Griechische Mythologie. Ludwig Preller
Eiche, die ragende und königliche, oder durch einen von Erde oder aus der Asche der Opferthiere gehäuften Altar.
Aus der Höhe wirkt Zeus auf die Erde und das menschliche Leben zunächst als Wolkensammler (νεφεληγερέτης) und Regenspender (ὑέτιος, ὄμβριος), welcher auf den Bergen thronend und von dort wie von einer Warte auf das Land herniederschauend189 die Wolken um sich versammelt und sie nährenden Regen in das dürstende Thal hinabträufeln läßt, aber auch als der stürmende, donnernde und blitzende Gott des Gewitters, welchen Homer in so vielen Beinamen und Bildern schildert190 und dessen Macht alle Naturreligionen in ihren Mythen und Anrufungen immer am meisten hervorheben: der Donar und Wuotam des griechischen Himmels und als solcher Vater des Ares und Hermes, von denen jener das stürmisch wilde und kriegerische Wesen seines Vaters, dieser das zwischen Licht und Dunkel schillernde und wechselnde in eigenthümlicher Personification darstellt. Denn auch alle übrigen Luft- und Lichtveränderungen des Himmels und ihr Maaß und regelmäßiger Jahresverlauf kommen vom Zeus, obwohl sich dieses weniger im Cultus und in Beinamen als in seinen mythologischen Beziehungen zu Apollon und Artemis, zu den Horen, zur Demeter und Persephone, zum Dionysos u. s. w. ausdrückte; auch die Winde, sowohl die plötzlich aus dem Gebirge hervorbrechenden Stürme Regengüsse und Schneegestöber, welche die Ilias so prächtig schildert191, als die sanften und befruchtenden Winde, daher ihn die Spartaner als εὐάνεμος verehrten (Paus. 3, 13, 4), und die günstigen Fahrwinde der segelnden Schiffe, um derentwillen man den Zeus auch auf Vorgebirgen und in den Häfen viel verehrte192. Ueberhaupt ist dieses die Seite des Zeuscultus welche in den örtlichen Gottesdiensten am meisten hervortritt, da die griechischen Landschaften im Sommer überall nach Wasser und Kühlung schmachten193 und der Witterungsproceß, wie sich zuerst die Wolken um die Gipfel der Berge sammeln, dann ihren Segen ins Thal herabströmen, eben deshalb mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgt wurde. Dahingegen die furchtbare Macht des Blitzes in allen Mythen und Sagen am meisten hervorgehoben wird, da solche Entladungen der himmlischen Kräfte sowohl die Phantasie als das Gemüth des Volkes und seiner Dichter am meisten ergriff. Die ganze Titanomachie, die Sage vom Typhon, die Gigantomachie sind eine fortgesetzte Verherrlichung dieses Ζευς κεραύνιος, des ἐλατὴρ ὑπέρτατος βροντᾶς ἀκαμαντόποδος, wie ihn Pindar Ol. 4 z. A. nennt, da er vorzugsweise dieser Macht seine Herrschaft im Himmel verdankte194. In Griechenland war die gewöhnliche Auffassung daß Zeus schreitend oder zu Wagen den Blitz mit der Hand schleuderte, daher dieser bei allen Cultusbildern das unvermeidliche Attribut war, wie es besonders auf den archaistischen Vasenbildern in seiner altertümlichsten Gestalt beobachtet werden kann. In der Theogonie bringen die Kyklopen Blitz und Donner, wie düstere Wolken welche aus dem Schooße der Erde mit funkelnden Feueraugen zum Himmel emporsteigen. In der Perseussage ist Pegasos, der von der Medusa geborne, ein ähnliches Bild, nur daß die Wolke hier als geflügeltes Pferd erscheint welches beim Zeus wohnt und seinen Blitz und Donner trägt195, während bei andern Dichtern der Blitz die Geißel des Zeus und der Donner sein Wagen hieß. Noch ein anderes Bild ist endlich die Aegis, die Sturm- und Donnerwolke unter der bildlichen Vorstellung eines Ziegenfells, sei es daß dessen zottige Bildung und graugelbe Farbe diese Vorstellung erregte oder daß dabei wie häufig bei solchen alten Symbolen eine phonetische Hieroglyphe zu Grunde liegt196. Gewiß ist daß das Vließ des dem Zeus geopferten Widders (Διὸς κώδιον) als ein Sühnmittel besonders bei solchen Gelegenheiten zur Anwendung kam, indem man sich damit bekleidete oder sich darauf stellend betete, wo man zu ihm um Regen und Kühlung flehte; wie der Widder denn auch im Culte des Hermes und in der Sage von Phrixos und Helle nicht wohl etwas Anderes als die befruchtende Wolke bedeuten kann und der nordische Thor als Donnergott mit Böcken fährt. Für die epische Vorstellung aber ist die Aegis bekanntlich ein Schild, der Schild des Zeus mit dem er zuerst im Titanen- und Gigantenkampfe erschienen sein soll und nach welchem er den Beinamen αἰγίοχος führte. In der Ilias führt Zeus sie entweder selbst oder er leiht sie der Athena oder dem Apoll, namentlich der ihm sehr nahe verwandten Athena, welche wie er über Donner und Blitz gebietet. Die Aegis wird beschrieben als quastenumbordet, hell von Glanz, voll Graun und Schrecken, vom Feuergotte verfertigt. Zeus donnert und blitzt wenn er sie aus seiner Wolkenhülle auf dem Ida schüttelt, die strahlende, ein Entsetzen der Achaeer197.
