Griechische Mythologie. Ludwig Preller
und Athena als eng zusammengehörige Culturgötter neben einander verehrt. Ueberhaupt sind Hephaestos und Prometheus nahe verwandte Gottheiten, wie denn auch dem Hephaestos dieselbe wohlthätige Wirkung für die menschliche Cultur zugeschrieben wurde (Hom. Hymn. 20).
Der alte Cultusbeiname des Prometheus war ὁ πυρφόρος ϑεός138 d. h. der Gott welcher das Feuer vom Himmel auf die Erde herabgebracht hat, denn das Feuer ist nach dem Glauben der Naturreligion eine göttliche Kraft und dem Himmel eigen, in dessen siderischen und meteorischen Erscheinungen, namentlich in der Sonne und im Blitze, es am eminentesten hervortritt. Zugleich ist es auf der Erde in solchem Grade nicht blos die Bedingung aller menschlichen Cultur im weitesten Umfange139, sondern auch die am meisten seelenartige, geistige, überall durchdringende Elementarkraft, daß Prometheus als πυρφόρος sehr bald für den Stifter und Begründer der menschlichen Cultur überhaupt gelten konnte und als solcher zugleich für schlechthin erfinderisch, ja für die personificirte Vorsicht und Erfindungskraft, wie dieses in seinem Namen ausgedrückt ist. Er ist darin wie gesagt dem Hephaestos sehr nahe verwandt, aber doch in einem Hauptpunkte auch wieder ganz von ihm verschieden, demselben weswegen er als Titane gedacht und in das Geschlecht des Japetos eingereiht wurde. Prometheus hat nehmlich, wahrscheinlich in Folge jener speciellen Beziehung zum menschlichen Geschlechte, welches den Grundzug der ganzen Dichtung bildete und welches auch die hellenische Stammessage sich angeeignet hatte140, die besondere Bedeutung eines Vertreters der menschlichen Bildung bekommen sofern sie die Natur überwältigt und dadurch zum Widerspruch gegen die Gottheit reizt: jener prometheischen Erfindsamkeit des menschlichen Geschlechtes, vermöge welcher dasselbe in alle Winkel der Natur eindringt und alle Kräfte der Natur sich dienstbar macht, wie dieses Sophokles Antig. 382 ff. so wunderschön ausführt, und jenes unermüdlichen Triebes und Durstes nach Wahrheit und allen Tiefen der Gottheit, welche zuletzt so leicht zu Trotz und Widerspruch führt, wie diesen dämonischen Trieb unter den alten Dichtern am besten Euripides zu schildern wußte141. Und so erscheint denn in dieser Mythe nicht allein die edle Gabe des Prometheus, das Feuer, als ein Raub am Himmel und an der Gottheit, indem Prometheus es bald an dem Heerdfeuer des Zeus oder an dem künstlerischen Feuer des Hephaestos und der Athena bald an dem des Sonnenwagens entzündet142, sondern es ist auch sein eignes Tichten und Trachten wesentlich Widerspruch und Schlauheit (daher ἀγκυλομήτης wie Kronos) und Zeus muß ihn bestrafen weil er, wie Hesiod sich sehr bezeichnend ausdrückt, es dem Zeus im Rathe gleich thun wollte143.
Aus solchen Elementen ist zunächst die Sage entstanden, wie sie in verschiedenen Versionen und Abschnitten bei Hesiod zu lesen ist. Der erste Anfang des Zerwürfnisses zwischen Prometheus und Zeus wird th. 521 ff. erzählt, zugleich als Ursache weshalb Zeus den Menschen das Feuer vorenthielt, daher Prometheus es entwenden mußte. Als die Götter sich mit den Menschen bei Mekone d. i. Sikyon wegen der ihnen gebührenden Ehren auseinandersetzten144, da theilt Prometheus, hier als Feuergott zugleich der Opferer und πυρκόος145, einen großen Opferstier in zwei Portionen, von denen die eine aus den Fleischtheilen und den eßbaren Eingeweiden die er in das Fell des Opferthieres einschlägt, die andere aus den Knochen und Schenkelstücken besteht, die er sehr geschickt zu legen weiß und mit glänzendem Fett bedeckt. Er wollte dadurch den Zeus berücken, damit dieser die schlechtere Hälfte als Antheil der Götter wählte. Zeus merkt den Betrug, aber weil er den Menschen ohnehin nicht wohlwollte146, greift er absichtlich zu dem schlechteren Theile und hat nun einen Grund das Feuer zurückzuhalten147. Also eine ziemlich ungeschickte Begründung der zwischen Göttern und Menschen bestehenden Feindschaft, die dabei als schon vorhanden vorausgesetzt wird und nach dieser Sage ihren Grund doch eigentlich in dem bekannten Neide der Götter hat. Der seit alter Zeit überlieferte Gebrauch nur gewisse Theile des Opferthieres und zwar die geringeren zu verbrennen, die übrigen beim Opferschmause zu Ehren der Götter zu verzehren, erschien einem reflectirenden Geschlechte als Verkürzung der göttlichen Ehren: wie in anderen Fabeln alte Gebräuche des Menschenopfers als Greuel und Versuchung der Götter gedeutet wurden.
