Griechische Mythologie. Ludwig Preller
anknüpfend dichtete endlich Aeschylos seine großartige Trilogie in den drei zusammenhängenden Tragödien, deren erste (Πρ. πυρφόρος) den Feuerraub und zwar als einen Vorgang auf der Insel Lemnos, die zweite allein vollständig erhaltene (Πρ. δεσμώτης) die Fesselung, endlich die dritte (Πρ. λυόμενος) die Befreiung des Titanen behandelte154. Denn bei Aeschylos ist Prometheus nun vollends ganz Titane, aber in dem edelsten Sinne des Wortes, ganz von Widerspruch gegen Zeus, aber zugleich ganz von aufopfernder Liebe zum menschlichen Geschlechte beseelt und auch in jenem Widerspruche von so edlem Selbstgefühl und so unbeugsamer Festigkeit eines großen und göttlichen Gemüthes, daß es schwer zu fassen ist wie der Dichter dabei seinen Glauben an Zeus als den nicht blos mächtigsten , sondern auch weisesten und besten, wie er ihn sonst immer ausspricht, zu behaupten vermochte. Prometheus ist bei ihm ein Sohn der Themis, durch seine Mutter auch Prophet und im Besitze von allen Geheimnissen der Zukunft. Bei dem Titanenkampfe trennte er sich von seinen Brüdern und half dem Zeus mit seinem Rathe zum Siege. Aber hernach, als es zur Theilung der Welt gekommen, so erzählt er selbst, habe Zeus der armen Menschen gar nicht geachtet, sondern das ganze Geschlecht vertilgen und ein neues schaffen wollen. Da habe Niemand als er sich der Menschen angenommen und sie nicht allein vor dem drohenden Untergange bewahrt, sondern ihnen auch mit dem Feuer eine Quelle aller Erfindungen und der Herrschaft über die Natur gegeben, was der Dichter sehr ins Einzelne ausführt. Und dafür hat ihn nun die gräßlich harte Strafe getroffen, an den äußersten Enden der Welt, in der skythischen Wüste, in der schauerlichsten Einsamkeit dem Sonnenbrande ausgesetzt, gepfählt und angeschmiedet zu werden, so daß er seine Brüder im Tartaros beneidet. Aber er weiß und das tröstet ihn, daß auch an Zeus der Fluch seines Vaters in Erfüllung gehen und daß auch er wie früher Uranos und Kronos von seinem Throne gestürzt werden werde, weiß auch daß im dreizehnten Geschlechte ein Nachkömmling der gleichfalls unbillig gequälten Io sein Befreier sein werde. Umsonst sind alle Bemühungen, alle Drohungen des Zeus (durch Hermes), jenes Geheimniß zu erfahren. Das dritte Stück zeigte die Erfüllung jener Drohungen des Zeus, aber es brachte auch die Erlösung und Versöhnung zwischen Prometheus und seinem Gegner d. h. zwischen Menschheit und Gottheit, und zwar mit dem Hintergrunde einer noch großartigeren Versöhnung. Denn schon sind die Titanen aus dem Tartaros entlassen155 und sie kommen nun als Erlöste zu dem noch gequälten Bruder, also als Boten und redende Beispiele des wiederhergestellten Weltfriedens, da Zeus milder und sanfter und die alten Götter nachgiebiger geworden sind. Sie finden den Prometheus jetzt am Kaukasos angeschmiedet156 und alltäglich unter schrecklichen Qualen von dem Adler heimgesucht, so daß er sich nach dem Tode sehnt, da er früher auf seine Unsterblichkeit gepocht hatte. Da erscheint Herakles auf seiner Fahrt zu den Hesperiden, erlegt den Adler, und auch der stellvertretende Unsterbliche, den Zeus zur Bedingung gemacht hatte, wird gefunden, in dem weisen Kentauren Chiron, der an einer unheilbaren Wunde in seiner Höhle am Pelion leidend mit Freuden für Prometheus in den Tod geht. Dieser sagt also sein Geheimniß, nehmlich daß eine Verbindung des Zeus mit der Thetis einen noch gewaltigeren Sohn als Zeus selbst sei erzeugen werde, wird befreit und trägt als Symbol seiner Strafe fortan einen eisernen Ring am Finger und einen Weidenkranz auf dem Haupte157. Auf den Olymp zurückgekehrt wird er wieder was er früher war, ein Berather und Prophet der Götter158. Vermuthlich erhielt er in diesem letzten Stücke aber auch durch feierliche Einweisung (wie die Eumeniden in dem nach ihnen benannten Stücke) jenen Sitz in der Gegend der Akademie bei Athen, wo er als ein älterer Hephaestos neben diesem Gotte und Athena verehrt und bei feierlichen Gelegenheiten durch einen Fackellauf ausgezeichnet wurde159.