Unter den örtlichen Culten ist der des Olympischen Zeus, wenn er jemals ein örtlicher war, sehr bald zu dem des himmlischen Oberherrn in allgemeinerer Bedeutung geworden, namentlich durch den Gottesdienst und die bekannten Spiele zu Olympia in Elis, wo Zeus seit den Zeiten des Iphitos und Lykurgos im Sinne des epischen Götterstaats mit höchster Pracht und in entsprechenden Umgebungen gefeiert wurde. Und nach diesem Vorbilde sind später hin und wieder in Griechenland und in den Colonien ähnliche Institute gestiftet worden, namentlich von Tyrannen und Königen, welche im Olympischen Zeus das Ideal ihrer eignen Würde verehrten, z. B. in Athen und Agrigent, wo viele Generationen an den in solcher Zeit begonnenen Tempeln bauten198, desgleichen in den Umgebungen des Olympos von Thessalien und Makedonien, wo der Name des Monates Δίος und der Stadt Δίον am Fuße des Olymp und der Dienst des Bottiaeischen Zeus zu Pella auf alte Verehrung dieses Gottes deutet, die Olympischen Spiele aber erst durch Archelaos und die späteren Könige zu Ehren kamen199. Thessalien verehrte außerdem den Zeus Λαρίσιος oder Λαρίσαῖος, so genannt von dem Worte Λάρισα, wie dort und in vielen andern Gegenden die Stammburgen ältester Construction auf den Bergen hießen200, und den Zeus Πέλωρος d. h. den Riesigen, den Gewaltigen, welchem zum Andenken an die Entstehung der Landschaft in Folge des Durchbruchs von Tempe ein den Kronien ähnliches Freudenfest der Pelorien gefeiert wurde (Athen. 14, 45). Auch ein Dodona und einen Dodonaeischen Zeus soll es in Thessalien gegeben haben, doch lag das berühmtere in Epiros, das bekannte Dodona mit dem weit und breit berühmten Orakel, welches für das älteste in Griechenland galt201. Es lag in der Gegend von Janina in einer sehr fruchtbaren Landschaft, welche Hesiod Hellopia nennt und Aristoteles für das älteste Hellas hielt202, am Fuße des Gebirges Tmaros oder Tomaros und nicht weit von den Quellen des Acheloos, dessen heiliges Wasser das Orakel bei jeder Gelegenheit empfahl (S. 30). Zeus wurde sowohl auf dem Gipfel jenes Berges verehrt203 als in dem darunter gelegenen Thale, in diesem als ναίος d. h. als Gott der Feuchte und des quellenden Segens, welchem die Landschaft ihre außerordentliche Fruchtbarkeit für Saaten und Viehzucht verdankte204. Das älteste Heiligthum war eine dem Zeus geweihte Eiche mit eßbaren Früchten (φηγός), derselbe Baum welcher dem höchsten Gott des Himmels auch sonst in Griechenland, wie in Italien und bei den alten Deutschen und Kelten geweiht war, aber nirgends in so bedeutungsvoller Weise als zu Dodona. Das Rauschen ihrer Zweige verkündete den Willen des Zeus, der sie mit seinem Wesen ganz durchdrungen hatte205 ; heilige Tauben wiegten sich auf ihren Zweigen, wie der Sage nach eine Taube zuerst auf die mantische Kraft dieses Baums aufmerksam gemacht hatte206 ; eine begeisternde Quelle, die Quelle des Zeus genannt, ergoß sich an ihrem Fuße207