Griechische Mythologie. Ludwig Preller
ist daß die Traditionen der Gigantomachie in keinem Culte so eifrig gepflegt wurden als in dem der Athena. Ferner die Sage von dem Giganten Mimas, welcher dem hohen und stürmischen Waldgebirge, das bei Chios und Erythrae in die See hinausspringt, seinen Namen gegeben hatte96, und die koische von dem Giganten Polybotes d. i. der Brüller, welcher vor Poseidon durch das Meer bis Kos flieht, von welcher Insel darauf der Meeresgott mit seinem Dreizack ein Stück abschlägt und auf den Riesen wirft, auf welche Weise die Insel Nisyros entstanden sein soll97. Außerdem wird Ephialtes als Gegner des Apoll, Rhoetos als der des Dionysos, Klytios als der der Hekate oder des Hephaestos, der ihn mit glühenden Metallklumpen getroffen habe, andre Giganten als die von andern Göttern genannt98, wie sich denn die Volkssage aller Orten immer viel mit diesen Riesen und diesen Kämpfen beschäftigte, in Italien vorzüglich in der ganz vulkanischen Gegend Campaniens zwischen Cumae und Pozzuoli, wo man gleichfalls ein Phlegra und eine Gigantomachie kannte und durch die vielen heißen Quellen, die vulkanischen Ausbrüche, die Erdbeben an die Riesen in der Tiefe des Erdbodens immer von neuem erinnert wurde99.
Titanomachie und Gigantomachie sind sich darin ähnlich daß sie in ethischer Hinsicht im Wesentlichen dasselbe bedeuten, den fruchtlosen Widerstand der bloßen Gewalt gegen das göttliche Regiment der Olympier, wie dieses Pindar P. 8 und Horaz Od. 3, 4 sehr schön ausgeführt haben. In theogonischer Hinsicht ist die Gigantomachie freilich lange nicht so bedeutsam, aber sie war dafür um so populärer, schon deshalb weil alle Götter und Herakles mitkämpften. Die Folge war daß die Titanen vor den Giganten zuletzt fast ganz vergessen sind, so daß der Name Titane bei den späteren Dichtern (schon bei Euripides) gewöhnlich dasselbe was Gigant bedeutet. Die größere Popularität aber zeigt sich besonders in den Werken der bildenden Kunst, welche die Darstellungen aus der Gigantomachie um so lieber ergriff je weniger sie mit den Titanen zu rathen wußte. Besonders wurden solche Kampfesscenen im Culte des Zeus und der Athena abgebildet, in welchem letzteren auch der bei den Panathenaeen dargebrachte Peplos nach herkömmlicher Weise mit solchen Scenen gestickt wurde100. Und von daher wird es kommen daß auch die alterthümlichen Vasenbilder sehr häufig diese Schlacht darstellen, entweder im Ganzen oder in besonderen Gruppen101. Die Giganten sind in solchen älteren Werken immer so gebildet wie auch Hesiod sie beschreibt d. h. wie andere Götter und Helden gestaltet und bewaffnet, obwohl ihnen durch wilden Haarwuchs, eine Bekleidung mit den Fellen wilder Thiere und die Bewaffnung mit Felsblöcken, Baumstämmen102, Keulen u. s. w. ein wüstes Aussehn gegeben wurde. Doch kennt erst die spätere Kunst jene Giganten mit Schlangenleibern, welche auch von den späteren Dichtern und Mythographen mit diesen und mit andern Merkmalen einer wilden und ungeheuern Natur beschrieben werden. Denn immer haben auch die Dichter und Redner sich in solchen zu kühner Phantasie, aber auch zu Prunk und Schwulst einladenden Schilderungen gefallen, wie noch in Rom viele Gigantomachieen gedichtet wurden103: ein Anlaß alle gleichartigen Wesen der Vorwelt, den Typhon, den Aegaeon, die Aloiden u. s. w. immer mehr zu einem und demselben Kampfe gegen die himmlischen Götter zusammentreten zu lassen und auf der andern Seite auch die Betheiligung der Götter immer weiter auszudehnen. Sind doch zuletzt selbst Aphrodite und Eros in diese wilde Schlacht mit hineingezogen worden104.