Eine zweite Sage, welche die W. T. 42 ff. erzählen (vgl. th. 570 ff.), ist weit alterthümlicher und volkstümlicher und dadurch besonders anziehend daß sie zugleich von der Entstehung des Weibes berichtet. Diese erscheint ganz wie in der biblischen Erzählung als eine Schwächung, eine Entzweiung des menschlichen Geschlechts, doch ist die Erzählung nach griechischer Weise voll von schalkhafter Naivität und behaglicher Lust am Schönen und Reizenden. Sie geht aus von der Betrachtung daß die Menschen ihr Brod im Schweiße ihres Angesichtes essen müssen, weil die Götter ihre Nahrung im Schooße der Erde verborgen halten. So hat es Zeus gewollt aus Zorn über den Betrug des Prometheus (bei dem Vertrage von Sikyon) und auch das Feuer hielt er nun verborgen, bis Prometheus es entwendete. Darüber ist Zeus nun vollends sehr erzürnt und beschließt den Menschen wegen dieses Diebstahls ein Uebel ins Haus zu schicken, woran sie noch dazu recht ihre Lust haben sollen. Also ließ er seinen Sohn Hephaestos aus angefeuchteter Erde ein Menschengebilde machen und diesem Stimme und Kraft der andern Menschen geben; den Wuchs aber und das Antlitz solle er nach dem Bilde der unsterblichen Göttinnen schaffen, das reizende Bild einer schönen Jungfrau. Und Athena solle diese zu kunstreichen Werken unterweisen, Aphrodite ihr Haupt mit Anmuth umkleiden und verführerisches Schmachten und gefallsüchtiges Sorgen, Hermes aber einen schmeichlerisch demüthigen Sinn und ein verschlagenes Gemüth in sie legen. Und so thaten die Götter und Athena und die Chariten und die Hören gürteten und schmückten sie so herrlich, mit goldenen Spangen und mit köstlichem Geschmeide und schönen Frühlingsblumen, daß es eine Lust für Götter und Menschen war148. Und die Götter nannten sie Pandora, weil sie eine verhängnißvolle Gabe aller Götter an die Menschen war149. Darauf führt Hermes sie zum Epimetheus und dieser nachbedächtige, überbegehrliche Bruder und Doppelgänger des Prometheus läßt sich denn auch gleich bei seiner schwachen Seite fassen. Wohl hatte Prometheus ihn gewarnt, kein Geschenk vom Zeus anzunehmen, aber es lag eben in der Natur des Epimetheus, das Uebel nicht eher zu merken als nachdem er es an seinem Heerde aufgenommen hatte. Nun folgen lange Betrachtungen über die Natur des Weibes, von welcher viele Griechen von Hesiod bis Euripides viel Böses und Nachtheiliges zu berichten wissen, dahingegen der weitere Verlauf nur angedeutet, nicht ausgeführt wird. Früher hätten die Menschen ohne Uebel, Mühe und Krankheiten gelebt, aber jenes erste Weib habe den Deckel von dem Fasse150 genommen und da seien alle Uebel herausgeflogen und hätten sich über Land und Meer verbreitet, namentlich viele böse Krankheiten, vor welchen der Mensch keinen Augenblick sicher ist. Und selbst die einzige Hoffnung (ἐλπίς), welche noch am Rande des Fasses als Pandora den Deckel wieder darüber stürzte hängen, also den Menschen eigen geblieben ist, kann in dem Zusammenhange dieser Fabel und überhaupt im Sinne der Alten keineswegs für etwas Gutes gelten151.
So hat also Prometheus bei Hesiod den Menschen weit mehr geschadet als genützt, wie ein Versucher der sie den Rath des Zeus umgehen lehren wollte und gerade dadurch Urheber alles Elendes geworden ist152. Er selbst, der angebliche Menschenfreund, muß aber die allerschlimmste Buße für seinen Feuerraub leiden, indem er gefesselt und gepfählt wird153 und ein Adler alltäglich von seiner unsterblichen Leber so viel abfrißt als in der Nacht wieder zuwächst: eine Strafe die ganz im Sinne jener Unterweltsstrafen