Endlich ist Prometheus auch zum plastischen Künstler und zum Demiurgen geworden, in demselben Sinne wie bei Hesiod Hephaestos die Pandora schafft Erde mit Wasser knetend (W. T. 61) oder wie bei Plato Protag. 320 D die Götter alle sterblichen Geschöpfe aus Erde und Feuer bilden (τυποῦσιν). In gleicher Weise also bildet jetzt Prometheus Menschen und Thiere aus Thon160 und beseelt dieselben entweder selbst mit dem himmlischen Feuer oder die Seele wird von andern Göttern gewährt, gewöhnlich vom Zeus oder der Athena. Sowohl die Dichter als die Künstler haben diese Vorstellung in vielen sinnreichen Schöpfungen ausgesprochen, jene auch wohl so daß sie die bunte Mischung der menschlichen Eigenschaften durch die Mischung des Stoffs, dessen sich Prometheus bedient habe, ausdrückten161. Noch später ist an die Stelle des Prometheus die προμήϑεια getreten und dadurch der Mensch zuletzt zu einem Kinde der Sorge geworden162.
Fußnote
138 ὁ πυρφόρος ϑεὸς Τιτὰν Προμηϑεύς, Soph. O. C. 56. Den Namen erklärt Aesch. Pr. 85 ψευδωνύμως σε δαίμονες Προμηϑέα καλοῦσιν, αὐτὸν γάρ σε δεῖ προμηϑέως. Verschiedene Etymologieen b. Pott Z. f. vgl. Spr. 6, 100 ff. u. Kuhn die Herabkunft des Feuers S. 16. Zeus Προμανϑεὺς b. den Thuriern Lykophr. 537.
139 Plin. 36, 200 peractis omnibus quae constant ingenio, artem natura faciente, occurrit mirari nihil paene non igni perfici. Die geistige Natur des Feuers drückt das Wort πυρπαλάμαι aus d. h. geschwinde Gedanken, daher πυρπάλαμοι οἱ διὰ τάχους τι μηχανᾶσϑαι δυνάμενοι καὶ οἱ ποικίλοι τὸ ἦϑος, Hes. und διαπυρπαλαμᾶν b. Ho. H. Merc. 357. Vgl. Ennius Epich. b. Varro l. l. 5, 59 est de Sole sumptus ignis isque totus mentis est u. Rö. Myth. 529.
140 Deukalion, der Vater des Hellen, ist nach dieser Sohn des Prometheus, bald von der Klymene, bald von der Hesione, bald von einer Göttin verdorbenes Namens, s. Schol. Od. 10, 2, Apoll. Rh. 3, 1086, Schoem. op. 2, 292. In der mythischen Geographie galt Asia für die Frau des Prometheus, Herod. 4, 45.
141 Z. B. Suppl. 201 ff., wo Euripides den Gedanken ausführt wie die menschliche Cultur eine göttliche Gabe, der menschliche Geist aber damit nicht zufrieden sei: ἀλλ' ἡ φρόνησις τοῦ ϑεοῦ μεῖζον σϑένειν ζητεῖ, τὸ γαῦρον δ' ἐν φρεσὶν κεκτημένοι δοκοῦμεν εἶναι δαιμόνων σοφώτεροι. Ausgeführte Bilder der Art gaben sein Bellerophon und die Melanippe.
142 Hesiod W. T. 51 Διὸς παρὰ μητιόεντος ἐν κοίλῳ νάρϑηκι, vgl. Aesch. Pr. 109 ναρϑηκοπλήρωτον πυρὸς πηγήν, denn der Ferulstengel diente als Feuerzeug, s. Weiske Prom. 211. Anstatt des Heerdfeuers im Hause des Zeus konnte auch der Blitz genannt werden, vgl. Lucr. 5, 1090 fulmen detulit in terram mortalibus ignem primitus, daher Pr. auf einer Gemme den Blitz statt des Feuers in der Hand trägt. Bei Plato Protag. p. 321 entwendet Pr. das Feuer aus der Werkstätte des Hephaestos und der Athena, weil diese Götter hier das technische, Zeus das politische Bildungselement vertreten. Nach Serv. V. Ecl. 6, 42 erlangte er es mit Hülfe der Minerva adhibita facula ad rotam Solis, vgl. die weit verbreitete Symbolik des Sonnenrades b. Grimm D. M. 578 und Probus V. Ecl. l. c. ignis qui Solis in lumine diem diis operabatur, auch Mythol. lat. 1, 1; 2, 63, wo Minerva den Pr. inter oras septemplicis clypei sublatum