder das heilige Haupt (ἱερὰ κορυφή) genannt und dadurch für die Andacht von selbst aus dem Gebiete der Sinnlichkeit in das des Glaubens und des Wunders entrückt, wie auf dem lykaeischen Gebirge in Arkadien, neben welchem der messenische Berg Ithome eine alte Stätte des Zeusdienstes im Peloponnes war, wie der Parnes und Hymettos in Attika, der Kithaeron und das Laphystion in Boeotien, der Parnaß in Phokis und den angrenzenden Landschaften, der Pelion und Oeta in Thessalien, die Gipfel von Rhodos, von Samothrake und andern Inseln, das Idagebirge bei Troia188.