Dem Kampfe folgt auch in dieser Sage die Siegesfeier und der Triumph, bei welchem wieder Zeus und Athena die hervorragendsten Götter waren. Zeus soll der Gigantenschlacht seinen Boten und Diener, den Adler mit dem Blitze verdanken105. Athena führte mit besondrer Beziehung auf diesen Sieg den Beinamen Nike und soll sich nach attischer Sage selbst ihren Panzer, die Aegis mit dem versteinernden Haupte der Gorgo, im Kampfe mit den Giganten erworben haben106. Aber auch die Theilnahme des Herakles pflegt bei dieser Sieges- und Freudenfeier hervorgehoben zu werden, vorzüglich bei dem Siegesschmause, bei welchem er eben so sehr als bei dem Kampfe an seiner Stelle war107. Ja es scheint daß seine Aufnahme unter die Olympier vorzugsweise durch seine Betheiligung an der Gigantomachie motivirt wurde108.
Fußnote
86 Hesiod th. 50 ἀνϑρώπων τε γένος κρατερῶν τε γιγάντων. Alkyoneus ein Autochthon nach dem Dichter (wahrscheinlich Pindar) b. Hippol. ref. haer. 5, 7 p. 136. Vgl. Paus. 8, 29, 2.
87 γίγας von γὶς d. i. γῆ (Lob. Paralip. 83) wie γέγειος von γέα. Vgl. Batrachom. 7 γηγενέων ἀνδρῶν γιγάντων. Soph. Tr. 1058 ὁ γηγενὴς στρατὸς γιγάντων. Eur. Phoen. 129 γίγαντι γηγενέτα προσόμοιος, 1131 γίγας γηγενής, Herc. f. 179 τοῖσι γῆς βλαστήμασι γίγασι. Arist. Av. 824 οἱ γηγενεῖς. Die Fabel vom Ursprung der Menschen aus der mit dem Blute der Giganten benetzten Erde b. Ovid M. 1, 156 gehört den Orphikern und der Zeit wo Giganten und Titanen dasselbe bedeuteten, eben so die Fabel welche alles giftige Gewürm bald aus dem Blute des Typhoeus bald aus dem der Titanen oder Giganten entstehen ließ, s. Lob. Agl. 565 sqq.
88 Batrachom. 7. 171 οἷος Κενταύρων στρατὸς ἔρχεται ἠὲ Γιγάντων. 282 τὸ σὸν ὅπλον κινείσϑω μέγα Τιτανοκτόνον, – ᾧ ποτε καὶ Καπανῆα κατέκτανες – Ἐγκέλαδόν τ' ἐπέδησας ἰδ' ἄγρια φῦλα Γιγάντων. Xenophanes b. Athen. 11, 7. οὔτε μάχας διέπει Τιτήνων οὐδὲ Γιγάντων ουδὲ τὰ Κενταύρων, πλάσματα τῶν προτέρων. Wahrscheinlich dichtete auch Hesiod von der Gigantomachie, Schoem. l. c. 140, 23. Zu Apollod. vgl. Tz. Lyk. 63 und über die Giganten überhaupt Wieseler Hall. A. Encycl. s. v.
89 Solin 14 weiß von gewaltigen Felsblöcken die da herum lägen, Philostr. Her. p. 671 von Gigantengebein und unterirdischem Getöse. Phlegra ist das Gigantenfeld (Φλεγραία πλὰξ Aesch. Eum. 295, Φλέγρας πεδίον Pind. N. 1, 67, Arist. Av. 824), Pallene die ganze felsige Landzunge, Steph. B. v. Παλλήνη.
90 Pind. N. 4,27; Isthm. 5, 32, b. Hippol. l. c., vgl. Schneidew. Philol. 1 p. 434. Der Name Ἀλκυονεὺς ist zu erklären wie der der alkyonischen Tage und der alkyonischen Vögel, welche in jener Gegend für die verwandelten Töchter des Alkyoneus galten, s. Bekk. An. 377, 31. Auch gab es dort einen Berg Alkyone, Plin. 4, 36. Alkyoneus und Porphyrion zusammengenommen würden also in dieser Fabel die neptunische und die vulkanische Gigantenmacht vertreten, wie die Hekatoncheiren und die Kyklopen der Titanomachie Gewitter und Erdbeben.
91 Pind. P. 8, 12. 17, Nonn. 48, 20, Ptolem. Heph. 2 πυρίπνοος Γίγας.