Griechische Mythologie. Ludwig Preller

Griechische Mythologie - Ludwig Preller


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daß die Götter sie verstoßen mußten115. Und diesem Bilde schließt sich auch die Sage von Lykaon und seinem Geschlechte in Arkadien an, so wie in anderer Hinsicht die von den thebanischen Sparten, dem aus Drachenzähnen emporgesproßten Geschlechte, welches sich wie die Giganten in wahnsinniger Streitbarkeit selbst aufreibt. Culturgeschichtliche Bilder sind die sehr beliebten von einer primitiven Rohheit der Menschen, welche zuerst wie die Thiere in Höhlen und Wäldern gelebt hätten116, dann allmälig durch Götter und Heroen von den Gefahren ihres Daseins befreit und durch Mittheilung der Culturfrüchte und andere milde Stiftungen zu menschlicher Sitte emporgehoben seien; wobei also auch wieder die Voraussetzung zu Grunde liegt daß der Mensch nur unter göttlichem Beistande zu dem geworden ist wodurch er sich von den Thieren unterscheidet. Endlich eine geschichtliche Erzählung von der Vorzeit, wenigstens hielt man sie für geschichtlich, geben solche alte Landschafts- und Stammsagen, wo die späteren Geschlechter und Stämme sich von einem ersten Menschen und Erzieher seines Volkes ableiteten, dergleichen es wieder in sehr verschiedenen Gegenden gab. Die allgemeinste Anerkennung erlangte mit der Zeit die Unterscheidung eines ersten und eines zweiten Geschlechtes, von denen das erste, das pelasgische, von dem argivischen Phoroneus abgeleitet zu werden pflegte, das zweite, das hellenische, von Deukalion. Die Sage von Phoroneus und seinem Geschlechte117 ist peloponnesischen Ursprungs, daher man sich die pelasgischen Stämme gewöhnlich von jener Halbinsel aus über das nördliche Griechenland verbreitet dachte; dahingegen die Deukalionssage vorzüglich in Thessalien und am Parnaß zu Hause war. Eine große Fluth, die Sinfluth der griechischen Sage, vernichtet alle früheren Geschlechter bis auf das eine Paar, Deukalion und Pyrrha, von welchen jener wie der biblische Noah eine Personification sowohl der Fluth als der aus ihr von neuem erstehenden Landescultur zu sein scheint, sowohl in der historischen Bedeutung der großen Fluth, nach welcher neue Staaten entstanden, als in der jährlichen Ueberfluthung des Winters und der Wiedergeburt des Landes durch den Frühling118, diese eine Personification der fruchtbaren und durch ihren Waizenbau berühmten Fluren am Fuße der Othrys, auf welchem Gebirge die ältere Sage auch den Kasten des Deukalion landen ließ119. Dagegen ist nachmals, vermuthlich unter dem Einflusse von Delphi, der Gipfel des Parnaß zum Orte der Landung und die alte Stadt Lykoreia auf diesem Berge, deren Bevölkerung sich später nach Delphi zog, zur ersten Gründung Deukalions geworden120; daher namentlich Apollodor 1, 7, 2 und Ovid M. 1, 260–415 die Sage in diesem Zusammenhange erzählen. Zeus und das Orakel befiehlt ihnen die Gebeine der Mutter d. h. das Gestein des Gebirgs hinter sich zu werfen, aus welchem sodann eine neue Saat von Menschen emporschießt, aus den von Deukalion geworfenen Steinen die Männer, aus den von Pyrrha geworfenen die Frauen, ein Geschlecht der Steine d. h. ein hartes und dauerhaftes Geschlecht, wie schon Pindar mit den Worten spielte121. Deukalion selbst ist Vater des Hellen, dessen Söhne und Enkel die einzelnen Stämme der Hellenen begründen, Aeoler Dorer Achaeer und Ionen. Eine scheinbare Geschichte wie gesagt, denn bei genauerer Untersuchung ergiebt sich auch von diesen Traditionen daß sie auf ganz mythischen Thatsachen und auf genealogischen Combinationen beruhen, welche letztere zwar ziemlich alt sind122, aber nichts desto weniger für willkürlich gelten müssen und für die Geschichte nicht zu brauchen sind. Genug auf diese Weise entstand das seitdem ziemlich allgemein angewendete Sagensystem wo zuerst das sogenannte Geschlecht des Phoroneus d. h. eine Geschichte der Pelasger, dann das sogenannte Geschlecht des Deukalion d. h. eine Geschichte der Hellenen, endlich eine sogenannte Atthis d. h. eine mythische Geschichte von Attika abgehandelt wurde123.

       Fußnote


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